Mit ihrem achten Studioalbum „Keine Gefahr“ erklimmt die Berliner Band Dota erstmals die Albumcharts. Vor ihrem Konzert im Kölner Gloria sprach Sängerin Dota Kehr mit bonnFM nicht nur über die neue Platte, sondern auch über ihre aufregende Karriere, die Schattenseiten der Musikindustrie und ihre Studienzeit.
bonnFM: Hallo Dota, schön dass du dir die Zeit für uns nimmst! Du hast ja schon einige Erfahrungen in deiner Biographie gesammelt. Könntest du mal erzählen, was da für dich die wichtigsten Stationen waren?
Dota: Als ich so ungefähr im zweiten Semester an der Uni war, habe ich angefangen Gitarre zu spielen, also echt spät, und auch direkt die ersten Stücke zu schreiben. Der wichtigste Schritt, den ich dann gemacht hab, war, dass ich nach Brasilien gegangen bin, eigentlich um was für die Uni zu machen. Aber dann hatte ich großes Glück und hab sehr tolle Musiker kennengelernt, von denen ich viel gelernt habe und dann habe ich dort ein Album aufgenommen. Vorher hatte ich schon in Berlin angefangen, mit meiner Band zu spielen, mit dem gleichen Schlagzeuger und Gitarristen, die jetzt nach wie vor dabei sind. Seitdem hat sich die Band in Berlin sehr viel entwickelt. 2008 war ich dann nochmal in Brasilien, um an die Zusammenarbeit anzuknüpfen und habe nochmal ein Album dort aufgenommen mit einem sehr bekannten Künstler, Chico César. Zurück in Deutschland folgten nochmal drei Studioalben, und das insgesamt achte Studioalbum ist dieses Jahr im Januar erschienen.
bonnFM: Das ist ja schon eine bewegte Reise. Was ist neu auf „Keine Gefahr“?
Dota: Es ist mehr als alle seine Vorgängeralben ein Bandalbum. Es ist sehr viel im Proberaum entstanden und der Klang der Band hat sich auch ziemlich stark verändert, weil wir seit 2012 mit Jonas Hauer einen Keyboarder in der Band haben anstelle eines Bassisten. Mit der linken Hand spielt er eben Tastenbass, hat damit aber die rechte Hand frei für die ganze schöne Welt der Synthesizer- und Keyboardklänge. Er hat sehr viele neue Ideen und Klänge in die Band reingebracht. Trotzdem glaub ich ist es ganz homogen geworden. Auch wenn ziemlich viel darauf frisch und neu klingt, erkennt man uns.
„Inspiriert hat mich die Zeit in der wir leben, was sonst?!“
bonnFM: Du schreibst ja alle Texte der Band, was hat dich musikalisch und thematisch inspiriert?
Dota: Ich versuche mein texterisches Leben lang, Texte zu schreiben, die im Hintergrund bleiben, die gar nicht auffallen, so wie das in englischsprachiger Musik gelingt. Aber das klappt auf Deutsch nicht. Das haben schon viele Leute probiert und es geht nicht! Der Text drängt sich auf Deutsch immer in den Vordergrund des Bewusstseins und deswegen muss dann doch ganz schön viel dran feilen, damit es kein Blödsinn ist. Es gibt auf dem neuen Album ein paar rätselhaftere Songs, wo das dann auch mehr gelingt und die Melodie mehr in den Vordergrund rückt, wie „Weit, weit, weit“ oder „Nah“. Dann gibt es aber auch sehr konkrete Stücke, zum Beispiel „Grenzen“, wo es genau darum geht, um Grenzen. Inspiriert hat mich die Zeit in der wir leben, was sonst?!
bonnFM: Deine Texte erinnern vom Aufbau her häufig an Rap, ist das auch eine Inspirationsquelle für dich?
Dota: Auf Tour hören wir immer viel Jurassic Five, The Roots, natürlich somit die Größten, nach wie vor unerreicht. Pharcyde habe ich früher viel gehört, aber auch Logic. Deutschen Rap – naja. Ich finde da ist das Spektrum von sehr gut bis seeeeehr schlecht ziemlich groß. Es gibt so viel Deutschrap den man echt nicht hören kann, wo man denkt, das hat doch nichts mit Musik zu tun! Aber hey, wer’s mag… Ich höre aber insgesamt nicht so viel deutschsprachige Musik. Das liegt vor allem daran, dass ich ein sehr gutes Gedächtnis habe und wenn ich deutschsprachige Musik höre fliegen mir immer irgendwelche Textzeilen im Kopf rum und ich weiß dann nicht, ob mir das eingefallen ist oder ob ich das von irgendwo kenne.
bonnFM: Gibt es große musikalische Einflüsse, wo du sagen würdest, ohne diesen Künstler wäre ich ganz anders?
Dota: Ganz wichtig war für mich der Komponist, den ich in Brasilien kennengelernt hab, Danilo Guilherme. Ihr könnt den kaum kennen, denn er hat selbst nie irgendwas veröffentlicht, aber wir haben damals das Album zusammen gemacht. Er hat ganz viele tolle Stücke komponiert und ich habe auch ganz viel Gitarrenspielen von ihm gelernt. Der hat mich auf jeden Fall sehr geprägt!
