Ihr habt Probleme mit euren Nachbarn oder dem Vermieter? Die Schuhe von eBay sind trotz Zahlung immer noch nicht angekommen? Seit einigen Wochen könnt ihr bei diesen Problemen kompetente Hilfe bekommen – von Studenten! Im Interview mit bonnFM erläutern die Bonner Studentin Anne Goertz und Professor Dr. Michael Beurskens das Prinzip der Lawclinic Bonn.
Jura-Studenten haben es nicht leicht. Jahrelang büffeln sie Gesetzestexte und lesen Urteile verschiedener Gerichte, um sich dann auch noch mit dem Staatsexamen herumschlagen zu müssen. Dass dabei der praktische Aspekt des Studiums zu kurz kommt, ist kein Wunder. Das dachte sich auch Anne Goertz. Als die Bonner Jura-Studentin bei internationalen Wettbewerben amerikanische Kommilitonen kennenlernte, die eine ehrenamtliche Rechtsberatung betrieben, war für sie schnell klar: Das braucht Bonn auch! „Die Studenten haben die Gelegenheit, viel zu üben und das Gelernte praktisch anzuwenden, und die Mandanten erhalten eine kostenlose Rechtsberatung“, fasst Goertz das Prinzip der Lawclinic zusammen.
Erfahrene Unterstützung
Zwar dauerte es etwa zwei Jahre, bis Anne Goertz und andere Jura-Studenten die Idee umsetzen konnten, dafür steht ihnen nun mit Professor Dr. Michael Beurskens ein erfahrener und engagierter Betreuer zur Seite. Der neue Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht der Uni Bonn hatte schon in Düsseldorf mitgeholfen, eine Lawclinic aufzubauen. Das Prinzip, dass hinter dem Projekt steht, vergleicht er gerne mit einer gängigen Praxis aus dem Bereich der Medizin: „Man kann sich auch von jungen Zahnärzten oder Ärzten in Ausbildung behandeln lassen. Die Lage ist vergleichbar, nur das bei Rechtsfällen das Risiko etwas geringer ist. Es geht eben nicht um die Gesundheit, sondern im Normalfall nur um Geld.“ Außerdem seien die Fälle auf Streitwerte bis maximal 800€ begrenzt, um das Risiko zusätzlich gering zu halten. Fertige Juristen sind die Studenten schließlich nicht.
In rechtlicher Hinsicht unterscheidet sich die Lawclinic von fertigen Anwälten in drei Dingen, wie Beurskens erklärt: „Erstens haben die Studenten kein Zeugnisverweigerungsrecht, das heißt sie müssten auch gegen ihren Mandanten vor Gericht aussagen. Zweitens gibt es keine Berufshaftpflichtversicherung für Studenten. Das heißt, das Risiko ist in der Person des Studenten konzentriert. Dafür ist aber drittens der Maßstab herabgesetzt, sodass die Studenten nicht wie ein Anwalt für Berufsfehler haften, sondern nur für grobe Fahrlässigkeit“, erklärt Beurskens. Als grobe Fahrlässigkeit zählt nur das Außerachtlassen von dem, was einem Studierenden mit dem jeweiligen Studienfortschritt ersichtlich war.
Um nicht als kostenlose Konkurrenz gesehen zu werden, bemühen sich die Gründer der Lawclinic auch um Kooperationen mit „richtigen“ Anwälten. „Momentan ist die Zahl der beteiligten Anwälte noch überschaubar, aber wir hoffen, das weiter auszubauen“, so Beurskens. Diese sollen die etwa 70 angemeldeten Lawclinic-Teilnehmer bei ihren ersten praktischen Erfahrungen unterstützen.
Kontaktaufnahme über das Internet
Seit dem 11. Juni haben die Studenten bereits über 30 Fälle zugesendet bekommen. Sechs davon wurden bereits gelöst, 20 weitere sind in Bearbeitung. Dabei geht es meist um Mietrecht, aber auch bei Stress mit dem Arbeitgeber berät die Lawclinic gerne. Ein weiterer Grund für rechtliche Probleme ist der Poststreik: Auch um eBay-Verkäufe, die nicht zum erwarteten Zeitpunkt geliefert wurden, kümmern sich die angehenden Juristen. Die Kontaktaufnahme gestaltet sich dabei sehr einfach. Auf www.lawclinic.de findet man ein Formular, über das man seinen Problemfall an Professor Beurskens übermitteln kann. Dieser sortiert die Fälle und versieht sie mit Hinweisen, bevor sich die Studenten in einem eigens angelegten Intranet einlesen und entscheiden können, welchen Fall sie bearbeiten möchten. Daraufhin wird der Kontakt mit dem Mandanten aufgenommen, und gemeinsam wird eine Lösung des Problems erarbeitet.
Michael Beurskens weiß schon jetzt von einigen sehr positiven Rückmeldungen der Mandanten zu berichten: „Unsere Beratung geht schnell, man muss nicht zum Anwalt gehen und sich einen Termin geben lassen. Außerdem verursacht sie keine Kosten, und die Ratschläge sind sehr kompetent. Man bekommt auch Fundstellen, die ein Anwalt bei einem Fall, in dem es um 100€ geht, nie raussuchen würde, weil sich das für ihn nicht rentieren kann.“ Anne Goertz ergänzt, dass „Studenten eben dazu bereit sind, viel Zeit zu investieren“, auch bei kleinen Streitsummen. Das Feedback von Studenten-Seite fällt daher auch durchweg positiv aus. „Es sind ganz viele wirklich begeistert davon, dass es das Projekt jetzt gibt“, erzählt Anne Goertz.