Mit Halina Reijns Babygirl feiert der Erotik-Thriller sein großes Comeback. Nun ist der Film auch in den deutschen Kinos zu sehen. In der neuen Folge von Female Gaze beschäftigt sich unsere Kolumnistin mit den feministischen Themen des Films.
Auf den ersten Blick mag die Geschichte klischeehaft erscheinen. Die erfolgreiche Romy (Nicole Kidman), die zwischen ihrer Rolle als Firmenchefin und Mutter / Ehefrau steht, beginnt eine Affäre mit dem deutlich jüngeren Praktikanten Samuel (Harris Dickinson), weil ihr Ehemann Jacob (Antonio Banderas) sie nicht sexuell befriedigen kann. Aber hinter Babygirl (Trailer) steckt dann doch viel mehr als das.
Und das liegt nicht nur an dem fantastischen Soundtrack (inklusive Dancing On My Own von Robyn und Father Figure von George Michael) oder den Performances der Darstellenden. Der Film von Regisseurin Halina Reijn haucht dem verstaubten Erotik-Thriller Genre feministischen Charakter ein.
Machtdynamiken und das Patriarchat
Romys Lebenssituation ist nicht nur ein Trope, um einen Grund für die Affäre mit Samuel zu kreieren, sondern verdeutlicht unter welchem Druck Frauen tatsächlich stehen. In diesem Fall eben Frauen, die Karriere in männerdominierten Branchen machen. Einerseits muss Romy sich als CEO in den patriarchalen Strukturen des Berufslebens behaupten und hat dabei gelernt als „starke Frau“ aufzutreten, die alles im Griff hat. Gleichzeitig „muss“ sie auch als Mutter und Ehefrau funktionieren und Care Arbeit leisten. Und das sind nicht die einzigen gesellschaftlichen Erwartungen, denen Romy gerecht werden muss. In mehreren Szenen ist zu sehen, wie sie sich Schönheitseingriffen unterzieht, um in das gesellschaftliche Idealbild für Frauen hineinzupassen.
Während die Affäre mit Samuel es Romy ermöglicht, Kontrolle abgeben zu können, führt sie immer wieder zu einer Umkehrung der Machtdynamiken. Ist Romy ihm zuerst hierarchisch übergeordnet, gewinnt Samuel mehr Macht über sie, weil Romy auf die Affäre angewiesen ist. Das geht so weit, dass Romy bald selbst ihre Machtposition gegenüber ihrer Assistentin Esme ausnutzt. Hier macht der Film macht den wichtigen Punkt, dass auch Frauen nicht vor den Strukturen gefeit sind. Auch sie können ihre Macht missbrauchen, um sich Vorteile zu verschaffen. Denn auch sie sind Teil der patriarchalen Gesellschaft.
„I Think You Like To Be Told What To Do“
Babygirl zeigt eine Gratwanderung zwischen einem Zurückfallen in patriarchale Muster und das befreite Ausleben von Kinks. Zuweilen wirkt es befremdlich, wie sehr Samuel Einfluss auf Romy nehmen kann. Schon beim ersten Aufeinandertreffen der beiden macht der Film die Rollenverteilung deutlich. Als Romy Samuel dabei beobachtet, wie er auf der Straße einen Hund besänftigt. Später wird Romy selbst zu seinem Schoßhund, der seinen Befehlen treu Folge leistet. Diese Dynamik verstärkt das patriarchale Rollenverständnis der Frau als unterwürfig, die die Kontrolle des Mannes über sich genießt. Einen Punkt den der Film selbst an einigen Stellen anspricht. Sei es durch Romys Mann, der dies reflektiert oder Romy die sich selbst fragt, warum sie diese sexuellen Vorlieben hat und sich dafür schämt.
Gleichzeitig ist es viel zu einfach diese Dynamik als das Verfestigen heteronormativer Idealvorstellungen abzutun. Es geht nicht darum Frauen an sich in diese Rolle einzuordnen. Es geht vielmehr darum sexuellen Fantasien einen Raum zu geben. Selten wurde weibliche Lust im Kino so zelebriert wie hier bei Babygirl. Sowohl mit Samuel als auch mit Jacob gibt es männliche Charaktere, die die sexuellen Bedürfnisse von Romy ernst nehmen. Lust und Verlangen werden nicht als etwas schambehaftetes dargestellt. Ob diese Kinks aus patriarchalen Denkmustern stammen, spielt erstmal nur eine zweitrangige Rolle und die Wertung ist am Ende den Zuschauer*innen selbst überlassen.
Die Entscheidung zwischen zwei Leben(sentwürfen)
Als die Affäre auffliegt, steht Romy endgültig vor der Entscheidung. Nicht nur der Entscheidung zwischen den beiden Männern, sondern auch wie sie ihr Leben weiter gestalten möchte.
Dabei kommt es zu einer emotionalen Szene zwischen Romy und einer ihrer Töchter. Leider verpasst der Film an dieser Stelle die Chance, das Thema Polyamorie aufzugreifen. Man fragt sich, ob diese Situation nicht auch gelöst werden könnte, in dem sich aus dem heteronormativen, monogamen Beziehungskonzept befreit wird.
Dennoch ist die schlussendliche Konfrontation der beiden Männer nicht so toxisch, wie man es sich hätte vorstellen können. Als Jacob während der Auseinandersetzung eine Panikattacke bekommt, ist es Samuel, der ihm hilft, sich wieder zu beruhigen. Die Männer in Babygirl sind verletzlich, der Film gibt auch ihnen Raum für Gefühle.
Am Ende ist der Film wieder da, wo er begonnen hat, im Ehebett von Romy und Jacob. Die Affäre aber hat ihre Beziehung verändert. Es gibt eine Vereinbarkeit von sexueller Fantasie und Ehe. In Babygirl werden die patriarchalen Strukturen zwar leider nicht durchbrochen. Dennoch zeigt der Film die Strukturen auf und ist schließlich vor allem ein Plädoyer für Kommunikation in Beziehungen.
