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„It’s All Happening“ an einem Abend: Ilgen-Nur in Köln

Lesezeit: 2 Minuten

Mit ihrer im Oktober erschienen Platte „It’s All Happening“ war Ilgen-Nur am Montag im Bumann & Sohn in Köln-Ehrenfeld zu Gast. bonnFM war für euch mit dabei und berichtet vom Konzert, wo neue Songs auf „old classics“ trafen.

Mit Zuschreibungen ist es ja immer so eine Sache: Zwar sind sie häufig lieb gemeint, sie sind aber trotzdem keine Labels, die man sich selbst gegeben hat, sondern manchmal eben auch aufgezwungen. Damit hatte auch die Berliner Künstlerin Ilgen-Nur zu tun. Nach ihrer ersten EP No Emotions wurde sie als „deutsche Slackerqueen“ gefeiert. Eine Zuschreibung, der sie schon damals ambivalent gegenüber stand („Ich slacke auch sehr viel, aber ich arbeite auch“, zum Interview), die sie heute aber wirklich gar nicht mehr fühlt, wie sie im Video-Interview mit Diffus sagt:

„Ich glaub dieses Slacker-Ding, to be honest (…), das wurde mir einfach so ein bisschen aufgetitelt. Das lag einfach daran, dass ich Anfang 20 war und gerade versucht hab, was ich machen möchte.“

Künstlerin Ilgen-Nur im Interview.

Ein zweites Image, das ihr zugeschrieben wurde, war das der feministischen Icon. Der Spiegel nannte sie zum Beispiel eine „Alternative zu den Erzählungen der weißen Hetero-Boys“, die im Indie-Rock lange dominierten. Ilgen-Nur nerven solche Zuschreibungen, dass jede Frau mit Gitarre alles feministische gleich auf dem Schirm haben müsse:

„Das Thema sollte niemandem egal sein, aber keiner sollte gezwungen sein, ständig darüber zu reden.“

Für viele Medien ist diese Einordnung zwar verständlich, gleichzeitig engt diese Zuschreibung allerdings eine Künstlerin krass ein.

USA als Land der Sehnsüchte

Nach dem Debütalbum „Power Nap“ und der darauffolgenden Tour nimmt sich Ilgen-Nur die Corona-Pandemie als Anlass, um Pause zu machen. Sie reist in die USA, genauer gesagt in das legendäre L.A.-Künstler*innenviertel Laurel Canyon, um sich ohne den Druck deutscher Feuilletons künstlerisch neu zu erfinden. Großen Gefallen hat sie daran gefunden, dass es „in den USA ein Verständnis für Rockmusik gibt“, das in Deutschland fehlt. Dort müsse sie sich als queere junge Frau nicht andauernd rechtfertigen, warum sie Rockmusik macht. Auch ihre türkischen Wurzeln spielten keine Rolle. Ergebnis dieser Reise ist das Album „It’s All Happening“, das im Oktober erschienen ist.

Musik im Mittelpunkt

Mit dem neuen Album und der Band im Gepäck, stattete Ilgen-Nur am Montag dem Ehrenfelder Bumann & Sohn einen Besuch ab. Wer eine vollständig durch choreographierte Show erwartet hat, mit Publikumsinteraktion à la „Köln, ihr seid das beste Publikum der Welt“, der wurde enttäuscht, ist aber bei Ilgen-Nur auch an der falschen Stelle. Im Interview mit dem Spiegel erklärt sie, dass sie eben nicht viele Ansagen auf Konzerten macht:

„Es ist eben emotional anstrengend, Songs zu performen, die Teil deines Lebens sind.“

Wer aber eine perfekt eingespielte Band und einen tollen live-Sound erwartet hat, der kam voll auf seine Kosten. Das Publikum schien es auch zu goutieren: Andächtig und teils schon unheimlich waren die Zwischenparts, in denen keine Person im Raum ein Wort gesagt hat. Und das ist vielleicht das Signal, von dem sich manche Künstler*innen etwas abschauen können: Anstatt das Publikum des Abends über Gebühr zu loben, sollte vielleicht die Performance das Publikum in den Bann ziehen.