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Das Hamburger Filmfest bietet jungen Filmemacher*innen eine Chance. Bild: Martin Kunze / Michael Kottmeier

Filmfest Hamburg – renommiertes und junges Kino für alle

Lesezeit: 4 Minuten

Über 120 Filme aus aller Welt, Filmstars und junge Filmschaffende zu Gast und ein Tag des freien Eintritts – das ist das Filmfest Hamburg. Wer also noch vor dem Vorlesungsstart einen herbstlichen Ausflug in die Großstadt im Norden plant, kann gleich viel Kultur erleben.

Seit 1992 treffen sich Branche und Filmfans im Herbst auf dem Filmfest in Hamburg, um rund 120 Filme aus aller Welt zu sichten. Das Filmfest Hamburg ist das größte seiner Art im Herbst. Von Japan bis Chile – es ist wirklich alles dabei und schon fühlt man sich wie auf einer Weltreise. Doch die Welt kommt nach Hamburg und auch mich zieht es seit ein paar Jahren regelmäßig dorthin – denn es ist ein ganz besonderes Gefühl, von Premiere zur Premiere und aus einem Kinosaal in den nächsten zu rennen, um vielleicht DEN Film des Jahres zu entdecken. Und dabei internationale Filmemacher*innen zu treffen, die ihre Filme persönlich präsentieren.

Zehn Tage lang wird das Leben in Hamburg vom Kino geprägt. Tag für Tag, Abend für Abend stehe ich in vollen Kinos, sei es am Dammtor, mitten in der Stadt, im historischen Metropolis, in der schicken Passage oder im urigen Studio – immer bin ich gespannt auf den nächsten Film. Es laufen bereits viele erfolgreiche Produktionen, die vor kurzem erst ihre Premieren auf den größten Filmfestivals der Welt gefeiert haben. Da wäre zum Beispiel die neue Produktion von Edward Berger, “Ballad of a Small Player”. Mit „Konklave“ war der Regisseur dieses Jahr bereits in aller Munde und auch davor hat er vier Oscars für „Im Westen nichts Neues“ gewonnen. Auch andere Filmgrößen sind hier: Fatih Akin hat seinen Cannes-Hit „Amrum“ präsentiert und die Gewinnerin der Goldenen Palme 2021, Julia Ducournau, präsentiert ihren Film „Alpha“. Einer der bekanntesten Regisseure Brasiliens, Kleber Mendonça Filho, hat seinen neuen Film, „The Secret Agent“, mitgebracht. Auch dieser Film wurde in Cannes ausgezeichnet.

Filmfest Hamburg: Plattform für junge Filmschaffende

Doch dem Festival geht es nicht nur um bekannte Namen. Ein Filmfestival ist natürlich auch dafür da, um eine Plattform für junge Filmschaffende zu bieten. Damit werden auf dem Filmfest Hamburg neben Filmen aus ganz Deutschland in der Sektion „Hamburger Premieren“ auch einheimische Filmemacher*innen gefeiert.

Als kleine einheimische Produktion bekommt man nicht immer die Aufmerksamkeit, die es für große Blockbuster gibt. Es ist schwierig, für einen solchen Film genug Fördergelder zu sammeln. Oft werden Filmschaffende fast dazu gedrängt, monate- und sogar jahrelang kostenlos zu arbeiten, um einen Film auf die Beine zu stellen. Wenn ihr Film dann fertig ist, ist er häufig nur auf Filmfestivals zu sehen. Umso wertvoller sind solche Kinomomente für die Filmschaffenden, wenn sie auf ein interessiertes Publikum treffen.

Der Schauspieler Tri Ân Bùi und die Regisseurin Claudia Tuyết Scheffel, auf dem Filmfest Hamburg. Bild: Margarita Eliseeva

„Lonig und Havendel“: Ein Film über das Aufwachsen zwischen zwei Welten?

