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Bild: Agnes Treplin

Wer ist hier das Monster?

Lesezeit: 2 Minuten

bonnFM hat für euch in die Proben von „Frankenstein or the modern Prometheus“ am Euro Theater Central reingeschnuppert und ein paar der falschen Vorstellungen konfrontiert, die rund um den Roman kursieren. Unser Schluss: Die neue Inszenierung solltet ihr einer Hollywoodverfilmung vorziehen.

Mary Shelleys Frankenstein ist vermutlich die meistgelesene und meistverfilmte Horrorgeschichte der letzten zweihundert Jahre. Tatsächlich sind zwischen 1910 und 2018 knapp 60 Verfilmungen herausgekommen, die sich direkt oder indirekt mit dem Monster befassen. Dabei bedienen sich viele dieser Verfilmungen billiger Vorurteile und Klischees, die um das Monster und seinen Erschaffer kursieren. Nicht etwa das Monster trägt den Namen „Frankenstein“, sondern der verrückte Wissenschaftler Victor, der in einer düsteren Novembernacht sämtliche Regeln der Wissenschaftsethik überschreitet, um ein paar Leichenteile zu reanimieren. Es stellt sich allerdings die Frage, ob man das hilflose Geschöpf wirklich als ein „Monster“ bezeichnen sollte; denn wenn es nach Shelley geht, so sollte sich der Leser mit der gottlosen Einsamkeit des Wesens identifizieren, und nicht zu Heugabel und Fackel greifen, wie es viele Verfilmungen zeigen.

Weg mit Igor, grüner Haut und Heugabeln.

In seiner vorerst letzten großen Produktion präsentiert das Euro Theater Central unter der Regie von Jens Heuwinkel Frankenstein und versucht einige dieser Vorurteile auszuräumen. So gibt es keinen buckligen Igor, der Victor Frankenstein bei der Kreation des Monsters zur Hand geht und auch keine dümmlichen Stöhngeräusche vonseiten des Monsters. Stattdessen lässt Heuwinkel in dieser Inszenierung der schönen Sprache Shelleys den Vortritt und liefert eine neue Perspektive auf die tragischen Abenteuer ihrer Helden: Was, wenn Victor Frankenstein sich das Monster nur eingebildet hat?

Zwischen der Einsamkeit der Schöpfung und dem Wahnsinn des Schöpfers

Auch unter diesem Gesichtspunkt bleibt Frankenstein eine Geschichte über menschliche Einsamkeit, Liebe und Freundschaft. Es schmerzt ein wenig zuzusehen, wie Victor (David Craig) sämtliche Brücken zu seiner Familie einreißt und die Annäherungsversuche seines Vaters (Peter Saracen), seiner Verlobten (Lucy Menzies) und seines besten Freundes (Sam Thorne) in den Wind schlägt, nur weil seine Studien in Ingolstadt ihn sehr viel mehr begeistern. Die atmosphärische Musik, die vom Cast selbst durch Windspiele, Gong und Spieluhr erzeugt wird, sorgt in den richtigen Momenten für Gänsehaut und Herzschmerz. Auf dem engen Raum des Euro Theaters entwickelt sich da eine ganz besondere Spannung zwischen Schauspielern und Zuschauern, sodass schnell ein Funke überspringt.

Für jeden was dabei…

Ob Horrorenthusiast, Sprachliebhaber oder begeisterter Theatergänger, Frankenstein or the modern Prometheus im Euro Theater Central ist ein tolle Möglichkeit, dem Original der Geschichte nochmal ganz nah zu kommen und den Charme des kleinen Theaters in der Bonner Innenstadt zu genießen. Vom 25. -28. April könnt ihr das Stück sehen, die Premiere war bereits am 07. März. Die Aufführungen sind in englischer Sprache. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Euro Theater Central.