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Gemeinwohlökonomie – wie Studierende helfen, die Region zu stärken

Lesezeit: 3 Minuten

Ein Blick in die Abschlussveranstaltung des Praxismoduls “Gemeinwohl-Ökonomie” der Alanus Hochschule Bornheim: Eine trockene Formulierung für einen praktischen Ansatz: Wie kann man Wirtschaft neu denken, sodass sie den meisten nützt?

Am 31.01. fand die Abschlussveranstaltung des nachhaltigen Wirtschaftsmoduls zur Gemeinwohlökonomie statt. Seit September 2022 haben die Studierenden des Moduls drei Familien-Unternehmen unter die Lupe genommen: Biohof Apfelbacher ist seit 42 Jahren im Bio-Geschäft und fördert ökologisch wirtschaftende Kleinbauern in der Umgebung. Dalitz Immobilien legt seinen Fokus auf lokale Kooperationen sowie Dienstleister und Nelles Backmanufaktur ist eine regionale, traditionelle Handwerksbäckerei. Ziel ist die Zertifizierung als gemeinwohl-orientierter Betrieb. Ich habe mit dem Team von Apfelbacher gesprochen.

Gemeinwohlökonomie – was ist das überhaupt?

„Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist ein innovatives, nachhaltiges Wirtschaftsmodell mit dem Ziel einer ethischen Wirtschaftskultur“ heißt es auf der eigenen Webseite. Der Verein Gemeinwohlökonomie e.V. versucht dieses Modell in die Praxis umzusetzen und den Fokus weg von reinen Zahlen und Profiten hin auf Mensch und Umwelt zu lenken. Wichtig sind konkrete Verbesserungsmöglichkeiten für die Unternehmen. Wie können die Mitarbeiter zufriedener werden? Wie wird der Umweltschutz verbessert? Was wird aktuell schon getan? Ökologische Nachhaltigkeit ist dabei genauso wichtig wie menschenwürdige Arbeit und Transparenz in allen Prozessen.

Der Verein hat dazu ein festes Bewertungsschema. Dieses Schema sowie konkrete Positivbeispiele von bereits gemeinwohl-zertifizierten Betrieben sind auch auf der Seite des GWÖ e.V. einsehbar. Es umfasst Kriterien wie “Menschenwürde in der Lieferkette” oder “ethische Haltung im Umgang mit Geldmitteln”. Anhand dieser Punkte wird ein Bericht erstellt, der dann wiederum Basis für das Zertifikat ist. Der Bericht wird von Beratenden, wie hier, den Studierenden erstellt. Bei einem Zeitaufwand von 150-200 Stunden wird das Unternehmen genau untersucht. Die Zertifizierung erfolgt dann vom Verein selbst.

Julia Kuntze im Interview mit Sandra Bonnse
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Vergleichbarkeit statt Konkurrenz

Das Zertifikat soll dabei nicht zeigen, wer in der Region an Platz eins gelistet ist. Es geht vor allem darum, individuelle Stärken und Schwächen aufzuzeigen und den Betrieben die eigene Entwicklung sichtbar zu machen. In Zukunft wird so deutlich, wo man sich verbessert hat und an welcher Stelle vielleicht noch Potential ausgeschöpft werden kann.

Es gibt auch Kritik an den starren Kriterien, da die Unternehmen alle sehr unterschiedlich agieren. “Manchmal passt die Schablone einfach nicht”, sagt Sandra Bonnse. Sie hat am Praxisseminar teilgenommen und die Bilanzierung für Apfelbacher erstellt. Aber sie sieht es positiv: nur so entstehe die Vergleichbarkeit und durch Feedback an den GWÖ e.V. können die Kriterien für die Bewertung immer ausgefeilter werden.

Mit Herzblut bei der Sache

Die Aufgaben der Berater übernehmen hier die Studierenden. In intensiver Arbeit mit regelmäßigen Treffen untersuchen sie die Unternehmensstrukturen und versuchen objektiv zu beurteilen, ob die Unternehmen die Kriterien erfüllen. Für die Betriebe ist es günstiger, die Studierenden erhalten wertvolle Praxiserfahrung für die Berufswelt, findet auch Sandra Bonnse. Sie war mit Herzblut an der Analyse von Apfelbacher beteiligt – und brachte einen frischen Blick aufs Unternehmen mit, so Franz Apfelbacher vom gleichnamigen Biohof. Martin Koch, ebenfalls vom Betrieb, sagte, durch die enge Zusammenarbeit mit den Studierenden sei eine sehr vertraute Atmosphäre entstanden.

Ein Beitrag zur sozialökologischen Nachhaltigkeit

Warum die Alanus Hochschule? Hans-Joachim Pieper, Leiter der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft will konkrete Umsetzungsmöglichkeiten statt theoretischer Konstrukte. Dabei setze er auf innovative und praxisnahe Lehrkonzepte, wie das Gemeinwohl-Praxisseminar. So sollen ethische sowie sozialpolitische Aspekte in allen Fachrichtungen umgesetzt werden. “Wir wollen hier an der Alanus Hochschule Studierende dazu befähigen, unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten – das ist unsere Mission”.

Die Schlussworte von Hochschulrektor Hans-Joachim Pieper
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Es geht jetzt erst richtig los

Mit dem Zitat “jedem Anfang wohnt ein Zauber inne” von Hermann Hesse wurde der gemeinsame Austausch beendet. Bei frischem Obst von Apfelbacher und Gebäck von Nelles standen die Teilnehmer:innen zu Interviews bereit und ließen die Abschlussveranstaltung des Praxissemesters langsam gemeinsam ausklingen, bei dem feierlich die Bilanzierung der Studierenden überreicht wurde. Mit einem frischen Blick auf die eigenen Unternehmensstrukturen und einem genauen Plan, wie der Spagat zwischen Wirtschaft, Nachhaltigkeit und Menschlichkeit verbessert werden soll, geht es jetzt an die praktische Umsetzung. Für Apfelbacher bedeutet dies unter anderem, durch elektronische Geräte ihre CO2 Bilanz noch weiter zu senken.

Alle Teilnehmenden der Abschlussveranstaltung auf einem Gruppenfoto.
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