Eine ganz besondere Hamburger Premiere möchte ich daher nicht verpassen, nämlich die Vorführung eines Debütfilms – „Lonig und Havendel“. Bereits im Januar hat er auf dem Festival des jungen deutschen Films – Max Ophüls Preis in Saarbrücken – viel Lob bekommen. Die Regisseurin Claudia Tuyết Scheffel hat in Hamburg studiert und deshalb widmet sie den Film einem ganz besonderen Menschen. „Die Premiere in Hamburg war für mich sehr besonders, weil sie im Metropolis-Kino stattgefunden hat. Das war das Lieblingskino meines verstorbenen Professors, dem dieser Film gewidmet ist. Und nicht nur deshalb, weil natürlich ein Großteil von unseren Freunden und von dem Filmteam auch in Hamburg ist – es ist total schön, das jetzt gemeinsam mit ihnen zu teilen!“, erzählt die Regisseurin.

Aufgewachsen ist Claudia allerdings nicht in Hamburg, sondern im Erzgebirge, in einer deutsch-vietnamesichen Familie. Teile ihrer Erfahrungen verarbeitet sie auch in “Lonig und Havendel” – das aber auf eine teils magische und mysteriöse Weise. Ihre Hauptfiguren sind die junge Vietnamesin Trúc Lâm, die ein Studienkolleg im Erzgebirge besucht, und der hier aufgewachsene Deutsch-Vietnamese Đức. Sie fühlen sich der Gesellschaft entfremdet, nicht zugehörig – Gefühle, die sie gerne überwinden würden. Gleichzeitig erleben sie den deutschen Alltagsrassismus und müssen damit irgendwie klarkommen. Während des Gesprächs mit dem anwesenden Filmteam im Kinosaal haben einige Anwesende von ähnlichen Erfahrungen berichtet. Auch nach der Veranstaltung kommen vereinzelt Zuschauende auf die Regisseurin zu und danken ihr für den sehr persönlichen Film.

Đức und Trúc Lâm fühlen sich der Gesellschaft oft entfremdet. Bild: Claudia Tuyet Scheffel

Kinostart für „Lonig und Havendel“ noch nicht bekannt

Die Regisseurin strahlt bei der Premiere und dankt ihrem Filmteam, das für den Dreh mit ins Erzgebirge gereist ist. Und nicht nur für sie ist es etwas sehr Besonderes, ihr eigenes Werk dem Hamburger Publikum zu zeigen. Auch der Hauptdarsteller von „Lonig und Havendel“, Tri Ân Bùi, ist dabei. Das Lampenfieber vergeht aber  schnell, wenn man im Kinosaal auf bekannte Gesichter trifft, verrät er mir: „Die Premiere auf dem Filmfest in Hamburg war sehr schön. Für mich ist es etwas ganz Besonderes, weil Hamburg meine Heimatstadt ist. Meine ganzen Freunde kamen, meine Eltern kamen auch. Diesen Film, wo so viel Herz drinnen steckt, endlich zeigen zu dürfen – alle haben schon lange darauf gewartet, über die Jahre – das ist etwas ganz Besonderes.“

Und genauso besonders ist es für mich und bestimmt auch für viele weitere Festivalbesuchende. Neue Entdeckungen, neue Begegnungen und eine Prise Liebe zum Film – für mich das perfekte Rezept für ein gelungenes Festival.Für Claudia, Tri Ân und das restliche Team geht es nun weiter zu den nächsten Vorführungen in ganz Deutschland. Einen offiziellen Kinostart gibt es für „Lonig und Havendel“ aktuell noch nicht, doch die Regisseurin hofft, bald einen Verleih zu finden.

Übrigens, für Reisebegeisterte gibt es einen kleinen Tipp: Jedes Jahr am 3. Oktober ist “Tag des freien Eintritts” beim Filmfest in Hamburg. Man kann also alle Vorführungen gratis besuchen, wenn man die Tickets früh genug bucht. Wie wäre es also mit einem herbstlichen Ausflug in den Norden und ein bisschen Kultur?

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