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Bild: Benedikt Pocha

Kevin Kühnert auf dem Bonner Parteitag der SPD

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Mit 15,8% bei der Europawahl und 11-12% in aktuellen Sonntagsumfragen steckt die SPD zur Zeit immer noch in der Krise. Immer wenn behauptet wurde die Partei sei schon am Boden angekommen, hat die SPD es geschafft noch einen drauf zu setzen und noch weitere Prozente zu verlieren. Es scheint im Moment nur eine Richtung zu geben und zwar nach unten. Die Bonner SPD hielt am vergangenen Samstag ihren Parteitag am Friedrich-Ebert Gymnasium unter dem Motto „SPD reloaded: verstanden – verändern“. Auch Stargast Kevin Kühnert, spätestens seit seiner Spiegel Titelstory von den Medien gehandelter Kandidat für den Parteivorsitz, war bei dem Bonner SPD Parteitag.

Doch eins Vorweg: Kevin Kühnert hat bei der Veranstaltung noch einmal beteuert keine Ambitionen auf den Parteivorsitz zu haben und erst einmal sein Amt als Juso-Vorsitzender für die letzten sechs Monate auszuführen. Danach möchte er kandidieren. Allerdings nicht für den Parteivorsitz, sondern nochmal als Juso-Vorsitzender. Er scheint sich also wohl zu fühlen bei den Jusos.

Doch auch außerhalb der Jusos hat Kühnert Durchschlagskraft. Durch seine Medienwirksamkeit beeinflusst er spätestens seit #NoGroKo nicht nur die Jusos, sondern auch Prozesse in der SPD. Die Medienpräsenz kommt nicht von ungefähr. Die Gefahr einer zweiten GroKo hat Kühnert noch vor den Koalitionsverhandlungen vorausgesagt. Doch die Partei hat nicht auf ihn gehört und leidet jetzt unter dessen Folgen. Vielleicht lässt die SPD sich diesmal von ihm überzeugen. Kühnert meint, dass die SPD nur zu alter Stärke zurück finden könne, wenn die Sozialdemokraten wieder sozialer werden. Zumindest auf dem Bonner Parteitag schienen alle diese Forderung ernst zu nehmen und waren mit Kühnert auf einer Linie.

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Neben der Forderung nach einem Kohleausstieg vor 2038 wurden auf dem Bonner Parteitag effektivere und vor allem soziale Klimapolitik gefordert sowie die Förderung von öffentlichen Verkehrsmitteln, mehr Beteiligung der Basis, eine Doppelspitze im SPD Vorsitz mit mindestens einer Frau und eine Vermögenssteuer. Doch so progressiv sich die Bonner SPD auf ihrem Parteitag auch gibt, auf Bundesebene legt sie sich schon wieder selber Steine in den Weg. Obwohl die SPD weiß, dass sie wohl erst mal nicht mit Union und FDP koalieren kann, wenn sie ihre Themen durchsetzen will und somit auf eine Rot-Grüne oder gar Rot-Rot-Grüne Mehrheit angewiesen sind, wirft Thorsten Schäfer-Gümbel den Grünen Populismus vor und zieht sogar Vergleiche zur AfD.

Während die SPD in Bonn Kühnert mit standing ovations verabschiedet und ihn teilweise dazu motiviert den Parteivorsitz zu übernehmen, kommt aus Berlin schon mehr Gegenwind. Dort wird ihm vorgeworfen er sei zu jung, hat kein abgeschlossenes Studium oder habe zu wenig Erfahrung für den Parteivorsitz- sowohl politisch als auch beruflich.

