Seit 25 Jahren baut Nippon Connection kulturelle Brücken von Deutschland nach Japan. Das japanische Filmfest in Frankfurt am Main bietet nicht nur ein vielfältiges Filmprogramm, sondern auch diverse weitere Veranstaltungen – von Kochworkshops bis hin zu Auftritten japanischer Indie-Bands. Ein Rückblick auf die 25. Festivalausgabe.
Ein früher Samstagnachmittag, den 31. Mai. Ich steige am Frankfurter Hauptbahnhof aus, um die Nippon Connection zu besuchen. Dabei bin ich hier nicht zum ersten Mal als Gast – das größte japanische Filmfest der Welt durfte ich bereits letztes Jahr kennenlernen, weshalb ich den nächsten Besuch Monate im Voraus geplant habe.
Die Festivalspielstätten sind über ganz Frankfurt verteilt. Diese Orte erkennt man vor allem dank grellen pinken Plakaten mit einem Japan inspirierten Design. Jedes Mal, wenn ich ein Festivalposter in der Stadt sehe, empfinde ich ein bisschen ästhetische Freude. So kann man im Deutschen Filmmuseum zum Beispiel eine Retrospektive-Reihe in einer analogen 35mm-Projektion sehen. In der Stadtmitte wird man in kleinen Programmkinos fündig. Und, ganz wichtig – am Ostend gelangt man zum Künstler*innenhaus Mousonturm und im nebenan liegenden Produktionszentrum NAXOS zum Festivalzentrum, in dem ich mich, ehrlich gesagt, einen ganzen Tag mit verschiedenen Angeboten beschäftigen könnte. Hier trifft japanische Küche auf japanischen Bazar, geht in einen Kunstraum über und lädt dabei ein, im großen Saal Filme zu schauen. Mein ganz besonderes Filmhighlight, das aus rechtlichen Gründen leider keinen Weg in die deutschen Kinos finden wird, läuft auch hier: „The Solitary Gourmet“ von Yutaka Matsushige basiert auf einer beliebten kulinarischen Show, in der der Protagonist Goro besondere Zutaten zum Kochen sucht und dabei durch die ganze Welt reist. Wer nach dem Film nicht ins Bistro rennt – selber schuld, wie uns Goro am Ende des Films sagt. Seinem Rat folge ich aber liebend gern.

Bild: 2025 “Solitary Gourmet” Film Partners
Ein Filmstill aus „The Solitary Gourmet“. Der größte Essensliebhaber der Welt Goro bewundert Paris (und ich verstehe ihn: So geht es mir auch, wenn ich vor den japanischen Essensständen stehe…).
Doch wer steht hinter dem Festival und was ist das genaue Konzept? Um mehr zu erfahren, treffe ich mich mit Florian Höhr, Leiter des Filmprogrammteams. In einem Gespräch erzählt er mir, wie das Festival entstanden und über die Jahre gewachsen ist.
25 Jahre Festivalgeschichte
Angefangen hat das Ganze pünktlich zur Jahrtausendwende: Im Jahr 2000 hat eine studentische Gruppe rund um Marion Klomfaß, die bis heute das Festival leitet, die erste Festivalausgabe an der Goethe Universität in Frankfurt am Main ins Leben gerufen. Anstatt von erwarteten 1.500 Gästen kamen ganze 10.000. Für das Festivalteam hieß es, viele zusätzliche Screenings zu organisieren, und so wurde die Entscheidung getroffen, die Festivalarbeit fortzusetzen. Mittlerweile schreiben wir 25 Jahre Festivalgeschichte, und das Interesse an japanischem Film scheint über die Jahre nur gestiegen zu sein. Denn bei der diesjährigen Ausgabe erreichte die Nippon Connection mit 20.000 Besuchern und Besucherinnen schließlich einen neuen Rekordwert.
Die Vielfalt des japanischen Kinos entdecken
Ich muss gestehen, ich liebe japanische Filme und renne sofort ins Kino, wenn es dort Vorführungen gibt. Doch es sind eher einzelne Screenings, weil man in Deutschland insgesamt nur wenige japanische Produktionen sehen kann. Deshalb freue ich mich immer auf die Nippon Connection, weil ich dort mit einer großen Wahrscheinlichkeit Filme sehe, die sonst nur auf anderen Festivals im Ausland laufen. So wie dieses Jahr „My Sunshine“ von Hiroshi Okuyama und „HAPPYEND“ von Neo Sora. Beide gelten international übrigens als vielversprechende junge Regietalente.
