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Bild: Daria Vogelberg / bonnFM

Fridays for Future und das Klimapaket der Bundesregierung – ein zu persönlicher Kommentar

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Eigentlich glaube ich nicht, dass Demos großartig etwas verändern können, eigentlich dachte ich, wir schaffen den Klimawandel schon und eigentlich hab ich auch keinen Bock auf persönliche Meinungen in der Presse. Aber zum Glück ist das hier ja eine Kolumne und wenn Rezo schon kein Video dazu macht, habt ihr ohnehin nix zu tun, während Netflix buffert.

Lesezeit: 6 Minuten

Am Freitag, dem 20.09., fand der große Fridays for Future Klimastreik statt. Deutschlandweit gingen über eine Millionen Menschen auf die Straßen, um für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens, einen raschen Kohleausstieg, den Ausbau erneuerbarer Energien und eine CO2-Steuer – kurzum für die Rettung der Welt zu protestieren. Kein leichtes Ziel – eigentlich ein ziemlich hochgestecktes, aber zum Glück ging es genau darum auch in den letzten zwei Wochen der politischen Debatte. Wie es der Zufall (oder die Marketingabteilung) so wollte, hat die Bundesregierung genau am gleichen Tag ihr Klimaschutzprogramm 2030 vorgestellt. Bei uns in Bonn sind trotzdem 15.000 Menschen auf die Straße gegangen, um zu demonstrieren.

Ich hatte mit Fridays for Future bisher nichts am Hut und noch nicht mal eine ihrer Demos gesehen – ja eigentlich außerhalb der Presse und diversen Instagram-Feeds nie wirklich etwas davon mitbekommen. Wohl aber wusste ich, dass wir etwas gegen den Klimawandel tun müssen und war fest davon überzeugt, dass auch die Politik das erkannt hat, immerhin hat selbst die CSU mittlerweile grüne Töne von sich gegeben und unsere Bundesumweltministerin, Svenja Schulze, war im Gegensatz zu ihren Vorgängern in den Medien präsent und mahnte, dass wir mehr in eine nachhaltige Zukunft investieren müssen.

Jeck im Sunnesching

Zurück zu Fridays for Future: Mit Parolen wie: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ zogen sie auch an unserem Studio vorbei. Und was waren die laut. Junge Leute, alte Leute, Studenten, Schüler, Eltern mit Kindern, sie alle waren dabei. Gefühlt war die halbe Stadt unterwegs – teilweise kostümiert und mit witzigen Plakaten. Parolen brüllend und Lieder singend zogen sie 45 min lang an meinem Fenster vorbei. Da ich arbeiten wollte, hab ich mich erst über den Krach gewundert und mich gefragt, welche besoffenen Erstis das wohl wieder sind. Als ich dann die Demo sah, fand ich die Slogans witzig und musste schmunzeln. Doch geglaubt, dass der Aufmarsch irgendetwas bringt, hab ich nicht. Den Sinn in Fridays for Future hab ich noch nie gesehen – warum sollten sich Politiker für einen Haufen Kinder interessieren, die so laut sind wie ein Torjubel in der BayArena?

Über die Dauer der Demo änderte sich das. Ich habe nur zugesehen, aber sah Menschen, die lachten, sangen, tanzten und trotz lautstarkem Protest keine Weltuntergangsstimmung aufkommen ließen. Es war viel mehr wie Karneval. Ein großer Rosenmontagszug ohne die Höhner, aber dafür auch ohne Müll und mit witzigen Schildern. Die gute Laune wurde auch zu mir hinein transportiert – wenn ich ein wenig esoterischer drauf wäre, hätte ich gesagt: Ich konnte die Energien spüren. Definitiv konnte ich aber nachvollziehen, warum die Demonstranten dachten, dass sie etwas bewegen, etwas verändern können.

Wat sull dä Quatsch?

Ich dachte wirklich, es hätte sich etwas ändern, Deutschland Vorreiter in Sachen Klimaschutz werden können. Falsch gedacht: Die Bundesregierung hatte noch ein Ass im Ärmel – nein, nicht das geheime Amthor-Video – sondern ihr Klimapaket. Ein Schlag ins Gesicht für jeden Protestierenden.

Die vorgestellten Maßnahmen sind nichts als Heuchelei. Wie sollen wir unseren Planeten und uns retten, wenn das Autofahren nur unmerklich teurer wird, ja Pendler sogar noch mehr von der Steuer absetzen können? Ein Liter Benzin soll 3ct teurer werden – was ist das? Freitagabend? Zu jedem Ferienanfang steigen die Preise höher.