Kevin Kühnert hat in den vergangenen Tagen allerdings immer wieder betont, dass im Moment keine Personaldebatten geführt werden sollten, sondern dass es im Moment darum gehe über Ursachen und neue Wege zu Reden. Als Ursache sieht Kühnert vor allem ihren Koalitionspartner, der trotz Koalitionsvertrag viele Vorhaben der SPD blockiert habe. Und tatsächlich, obwohl die SPD mit dem abgeschlossenen Koalitionsvertrag Anfang letzten Jahres noch zuversichtlich auf die Legislaturperiode blickte, konnte sie Kernpunkte nicht umsetzen. Das Klimaschutzgesetz und die Grundrente, die bis Ende 2019 verabschiedet sein sollte, lassen immer noch auf sich warten. Wenn sich bis Ende 2019 immer noch nichts getan hat ist das für Kühnert ein Grund die Große Koalition platzen zu lassen. Die Frage ist nur, ob sich der bis dahin zumindest in Teilen neue Vorstand mit Blick auf Neuwahlen und desaströsen Umfragewerten trauen wird diesen Schritt zu gehen. Die SPD weiß um ihre schwachen Wahlergebnisse, welche sie schon im Fall Maaßen daran gehindert haben der Union mit dem Ende der GroKo zu drohen. Auch wenn die Union Stimmen verliert, sitzen sie mit mehr als doppelt so hohen Umfragewerten am längeren Hebel und treiben die SPD vor sich her.

Ein weiteres Problem ist wohl die Kommunikation in der Partei. Sowohl Online als auch in der Partei selber. Alleine der Fakt, dass die AfD auf Facebook mit knapp 450.000 Likes mehr als doppelt so viele Likes vorweisen kann wie die SPD spricht Bände. Und das, obwohl die SPD 440.000 Mitglieder hat. Die AfD hingegen nur knapp 40.000. Doch auch in der Partei scheitert die Kommunikation. Die Wünsche und Ideen der Basis dringen oft nicht zur Parteispitze durch.

Bild: Benedikt Pocha

Die fehlende Präsenz im Internet führt in Kombination mit der fehlenden Umsetzung von Inhalten zum Vertrauensverlust bei den Wählern. Doch nicht nur das. Auch einige Personalien sind ein Problem für das Vertrauen in die Partei. Auf die Frage, ob es nicht ein Problem sei, dass immer noch Politiker in der Parteispitze sind, die grundlegend für z.B. die Agenda 2010 verantwortlich waren und so die Misere der SPD ins Rollen brachten, antwortete Kühnert, er sei sich des Problems bewusst aber glaube gleichzeitig daran, dass es einen Personalwechsel in der Führungsriege der Partei geben wird. Auch wenn er über keine konkreten Namen sprechen will.

Die Lösungen liegen also auf der Hand. Die SPD sollte konsequenter in der Durchsetzung ihrer Themen sein und wenn die Union weiterhin blockiert im Notfall die Reißleine ziehen. Auch wenn das schlechte Ergebnisse in einer möglichen Neuwahl bedeuten sollte. Vielleicht würde der SPD eine Legislaturperiode Pause in der Opposition auch gar nicht so schlecht tun. Des Weiteren muss sich die SPD Digitalkompetenzen aneignen. Und das gilt vor allem für die älteren Parteimitglieder. Kühnert, Klingbeil und Wölken haben im Vergleich zur CDU relativ souverän auf Rezos Video mit einer Gegendarstellung im Videoformat reagiert. Es reicht allerdings nicht, wenn immer die Jüngeren in der Partei vorgeschickt werden, um online zu agieren. Kühnert sagt: “Politik sollte da unterwegs sein, wo Menschen in ihrem Alltag sind. Das gilt für einen erheblichen Teil der Gesellschaft im Netz.” Er fordert seine Genossen dazu auf nicht nur online präsent zu sein, sondern auch dort mit der Bevölkerung in den Dialog zu gehen.

Kühnert weiß zwar, dass die SPD sich in einer Krise befindet, aber er ist nicht bereit seine Partei aufzugeben. Er selber sagt, dass er wahrnehme, dass viele Leute mit der SPD mitleiden und von vielen Leuten höre er, dass sie die SPD gerne wählen würden, wenn sie doch nur wieder für ihre alten Themen stehen würde. Das Wählerpotenzial ist also da. Vielleicht hat die SPD ja diesmal verstanden und hört diesmal auf Kühnert, der von seiner Partei sagt „wir genießen kein UNESCO Weltkulturerbe Status und es steht auch nicht im Grundgesetz das die SPD im Parlament sitzen muss.“ Damit gilt für die SPD heute mehr denn je: Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.