Die bonnFM Kolumne
Es gibt bestimmte Phasen oder Ereignisse in der Uni, die bei uns Studierenden schonmal für die ein oder andere durchaus lustige Reaktion sorgen können. Ein perfektes Beispiel dafür ereignete sich letzte Woche bei mir. Den Gemütszustand an dem Morgen nach meiner letzten Klausur hätte man zum Beispiel milde gesagt als einfach nur komplett bekloppt bezeichnen können – bekloppt, aber auch sehr glücklich. Die daraus resultierenden Begleiterscheinungen sind im Folgenden nachzulesen.
Die traumhafte Idealvorstellung, die sich in meinem Gedächtnis zu Beginn meines Studiums manifestiert hatte wurde an diesem Morgen ominöse Wirklichkeit. Wie durch eine scheinbar göttliche Eingebung wachte ich eine Viertelstunde vor meinem Wecker auf. An sich wäre diese Tatsache mit Sicherheit kein neuer Aufhänger für eine neue Folge Aktenzeichen XY gewesen. An jenem Morgen, der auch der lebhaften Phantasie eines Hollywood-Blockbusters hätte entsprungen sein können, fühlten sich meine Muskeln jedoch bereits schon um 5:30 Uhr fit genug, um meinen inneren Schweinehund zum Aufwachen zu überreden. Nein, ich war gestern nicht vor 24:00 Uhr im Bett gewesen.
Auf der Suche nach Indizien, mit denen sich diese seltsame Energie ohne Kaffee erklären lassen könnte, machte sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht breit: Ich war ein freier Mensch. Nach der letzten gestrigen Prüfung trennten mich nur noch die Bekanntgabe der Ergebnisse davon, zu einem laut und wild durch die Gegend hüpfendem Etwas zu werden, wovor selbst die Teilnehmer der Gummibärenbande in Panik freiwillig davon sprinten würden.
Begleiterscheinungen der Freiheit
Der neu aufkeimende Zustand absoluter und bedingungsloser Glückseligkeit schien mir fast übermenschliche Kräfte zu verleihen. Wenn sich in meinem Zimmer aus irgendeinem Grund ein Baum befunden hätte, hätte ich ihn mit Sicherheit Mithilfe herkulesartiger Stärke zu Kleinholz verarbeitet. Warum auch immer. Entspannt schlenderte ich in das Bad, ohne mir den kleinen Zeh an der Türkante zu stoßen und hatte sogar noch Zeit für eine ausgiebige Dusche. Da das hier keine Transkribierung einer perfekten Morgenroutine eines Youtube-Videos werden soll, überspringen wir den weiteren Verlauf meiner Instandsetzung – bis zu dem Zeitpunkt, wo ich die Geistesgegenwärtigkeit besaß, mir in meiner verbleibenden Zeit einen Kaffee zum Mitnehmen zu machen und ihn diesmal nicht zuhause vergaß.
Begleitet durch die Beats der Backstreet Boys – wozu ich auch angedeutete Tanzbewegungen ausführte, die man höflich ausgedrückt als nett und interessant bezeichnen könnte, kam ich leicht über dem Boden schwebend am Bahnhof an und meine penetrant gute Laune verwandelte sich in eine irritierte Verwirrung. Während ich glücklich auf dem Bahnsteig wartete und mich ganz einfach unfassbar auf den anstehenden Tag freute – was sich wiederum in unterdrücktem Kichern und irgendwie völlig unangebrachtem Augenrollen äußerte – schienen die Mitmenschen um mich herum dieses Gefühl überhaupt nicht teilen zu können. Als einzige Parallelen zu meinem Auftreten konnte ich Kaffeebecher und Kopfhörer ausmachen. Ansonsten standen die meisten mit, milde gesagt, langen Gesichtern und trüben Blicken, geduckten Körperhaltungen und nichtssagenden Gesichtsausdrücken da. Aber auch das konnte das kleine Freiheitsmonster in mir nicht davon abhalten sich zu freuen und so sehr damit beschäftigt zu sein, dass ich mich fast beim in-die-Bahn-Einsteigen gekonnt elegant auf die Nase gelegt habe. Es gab einfach so viele Dinge, die ich jetzt mit meiner neu gewonnen Freiheit machen könnte.
Ein Anflug von Wahnsinn
In der Bahn konzentrierte ich mich wieder auf meine Musik und schaute aus dem Fenster, wobei mir eine blutrot leuchtende aufgehende Sonne entgegen schien. Auf Plattformen, bei denen Bilder eine große Rolle spielen, sah ich mir die Posts meiner Kommilitonen an. #liberté und so. Mein Grinsen wurde immer breiter und an den Blicken meiner Sitznachbarn bemerkte ich, dass sich meine Freude langsam in halbrealen Wahnsinn verwandelte und ich mehr und mehr zu einer völlig bekloppten liebebedürftigen Knutschkugel oder zu einem Hulk auf Drogen wurde.
Als ich mit meinem Handy aus Versehen ins Internet ging und mein Wunderwerk der modernen Technik „Basis“ aufrief – sollte die Realität für diesen Tag doch noch eine Chance bekommen. Diese Seite hatte ich in den letzten Tagen häufiger aufgerufen und beim letzten Mal wohl vergessen zu schließen. In dem Glauben, ich würde eigentlich das nächste Lied spielen lassen, zoomte ich noch weniger beabsichtigt an ein ganz bestimmtes Wort ran – Sommersemester 2019 – Groß und in Farbe. Vor mir lagen jetzt ein paar Monate der Freiheit bis es damit wieder losgehen würde. Warum mich der Umstand dieses Wissens in einen derart glücklichen und paralysierten Zustand versetzte, war mir eigentlich gar nicht so genau klar. Ich habe mir meinen Studiengang freiwillig ausgesucht und kann mittlerweile überzeugt sagen, damit die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und zugegeben, irgendwie war ich auch auf das nächste Semester gespannt. Aber dieses Gefühl von Freiheit, das Tiefe und genießerische Einatmen der Bahnluft war an diesem Morgen, ausgehend von dem kleinen Freiheitsmonster in mir, einfach wunderbar. Und fühlte sich wie eine Belohnung für die letzten paar Monate und insbesondere für die letzten paar Wochen an.
Trotzdem hatte die Überschrift Sommersemester 2019 auf meinem Handy, in diesem Moment ungefähr den gleichen Effekt wie der Jumpscare bei Nightmare on Elm Street. Ich verschluckte mich an meinem Kaffee. Dankeschön für die Erinnerung. Aber ich hatte jetzt erstmal frei.
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