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Knocked Loose, motherfucker – Neues Kapitel und Konzert in Köln

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Im Zuge ihrer Europa-Tour spielten Knocked Loose, eine der erfolgreichsten Metalcore-Bands der letzten Jahre, am 26. Februar 2024 auch in Köln. Ein wortwörtlich ,,bewegter’’ Abend und Ausblick auf ihr kommendes Album.

Der letzte Rap-Song faded aus. Die Stille danach endete mit dem Anschwellen dissonant wimmernder Gitarren, deren Klang sich unheilvoll in der Live Music Hall ausbreitete. Das Saallicht wird gedimmt, die Gespräche verstummen, die Pause ist vorbei: Headliner Knocked Loose betreten die Bühne und eröffnen mit Deep in the Willow ihren Auftritt. Zum Zeitpunkt des Konzerts gehört der Song zum zuletzt veröffentlichten Material der Band, den beiden Upon Loss Singles. Sie rahmen das heutige Live-Set ein, die Show endet mit der zweiten Single, Everything Is Quiet Now.

Die Menschenmenge wirkt vor Konzertbeginn undurchdringlich, doch zum ersten Song schiebt sich das Publikum auseinander: Ein Kreis für Mosh- und Circle Pits entsteht in der Mitte der Location, in dem sich für den Rest des Abends die rohe Kraft der Musik entlädt.
Unvermittelt preschen Schlagzeug, Gitarren und Bass los und die charakteristisch für die Band gewordenen, hohen Schreie von Frontmann Bryan Garris feuern die Zuhörenden an: Circle Pit. Menschen strömen und drängen in den Kreis. 

Knocked Loose aus Oldham County, Kentucky, sind in nur wenigen Jahren zu einer der Größen der Musikszene zwischen Hardcore, Metalcore und Beatdown geworden. Sie beweisen schnell, dass sie ihrem Status und der Erwartungshaltung ihrer Fans zu entsprechen wissen: Kompromisslose musikalische Härte und ein Auftritt, der in keiner Weise von deren Darbietung ablenkt.

Die Band mit dem Bellen 

Mit ihrer ersten EP, Pop Culture von 2014, erfuhren Knocked Loose schon Szene-intern einige Beachtung. Ihr 2016er Debütalbum, Laugh Tracks, führte die Band jedoch direkt weiter zu internationaler Bekanntheit. Besonders ist diese dem Song Counting Worms zu verdanken, der zum vielfach geteilten Meme wurde. Verschiedene Faktoren haben die enorme Verbreitung des Songs begünstigt: Die hohe Schreistimme von Bryan Garris, ist zwar mittlerweile Merkmal der Band, aber  heute noch  untypisch für das Genre. Counting Wormsist sehr kurz, also schnell angehört. Trotzdem baut in  anderthalb Minuten Dauer eine enorme Spannung auf, die sich zum Break mit großer Wucht und Energie ihre Bahn bricht.
Maßgeblich für die Meme-ability ist jedoch der Moment vorher, die Stille zwischen build up und Eskalation: Ein plötzliches Bellen.

Dieses Geräusch des Sängers vor dem dynamischen Höhepunkt des Songs, einem extrem harten Breakdown, wirkt absurd und hat vielleicht sogar eine Art Schockwirkung. Trotzdem funktioniert es erstaunlich gut. Der Song und Clips daraus verbreiten sich: Menschen teilen ihre Verwunderung in den sozialen Medien, Streamer zeichnen React-Formate auf, Videos von Unfällen oder Kampfszenen werden damit unterlegt. Counting Worms zeigt , wie Musik zu einem digitalenund sozialen Ereignis wird. Fans teilen ihre persönlichen Wahrnehmungen und orientieren sich an den Bewertungen innerhalb ihrer Subkultur, die manchmal auch weitere Kreise ziehen. Der Song wird zwar innerhalb der Remix-Kultur des Internets als Content weiterverwertet, aber nicht zu einem beliebigen, vom Artist entkoppelten, Sound. 

Counting Worms geht einem Musik-Marketing voraus, das auf Viralität und Memes setzt: Bands schreiben immer härtere Songs, um geteilt zu werden und bei Reaction-Streams ungläubige Reaktionen zu erzeugen. Das grenzt an Parodie: Deathcore-Band Signs Of The Swarm schrieb zu ihrem Song Amongst The Low & Empty, ihr Manager habe beim ersten Hören laut losgelacht. 

Auf erfolgreichen Touren in und außerhalb der Szene haben Knocked Loose ihre Anschlussfähigkeit über ihren Meme-Hit hinaus bewiesen. Die daraus entstandene Bekanntheit haben sie genutzt und sich damit arrangiert, für viele die Band mit dem Bellen zu sein: Jahrelang endeten ihre Auftritte immer mit Counting Worms.

