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Bild: Jan Haller

Mina Richman über Coming-Outs, ihre Karriere als musizierende Lehramt-Studentin und den perfekten Lovesong

Lesezeit: 5 Minuten

Mina Richman ist 25, Deutsch-Iranerin aus Berlinerin und, wie es in ihrer Vita heißt, Ehrlich, queer und selbstbestimmt.
Genauso klingen auch ihre Songs und so haben wir Mina auch im Interview kennengelernt. Wir sprechen mit ihr übers Erwachsen werden als queere Feministin, über ein Gefühl von Loneliness in der Schulzeit und darüber wie es ist, erst später im Leben die richtigen Leute zu finden. Wir schwärmen gemeinsam von Chers Auftritt in “Burlesque”, erfahren von ihr, wie es sich als Musikerin im Lehramt Studium lebt und sprechen auch über die Inhaftierungen im Iran und wie Musik uns helfen kann, Emotionen zu verarbeiten.

Mum, I`m Mina Richman!

Können wir erstmal drüber reden wie crazy deine Musikkarriere seit letztem Jahr durchgestartet ist? Du bist erst 25, hast auch erst letztes Jahr das erste mal eigene Musik veröffentlicht und bist jetzt schon ne große Nummer, nächsten Samstag performst du auch in Berlin auf dem CSD. Du hast also eine ziemlich steile Musikkarriere vor dir und da muss man sich natürlich auch einen coolen Künstlerinnennamen überlegen. Wie bist du zu Mina Richman gekommen?

Ich habe lange nach nem Künstlernamen gesucht, weil mein bürgerlicher Name es nicht hergibt. Für mich war Cher schon immer ein Vorbild, zwar nicht in erster Linie ihre Musik aber einfach als Person, sie ist ja auch eine queere Ikone. Vor allem im Film Borlesque hab ich sie richtig lieben gelernt. Ich mein, wie sie dieses you haven`t seen the last of me performed, wie soll man da keine Gänsehaut bekommen? Und dann hab ich eben dieses Interview gesehen, wo ihre Mutter gesagt hat: Kind willst du nicht sesshaft werden, einen reichen Mann heiraten? Und sie geantwortet hat: Mum, I am a rich man!

Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen und ich dachte, ja klar: Ich habe ein junges Publikum, vor allem junge Mädels, es ist ein riesen Privileg eine Bühne zu bekommen und da man hat ja eine gewisse Vorbildfunktion. Und wenn ich irgendwas verkörpern möchte, dann auf jeden Fall als Frau unabhängig zu sein, sein eigenes Ding durchziehen, auf einer Ebene zu stehen mit Männern und denen in nichts nachzustehen. Daher Mina Richman, angelehnt an Chers Zitat.

Ausversehen zur Feministin erzogen

Feministin zu sein und für dich selbst einzustehen, würdest du sagen das ist etwas womit du aufgewachsen bist?

Ja, ich bin sogesehen “ausversehen” zur Feministin erzogen worden. Mein Vater tut sich mit dem begriff Feministin ziemlich schwer, weil er es mit Alice Schwarzer und “Männerhassen” verbindet. Aber mein Vater hat mir nie das Gefühl gegeben, dass ich etwas nicht tun oder schaffen könnte, weil ich ein Mädchen bin. Er hat mich immer sehr selbstständig erzogen und dadurch war meine eigene Geschlechteridentität nie etwas, das mich zurückgehalten hat. Selbst wenn ich das mal von anderen Ecken suggeriert bekommen habe, konnte ich das immer gut von mir wegweisen. Ich hab mich von sowas noch nie zurückhalten lassen.

Und mein Papa ist auch einfach ein sehr cooler Mann, auch ein sehr emotionaler Mann. Er hat immer zu Hause gekocht und geputzt und hat nie suggeriert, dass Frauen so zu sein haben oder Männer so zu sein haben. Er ist einfach Feminist, auch wenn er sich nicht so nennt und das hat mich stark geprägt. Ich könnte auch nie mit einem Mann zusammen sein, der sich nicht als Feminist bezeichnet. Insofern ausversehen, denn es wurde vielleicht nicht so benannt, aber ich bin definitiv als Feministin groß geworden.

“Ich hätte jemand in meinem Leben gebraucht, der mir sagt: Du musst dich nicht einreihen”

In deinen Songs bringst du das Thema Feminismus dagegen ziemlich auf den Punkt. Genauso wie queere Themen. Es geht viel um Selbstfindung, ums Anders sein, um Coming Outs und Mut. Zum Beispiel auch bei Jaywalker. Wann hast du gedacht: Darüber muss ich Songs schreiben?

Schon immer. Ich bin selber queer, wusste das schon immer aber eingestanden habe ich es mir erst in einer Sinnkrise in den USA, als ich mich sehr verknallt hatte. Da hab ich gemerkt: Mit diesem Teil von mir werde ich immer auf Zurückweisung und Ablehnung treffen, weil es einfach homophobe Menschen gibt, weil es einfach Menschen gibt, die damit nicht umzugehen wissen, einen komisch anstarren, wenn man mit der Freundin händchenhaltend durch die Straßen geht. Und ich schreibe halt Songs über Dinge, die mir durch den Kopf gehen. Die mich berühren. Ich kann nicht über Dinge singen, mit denen ich mich nicht identifiziere, weil ich auch gar nicht weiß wie es ist, jemand anderes zu sein als ich.