Wie soll Klimaneutralität funktionieren, wenn wir in den nächsten 11 Jahren nur 65% aus erneuerbaren Energien beziehen und Kohlemeiler immer noch weiterlaufen dürfen? 10€ kostet eine Tonne CO2 jetzt also. Mensch, das sind ja 12 Schnitzel bei Penny! Bei einem entstehenden Schaden von 180€ CO2 pro Tonne, werden das sicherlich gut investierte 10€ in Klimaschutzprojekte sein.

Wer soll das bezahlen?

Klimaschutz kostet halt Geld. Da reicht es nicht, wenn die Protestanten „Kohle-Stopp auf RWE sein Nacken brüllen!“ – Klimaschutz auf unser aller Nacken muss es heißen. Wir können so nicht weiter machen. Unser aktueller Lebensstandard zerstört die Welt, wie wir sie kennen, und die Zukunft unserer Kinder. Deshalb müssen wir alle gemeinsam die Kosten tragen. Wir müssen unseren Konsum einschränken. Wer weiter Auto fahren, alle zwei Monate in den Urlaub fliegen und regelmäßig Fleisch essen will, muss das finanziell zu spüren bekommen. Damit er es sich anders überlegt. Menschen sind halt faul und dumm – wir müssen uns selbst erziehen. Natürlich nimmt niemand die Bahn, wenn der Flieger ein Zehntel kostet und natürlich greift jeder zur Bratwurst, wenn selbst eine Bio-Zucchini teurer ist. Eine Verteuerung klimaschädlicher Lebensweisen hat nichts mit Ausgrenzung oder einer Benachteiligung von einkommensschwachen Haushalten zu tun. Das ist reiner Selbstschutz.

Genau so ist das ständige in Frage stellen der Glaubwürdigkeit der Demonstrierenden auch nur ein Selbstschutzeffekt, damit ich ja nicht einsehen muss, dass die Recht haben. Darum geht es nicht. Klar ist das Scheiße, wenn die freitags protestieren und dann für zwei Wochen Urlaub nach Chile fliegen – aber mit ihrem Protest haben sie recht, und das ist kein Grund für Dich, nicht wenigstens zu versuchen Deinen Lebensstil zu ändern.

Hirn aufforsten!

Greta Thunberg hat vor dem US-Kongress ihren Traum geschildert. Einen ziemlich simplen Traum: Sie möchte aufhören zu streiken und zurück zu ihrer Familie und ihrem Hund. Aber das geht erst, wenn die Politiker mutig vorangehen und die Klimakrise als solche akzeptieren und bekämpfen. Sie möchte, dass die Politiker der Wissenschaft zuhören und endlich umsetzen, was nötig ist, um unser Überleben zu sichern.

Ich habe eigentlich denselben Traum – halt ohne Hund. Aber in ein paar Jahren möchte ich noch in Holland campen können, ohne ein Schlauchboot für den Rückweg zu brauchen. Ich hätte gerne einen Garten in dem mehr Insekten als Plastiktüten rumfliegen – ach ja und wenn da was anderes als Kakteen wächst, wär’s auch cool. Wenn der Effzeh den Europapokal gewinnt, soll nicht wegen eines Waldbrands das Stadion brennen. Klar so ein riesiger Sandkasten als Hofgarten hat auch was, aber wer soll da denn Sandburgen bauen bei 40°C im Schatten?

Also können wir den 20. September bitte noch einmal neustarten? Liebe Bundesregierung, ich bin nicht sauer, ich bin nur enttäuscht. Hört einfach auf die Wissenschaftler, die werden dafür bezahlt, sich schlaue Gedanken zu machen, wenn’s sonst schon keiner macht.

Alle Infos zum Durchklicken

  • Die Tagesschau ist immer gut, um sich zu informieren neben zahlreichen Artikeln über die Demos am 20.09. wird dort auch das Klimapaket vorgestellt, hier zum Beispiel als Video: http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-597563.html
  • Der Deutschlandfunk hats noch etwas komprimiert, in den Highlights der Instagramstory findet ihr die Fridays for Future Forderungen dem Klimapaket gegenübergestellt: https://www.instagram.com/stories/highlights/1807104578508342 7/?hl=de
  • Was Wissenschaftler für möglich und nötig halten hat Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab) zusammengefasst: https://www.youtube.com/watch?v=4K2Pm82lBi8 Ist sogar mit Rezo und ohne schwierige Fachbegriffe.
  • Lustige Schilder gibts auf Instagram, z.B. bei @fridaysforfuture_bonn Da stehen auch die ganzen lustigen Parolen zum mitgrölen.
  • Solltest Du immer noch nicht gerafft haben, geh einfach zum Bonner Stadtarzt des Vertrauens Dr. Eckart von Hirschhausen und lass es Dir erklären. Eins von vielen Interviews zur Klimadebatte, findest Du hier: https://taz.de/Eckart-von- Hirschhausen-uebers-Klima/!5624292/