Keine Pause, keine Gnade 

Zum Ende und Breakdown von Deep In The Willow schreit das Publikum in der Live Music Hall zusammen mit Sänger Bryan Garris die kurze Callout-Phrase, der in Kommentaren online oft nachgesagt wurde, ,,Arf Arf’’ endlich abzulösen: Knocked Loose, motherfucker. Der eigene Bandnamen so prominent im Songtext? Für viele Fans eher sympathisch statt überheblich! Ein wohlwollend aufgenommes Zeichen des Selbstbewusstseins, dass Knocked Loose auch live demonstrieren.

Sie sind keine Band, die ihre Musik mit sonderlich viel Show oder Bühnentechnik untermalen wollen oder müssen. Sehr puristisch und im Hardcore-Punk verankert. Um bloß nicht vom Moment und dessen Energie abzulenken, folgen dicht aneinander gereihte Songs, beinahe ohne Pause oder – je nach Erlebnis – Gnade.

Auch der Einsatz von Licht unterscheidet sich deutlich von dem ihrer Vorband Deafheaven. Rotierende Lichter der Blackgaze-Band aus San Francisco bewegen  sich mit den unablässigen Blastbeats der Drums. Sie unterstreichen den Pathos ihrer Musik und erzeugen den Eindruck von Sonnen über der Bühne. Viele Smartphones versuchen eher diesen Show-Moment statt eines Songs filmisch einzufangen. Im Gegenzug verstärkt die kontrastreiche, aber vor allem stimmungsvolle, Lichtgestaltung bei Knocked Loose Szenen einer Band in unablässiger Bewegung, deren Impulse das Publikum sofort umsetzt.

Entsprechend der Farben der Albencover erscheinen dann Breakdowns von Songs aus A Different Shade of Blue in dunklem Blau oder dem tiefen Rot von A Tear in the Fabric of Life. Zwar sind die Mitte der Halle und der Moshpit weiterhin das Zentrum der Publikumsreaktionen, doch mindestens die vordere Hälfte der gesamten Menschenmenge ist in ständiger Bewegung. Knocked Loose spielen ein starkes Set mit Songs von Pop Culture bis Upon Loss. Die Besucher*innen des Konzerts spiegeln deren Intensität, nehmen die Aufforderungen sich zu bewegen von der Bühne gerne auf – auch im Falle des an diesem Abend noch unveröffentlichten Songs Blinding Faith

You Won’t Go Before You’re Supposed To

,,Blinding Faith’’ und die Menge harmonieren, der Song fügt sich nahtlos in den Ablauf des Konzerts und erscheint noch in der Nacht danach. Er begleitet die Ankündigung eines neuen Albums von Knocked Loose, zu dem die Band alle vorherigen Posts auf Instagram löscht: ,,You Won’t Go Before You’re Supposed To’’ wird am 10. Mai diesen Jahres erscheinen.

Entgegen des Titels verlassen vereinzelt oder in kleinen Grüppchen immer wieder Personen die vorderen Reihen: Zwar erklimmen weniger Menschen als erwartet den Rest des Publikums, aber die Intensität ist dennoch hoch. Knocked Loose und die Besucher*innen des Konzerts spiegeln sich in ihrem Ausdruck der Musik, die vergleichsweise wenigen Smartphone-Kameras versuchen immer wieder, sowohl die Bühne als auch die Reaktionen der Umstehenden einzufangen. Die gleichzeitige Enge und Unruhe in der Menge gehören zu dieser Art von Konzert dazu, vielen sind sie sogar Gründe für ihre Anwesenheit. Gerade vor diesem Hintergrund ist es gut zu wissen, wann es sich dem trotzdem zu entziehen gilt. 

Um kurz vor 23 Uhr endet der Abend –  Knocked Loose schließen ihn mit ,,Counting Worms’’, gefolgt von ,,Everything Is Quiet Now’’. Die Klammer aus dem neuem Material der ,,Upon Loss Singles’’ um den Rest des Sets und auch ,,Blinding Light’’ zeigen den Fokus der Band auf ihre Gegenwart und Zukunft. Die Position ihres Meme-Hits hingegen, dass sie respektieren, was viele ihrer Fans erleben wollen und womit sie bekannt geworden sind.

Und wie es nach einem Konzert mit diesem Level unnachgiebiger Energie und extremer Performance von Band und Publikum wohl sein muss: Kein Spiel von Publikum und Band, die vor dem Zugang zur Bühne auf Applaus und Rufe wartet, um wieder nach vorne zu rennen; keine Zugabe. Das Licht geht an und Knocked Loose lassen ungesagt im Raum stehen: ,,You Won’t Go Before You’re Supposed To’’.