Bei Jaywalker geht es ja auch viel ums Lonely sein. Wann war das ein Thema für dich?

Ich hab mich als Jugendliche sehr fehl am Platz gefühlt in der kleinen Stadt in der ich aufgewachsen bin. Hab in der Schule schwer Anschluss gefunden und konnte mich nicht mit den anderen Schüler:innen identifizieren. Ich habe viel in der großen Pause allein im Englischraum gesessen, Musik gehört, getanzt und gesungen. Jaywalker fängt genau das ein, wie ich mich gefühlt habe: Nicht zugehörig, eingefangen in dieser Stadt und zu wissen, ich muss hier raus. Aber auch nicht zu wissen, wohin. Ich hab mich in dem Song zurückerinnert und mir gedacht: Oh man, ich hätte jemanden in meinem Leben gebraucht, der darüber spricht und der eine Art Vorbild ist. Der mir sagt: Ey, es ist voll normal, es ist voll okey. Du musst dich nicht einreihen oder anpassen. Es fühlt sich jetzt vielleicht fucking einsam an, aber du wirst deine Leute finden. Es gab da zwar eine Lehrerin, die mir Mut gemacht hat aber ich hätte mir jemanden in meinem Alter gewünscht.

“Ich möchte Räume schaffen, in denen sich die Menschen wohlfühlen und fallen lassen können”

Du studierst ja auch selbst auf Lehramt, bist gerade im Master also das Lehrerpult ist nicht mehr weit weg. War das für dich auch ein Ansporn, dass du gesagt hast: Ich möchte selbst wie diese Lehrerin sein, die mir Mut gemacht hat?

Auf jeden Fall! Tina heißt die Gute, shoutout. Gerade in meiner Gymnasialzeit war Tina viel da, sie hat mich auch ermutigt ins Ausland zu gehen und hat mir gesagt: Du wirst nicht immer in diese Schule hocken, du wirst deine Leute finden. Sie hatte absolut Recht.

Aber es gab auch Lehrende, die ihre Autorität ausgenutzt haben, wo ein Machtverhältnis da war und so sollte das nicht sein. Ich hab mir schon in der Grundschule gedacht: Wenn ich mal Lehrerin bin, werde ich das anders machen. Jetzt freue ich mich schon sehr darauf zu unterrichten und man kann Musik und Unterrichten auch so wunderbar verbinden. Denn was mir bei beidem sehr wichtig ist, dass ich in den Räumen in denen ich bin und die ich gestalte, den Menschen das Gefühl gebe, dass sie so sein können, wie sie sind. Im Klassenzimmer und bei Konzerten. In dem Moment, wo ich auf der Bühne stehe ist es mir sehr wichtig, dass sich die Menschen gehört fühlen, auch wenn ich singe, und gesehen fühlen, auch wenn ich quasi im Scheinwerferlicht stehe. Ich möchte Menschen das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind mit Krisen, Erfahrungen und Gefühlen. In meinen Songs und auch im Unterricht. Ich möchte Räume schaffen, in denen sich die Menschen wohlfühlen und fallen lassen können.

“Es ist ein fuck*ng Privileg jemanden so hart zu lieben”

Was wäre denn ein Song, den du gern mal schreiben würdest? Wo du dich vielleicht noch nicht rangetraut hast?

Ich würde gerne mal ein richtig ordentliches Liebeslied schreiben. Eins wo man nicht auf ner´ Schleimspur ausrutscht, weil der Text so schnulzig ist und wo es nicht um Trennung geht. Das ist glaub ich ne ganz große Kunst. Mir fällt da zum Beispiel Florence and the Machine ein mit “Moderation”. Wie der schon anfängt, super geil. Und die Herangehensweise vom Text: Du willst, dass ich dich moderat liebe? I`m not a fifty percent kind of Person! I`m all in or nothing! Dass ist das commitment, das wir alle verdienen und ich finde auch, dass es ein Privileg ist, so hart zu lieben. Selbst wenn die Person, die wir lieben, das nicht verdient hat; man selbst hat es verdient denn man liebt ja auch irgendwie für sich selbst.

Und für alle, die nicht so lange auf Minas Liebessong warten können: Im September erscheint ihr nächster Song “Referee”, da geht es um Kinder, die von ihren Eltern in Streitereien reingezogen werden. Hier ein kleiner Spoiler “Young love grew old and old love grew cold you stay together for me made me the referee”. Eine Song also, der potentiell viele alte Emotionen aufwirbelt. Genau das kann Mina Richmann nämlich am besten. Wenn ihr noch mehr über ihre Songs erfahren möchtet, hört gern ins volle Interview rein. Da sprechen wir unter anderem auch über ihren Songs “Nearly to the end” und “Baba said”, den Mina 2021 über die Proteste im Iran geschrieben hat.