„Ich finde es wichtig, dass es die Diversität gibt.“
bonnFM: Du hast dein eigenes Plattenlabel und obwohl ja nicht erst das neue Album so erfolgreich ist, hast du nie den Schritt zum Major gemacht und dich „verkauft“. Wieso?
Dota: Es gab durchaus große Bemühungen der Plattenfirmen, uns dazu zu bewegen, auch schon beim letzten Album „Wo soll ich suchen?“. Aber ich mag das und es liegt mir auch irgendwie. Und außerdem bin ich neugierig, wie weit man das so treiben kann, wie weit man damit kommen kann und es ist schon wesentlich weiter als ich je gedacht hätte. Außerdem gab es einfach ein schlechtes Bauchgefühl, ein Major-Deal kam für mich nicht so richtig in Frage. Dazu kam so ein gewisser Trotz, dass ich dachte, jetzt hab ich das alles so weit aufgebaut und jetzt wollt ihr’s haben? Und zu guter Letzt hat das Ganze auch eine politische Seite. Ich finde es wichtig, dass es die Diversität gibt und ich unserem kleinen Vertrieb gegenüber loyal bleiben wollte. Ich meine für die macht das einen Unterschied, ob wir da sind oder nicht, und für den Universal-Vertrieb wär das völlig egal, da ist man eine von 300 Neuerscheinungen jede Woche.
Im Musikgeschäft ist sehr viel Marktmacht konzentriert bei den Majors. Als ich angefangen habe, Musik zu machen, war gerade die Zeit des Niedergangs der großen Plattenfirmen. Seit dem Aufkommen der Streaming-Dienste haben die ihre große Renaissance, damit haben sie wieder die Hebel in der Hand. Es ist krass, an welchen Strippen man da ziehen kann, um bestimmte Musik zu platzieren und ins Bewusstsein zu bringen. Mir ist bewusst, dass ich diese Hebel nicht habe und es bei den Leuten liegt, ob sie meine Musik finden und trotzdem finde ich, das ist ein guter Weg und bereue das nicht und kann das auch jeder Band empfehlen, unabhängig zu bleiben.
bonnFM: Hat diese Unabhängigkeit auch damit zu tun, dass du künstlerisch frei bleiben wolltest und dich nicht in eine bestimmte Ecke drängen zu lassen?
Dota: Ich würde gerne einfach sagen, dass man dann nicht mehr frei wäre, aber das stimmt nicht. Ich glaube, dass wir auch bei einem Major die gleiche Freiheit gehabt hätten, das Album so zu machen, wie wir wollen. Bei großen Alben, wo dann auch sehr viel Geld investiert wird für Marketing, gibt es bestimmt den Punkt, wo ich mir vorstellen kann, dass da nochmal mehr rumgezerrt wird. Wenn man jetzt aber wie in unserem Fall als Band, die schon gezeigt hat, dass sie künstlerisch wissen was sie machen wollen, dann würde das völlig respektiert werden. Also hoffe ich!
bonnFM: Kommen wir zu einem anderen Teil deines Lebens, deinem Studium. Du kannst ein abgeschlossenes Medizinstudium vorweisen!
Dota: Richtig!
bonnFM: Was hast du vom Studium mitgenommen für dein Leben als Musikerin?
Dota: Konkret nicht so viel. Gelegentlich habe ich schon auf Tour mit dem Arztausweis für Bandmitglieder was in der Apotheke gekauft, aber abgesehen davon habe ich in meinem Alltag sehr wenig mit Medizin zu tun. Es interessiert mich sehr und ich habe es total gerne studiert, aber ich bin auch sehr froh darüber, dass ich nicht in dem Beruf arbeite.
„Im Studium habe ich mich frei von Zwängen gefühlt.“
bonnFM: Hast du dein Studentenleben genossen?
Dota: Ich habe einiges mehr als sechs Jahre studiert und bin sehr froh darüber, dass es diese Zeit gab. Ich habe mich ziemlich frei von Zwängen gefühlt. Ich glaube mit der ganzen Studienreform hat sich da sehr viel verändert im studentischen Leben. Ich konnte Kurse reduzieren und habe dann in manchen Semestern nur ein Blockseminar gemacht und hatte den Rest des Semesters frei. Irgendwann musste ich mal zu einer Zwangsstudienberatung, aber das war nichts Schlimmes, ich konnte die ganze Zeit eingeschrieben bleiben!
bonnFM: Was würdest du den Studenten von heute als Tipps geben?
Dota: Macht das meiste aus der Zeit! Diese Zeit ist so wertvoll, in der man die Chance hat einfach kostenlos Bildung absorbieren und in alle möglichen Bereiche reingucken zu können. Es gibt keine Zwangsläufigkeit, in dem Beruf zu enden, für den man sich am Anfang des Studiums entschieden hat. Ich war sehr glücklich, dass ich durch dieses verlängerte Studium die Chance hatte, mich als Musikerin zu etablieren, während ich beispielsweise noch studentisch krankenversichert war. Das macht schon das Leben sehr viel leichter.
bonnFM: Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Am Abend durfte sich dann auch das Kölner Publikum über eine bunte Mischung aus ihren älteren Stücken und den Songs des neuen Albums freuen. Tanzbare Beats wechselten sich ab mit Bossa-Nova-Rhythmen, die Texte waren mal einfühlsam und melancholisch, mal beißend ironisch und witzig. Kleine Hörprobe gefällig?
(Musikvideo: Dota – Rennrad)