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Keine Plus-Eins? (K)ein Problem

Lesezeit: 4 Minuten

Deine Lieblingskünstler*in tritt auf und niemand will mit? Warum es trotzdem eine gute Idee sein könnte, alleine hinzugehen, erfährst du hier im neuen Beitrag der bonnFM-Kolumne Anderhalbseiten.

„Und das traust du dich ganz alleine?“, fragte mich eine Freundin letzte Woche, als ich ihr erzählte, dass ich plane, mir alleine Konzerttickets für eine meiner Lieblingskünstlerinnen zu kaufen. Ihr Blick war dabei eine Mischung aus Überraschung und leichter Skepsis. Fast so, als hätte ich ihr erklärt, alleine spontan eine Weltreise unternehmen zu wollen.

Für mich klang das gar nicht so außergewöhnlich. Ganz im Gegenteil: Dinge alleine zu unternehmen, ist für mich längst zur Normalität geworden – etwas, worüber ich mir gar nicht erst lange den Kopf zerbreche.  

Doch ihre Reaktion ließ mich kurz innehalten, denn ich musste mich daran erinnern, dass das bei mir auch nicht immer so war. 

Aller Anfang ist schwer 

Mein erstes Konzert alleine war im Sommer 2022: Conan Gray, im Palladium in Köln. Und hätte ich es mir aussuchen können, wäre ich dorthin auch nicht alleine hingegangen.

Ich hab mehr als nur eine Person gefragt, ob sie Lust hätte, mich auf das Konzert zu begleiten. Nur endete fast jeder Versuch jemanden zum Mitkommen zu überreden gleich: Die ein oder andere Freund*in gab zwar zu, den Künstler gerne zu hören, aber auch nicht so gerne, dass er oder sie bereit war, das Geld für ein Konzertticket auszugeben.

Ich stand somit vor der Wahl: Entweder gehe ich alleine oder ich besuche das Konzert gar nicht. Letzteres war aber keine Option für mich. Schließlich war Conan Gray der Erste meiner Lieblingskünstler, der nach dem allmählichen Ende der Corona-Pandemie ein Konzert in meiner Nähe gab. Ich vermisste das Gefühl Musik live zu hören, schließlich war mein letztes Konzert zu diesem Zeitpunkt schon über drei Jahre her. Ich hatte Sehnsucht danach, mit anderen zu tanzen und zu feiern und die Zeilen aus meinen Lieblingssongs lauthals mitzusingen.

Trotzdem verspürte ich im ersten Moment Unbehagen bei dem Gedanken, nur ein einzelnes Ticket zu kaufen. Zum einen, weil das für mich die Anreise und Abreise zum Konzert erschwerte. Ich war auf die öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und musste den Weg alleine zu einem Veranstaltungsort finden, an dem ich vorher noch nie war. Zudem klang der Gedanke, einen Abend in einer großen Menschenmenge zu verbringen, ohne jemanden zu kennen, im ersten Moment alles andere als beruhigend. Lustigerweise waren es trotzdem nicht die Bedenken um meine eigene Sicherheit, die mich am meisten haben zögern lassen: Viel mehr war es die Angst, als Außenseiter aufzufallen. Ich wollte nicht wie diejenige wirken, die keine Freunde hat und daher alleine gehen muss.

Zum Glück hatte ich damals schon die Realisation, dass diese Gedanken laut ausgesprochen ziemlich lächerlich klingen. Wenn der eigene Lieblingskünstler auf der Bühne steht, hat man besseres zu tun, als jemand anderen dafür zu verurteilen, keine Begleitung zu haben.

Bevor ich mir durch längeres Grübeln noch einmal anders überlegen konnte, beschloss ich, das Ticket einfach zu kaufen. Und das war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Weil natürlich traf keiner meiner Bedenken ein. Ich betrat zwar die Konzerthalle alleine, war aber zu keinem Zeitpunkt einsam und verspürte nie das Gefühl, von den Leuten neben mir verurteilt zu werden. Das Gegenteil war sogar der Fall. Das Konzert hatte noch nicht angefangen und ich kam mit zwei Mädchen neben mir ins Gespräch. Ich stellte fest, dass der gemeinsame Musikgeschmack überraschend schnell verbinden kann und ich freute mich umso mehr über meine Entscheidung, alleine auf das Konzert gegangen zu sein.

Am glücklichsten alleine?

Seitdem gehe ich oft alleine auf Konzerte. Oft lerne ich neue Menschen kennen, schließe sogar neue Freundschaften. Manchmal aber auch nicht. Und das ist in Ordnung. Ab und an lege ich es absichtlich auch gar nicht darauf an, Kontakte zu knüpfen. Ich genieße während des Konzerts einfach das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die dieselbe Musik liebt wie ich.

Bisher habe ich noch keinen Konzertbesuch im Alleingang bereut. Ich tendiere inzwischen dazu, Tickets einfach zu kaufen, ohne direkt Freund*innen zu fragen, ob sie mit mir gehen wollen.

Durch meinem ersten Konzertbesuch habe ich nicht nur an mehr schönen Erinnerungen gewonnen, sondern auch an mehr Selbstbewusstsein. Ich habe im positivsten Sinne weniger das Gefühl von anderen abhängig zu sein und mehr Vertrauen in mich selbst und meine Fähigkeiten gewonnen. Zudem traue ich mich viel mehr: Ich habe keine Hemmungen davor, alleine ins Kino zu gehen, wenn niemand mit mir gemeinsam den Film sehen möchte, dessen Premiere ich seit Monaten sehnsüchtig erwarte. Ich besuche Kunstaustellungen, wenn mir danach ist und verlasse sie auch genauso schnell wieder, wenn die Werke der Künstler*innen mich langweilen. Mittlerweile bin ich sogar mehrfach alleine verreist und habe Großstädte und fremde Orte auf eigene Faust erkundigt. Mich alleine in Restaurants gesetzt, ohne Angst davor zu haben, von anderen schief angeschaut zu werden. Alles Dinge, die für mich die längste Zeit meines Lebens undenkbar waren.

Ich möchte mehr Menschen dazu ermutigen, dasselbe auszuprobieren. Es muss nicht sofort der Konzertbesuch alleine sein. Man kann auch schrittweise damit anfangen, mehr Dinge ohne Begleitung zu unternehmen. Vielleicht damit anfangen, sich einfach mal alleine in sein Lieblingscafé zu setzen und ein Buch zu lesen. Oder einfach mal alleine Tourist*in der eigenen Stadt spielen und an Führungen teilnehmen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man alle diese Dinge ausprobiert und am Ende feststellt, dass man doch lieber Dinge mit anderen Menschen zusammen unternimmt. Daran ist auch nichts Verwerfliches. Aber wenn es dann doch an einer Begleitung fehlt, ist die Person am glücklichsten, die auch alleine etwas unternehmen kann.