Es ist auch für jeden Geschmack etwas dabei: Jedes Jahr laufen im Festivalprogramm rund 100 Kurz- und Langfilme von japanischen Regisseuren und Regisseurinnen. Bei der Programmplanung versuchen Florian Höhr und sein Team, Kunstschaffende aus ganz Japan zu erreichen, um die besten Filme nach Deutschland zu holen: „Wir fahren jedes Jahr nach Tokyo zum Filmfestival, wo wir uns dann informieren, was es Neues gibt in der japanischen Filmszene“. Allerdings ist es nicht immer leicht, allen Programmwünschen nachzugehen und alle Filme zu bekommen, die man dem Nippon Connection Publikum gerne präsentieren würde: „Es ist nicht so, dass wir ein Katalog haben und ein Wunschprogramm zusammenstellen, da ist viel Verhandlungsgeschick nötig“. Uns in Deutschland erreicht also nur ein Bruchteil von allen Filmen, die in Japan gedreht werden. Dafür gibt es einige Gründe.
Versteckte Schätze
Japan produziert jährlich um die 600 Filme. Diese sind allerdings eher nicht auslandsorientiert; man zeigt die Filme vor allem dem heimischen Publikum. Das liegt daran, dass Filmteams mit einem kleinen Budget kein Geld für die Untertitel in englischer Sprache haben, um diese dann bei Festivals im Ausland einzureichen. Florian Höhr erzählt: Nur große und international bekannte Regiepersonen wie zum Beispiel Ryusuke Hamaguchi (Drive My Car), Hirokazu Koreeda (Die Unschuld aka Monster) oder Kiyoshi Kurosawa (Cure) haben Marketing-Teams, die sich um ausländische Kontakte kümmern. Da es in Japan keine staatliche Filmförderung gibt, müssen viele Kunstschaffende ihr eigenes erspartes Geld in die Dreharbeiten stecken, und die Filme werden am Ende vielleicht in japanischen Kinos laufen. Manchmal sehen die Produzenten und Produzentinnen vor Ort auch keinen Wert darin, ihre Filme international zu präsentieren, weil sie denken, dass sich das Publikum außerhalb von Japan oder Asien dafür nicht interessieren würde.
Trotz aller Hürden kommen viele große und kleine japanische Produktionen ein Mal im Jahr nach Frankfurt. Manchmal sind auch wahre Überraschungen dabei, wie 2025 „A Samurai in Time“ von Junichi Yasuda. Der kleine Independent-Film hat das heimische Publikum in Japan begeistert und ist unerwartet zu einem großen Kinohit geworden. Die Erfolgsgeschichte ging mit dem Publikumspreis der Nippon Connection weiter – und nun, wie Florian Höhr es mir verrät, läuft der Film mit etwas Glück bald auch in deutschen Kinos.
Ein buntes Festival für ein buntes Publikum
Letztendlich ist die Nippon Connection doch viel mehr als „nur“ ein Filmfestival. Es gibt ein buntes Kulturprogramm, bestehend aus kulinarischen Erlebnissen (wie wäre es mit einer neapolitanischen Pizza mit Reiskuchen und Algen als Füllung?), einem Japan-Bazar, Kunstausstellungen, diversen Workshops, Konzerten und Talks. Dabei will das Team nicht nur „typische“ Japan-Klischees abbilden, wie Teezeremonien oder Mangazeichnen. Es geht auch darum, immer wieder etwas Neues anzubieten, was das Publikum in Westeuropa vielleicht noch nicht so gut kennt, wie zum Beispiel ein Workshop zur japanischen Fesselkunst – Shibari. Man kann also den ganzen Tag mit diversen Kulturveranstaltungen verbringen, ohne unbedingt ins Kino zu gehen. „Diese Atmosphäre bei uns auf dem Festival ist ein Magnet, […] es ist ein Ort, in dem man sich gerne aufhält. Ich bin ja ganz tief in die Organisation involviert, aber auch ich kann immer etwas Überraschendes entdecken“, schwärmt Florian Höhr.

Bild: NC24 / Susanne Hamann-Meyer
Für jeden, der Japan liebt und Lust auf viele Facetten der japanischen Kultur hat, steht nun wohl ein Ausflug nach Frankfurt nächstes Jahr an. Die nächste Festivalausgabe wird in der ersten Juniwoche 2026 stattfinden. In meinem Kalender ist also schon mal Platz für die Festivaltage reserviert.
