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Miriam Makeba aka “Mama Afrika” und die Erfindung des Afropop

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Der 1967 veröffentlichte Song “Pata Pata” war ein riesiger Welthit und machte Miriam Makeba, oft als „Mama Afrika“ und später „Oma Afrika“ betitelt, zum Star. Es sollte auch der letzte Song der Sängerin und Anti-Apartheid-Aktivistin sein, bevor sie vor 14 Jahren auf der Bühne durch einen Herzinfarkt kollabierte und an den Folgen noch am selben Abend verstarb. Am 4. März wäre die Südafrikanerin 90 Jahre alt geworden.

Sängerin und Anti-Apartheid-Aktivistin

Die 1960er Jahre werden häufig als Jahrzehnt des Erwachens des afrikanischen Kontinents bezeichnet. Allein im Jahr 1960 befreiten sich 18 afrikanische Länder vom Kolonialismus, zahlreiche weitere erreichten die Unabhängigkeit in den darauffolgenden Jahren – auch wenn viele Regierungen ehemaliger Kolonien weiterhin versuchten sich an die gewaltsame Unterdrückung schwarzer Mehrheiten durch die weißen Minderheiten zu klammern – wie beispielsweise in Südafrika die 1948 eingeführte Apartheid.

Als Sinnbild für den Aufbruch vieler afrikanischer Länder wird oft Südafrikas größter Weltstar, die Sängerin Miriam Makeba genannt: Als „Mama Afrika“ bezeichnet und bereits 1959 des Heimatlandes verwiesen, wurde sie als Künstlerin und Anti-Apartheid-Aktivistin international berühmt.

Ihr voller Name: Zenzile Makeba Qgwashu Nguvama Yiketheli Nxgowa Bantana Balomzi Xa Ufun Ubajabulisa Ubaphekeli Mbiza Yotshwala Sithi Xa Saku Qgiba Ukutja Sithathe Izitsha Sizi Khabe Singama Lawu Singama Qgwashu Singama Nqamla Nqgithi.

Da das schlecht auf Konzertplakaten Platz findet und selbst geübte Radiosprecher herausfordert, ist sie der Welt eher als „Miriam Makeba“ bekannt. Zwar stand sie mit ihrem größten Hit „Pata Pata” erst 1967 und 1968 an der Spitze der Charts zahlreicher Länder, hatte aber schon zuvor durch ihre Auftritte mit den relevantesten Jazz-Musiker*innen der damaligen Zeit große Bekanntheit erlangt. So sang sie etwa 1962 “The Lion Sleeps Tonight” zu John F. Kennedy’s Geburtstag, direkt nachdem Marilyn Monroe ihr laszives “Happy Birthday Mr. President” gehaucht hatte.

Mit ihrer Rede 1964 vor der UN-Generalversammlung, in der sie zum Boykott der südafrikanischen Regierung aufrief, ging sie zudem auf der politischen Bühne in die Geschichte ein.

Pionierin der Weltmusik

Ihr Leben lang setzte sich Miriam Makeba für den Kampf gegen die Unterdrückung schwarzer Menschen ein. Viele ihrer Songs handeln vom Township-Alltag und sozialer Ungerechtigkeit. Ausgerechnet ihr größter Hit „Pata Pata” handelte dagegen nicht von Politik, sondern lediglich von einem in den 1950er in Johannesburg beliebten Tanz. Makeba sang ihn in ihrer Muttersprache Xhosa, mit ein paar dazwischen gestreuten Zeilen auf Englisch. Nett und harmlos. Und ein Ohrwurm sondergleichen, bestens geeignet als Eisbrecher für langweilige Partys der 60er bis 80er Jahre. Und ein echtes Stück Weltmusik: der erste große internationale Afropop-Hit. “Pata Pata” war die Krönung einer besonderen Karriere. Doch trotz dieser Erfolge verlief ihr Leben nicht nur im Höhenflug.

Miriam Makeba wurde am 4. März 1932 in einem der vielen Armenviertel Johannesburgs geboren. Mit nur 18 Monaten verbrachte sie mit ihrer Mutter sechs Monate im Gefängnis – Zenzi Makeba war beim illegalen Bierbrauen erwischt worden. Die junge Miriam sang im Schul- und Kirchenchor, brach die Schule vorzeitig ab, um als Hausmädchen Geld für den Familienunterhalt zu verdienen. Mit 17 bekam sie ihr erstes und einziges Kind, ihre Tochter Bongi, heiratete zum ersten Mal (von fünf Malen) und ließ sich ein Jahr später scheiden. Kurz darauf glänzte sie als neues Gesangstalent auf der Bühne – gemeinsam mit den Cuban Brothers, ab 1953 mit der Jazzband Manhattan Brothers, und dann mit der damals erfolgreichen Frauenband The Skylarks aka The Sunbeams. 1959 genoss sie in Südafrika bereits Starstatus und übernahm zwei kurze Gesangsparts in der Anti-Apartheid Dokumentation „Come Back, Africa”.

Höhenflug und tiefer Fall

Infolge der beiden Gesangsparts der Doku wurde sie von der südafrikanischen Regierung des Landes verwiesen. Sie reiste daraufhin in die USA, wo sich Harry Belafonte, ein gefragter Sänger und Schauspieler der 60er, ihrer als Mentor annahm. Gemeinsam erhielten sie einen Grammy, Miriam stieg auch in den USA zum Star auf. Mit nur 35 Jahren nannte man sie „Mama Africa”. Zu diesem Beinamen äußerte sie sich in einem Taz-Interview 2004: „Ich kann doch nicht ganz Afrika auf meinen Schultern tragen, das ist zu schwer für mich! Aber dann wurde mir klar, was für ein Kompliment das war.”

Als erste afrikanische Sängerin an der Spitze der Charts und als Stilikone blieb sie in den USA jahrelang Everybody’s Darling. Der Höhenflug endete jedoch abrupt kurz nach ihrem Erfolg mit “Pata Pata”. Der Grund: Ihre Hochzeit mit Stokely Carmichael 1968. Der radikale Menschenrechtsaktivist und Mitglied der “Black Panther“-Bewegung galt in den USA als Public Enemy. Die Konsequenzen für Makeba: Abgesagte Konzerte, Plattenverträge, die Hitsingle “Pata Pata” aus den Regalen entfernt – und die Künstlerin selbst vom FBI verfolgt.

Langer Weg nach Hause

Makeba verließ die USA. Neun Länder boten ihr einen Ehrenpass. Sie entschied sich zunächst für Guinea, als Alleinherrscher Sékou Touré sie umgarnte. Von dort aus reiste sie als Botschafterin durch die Welt und sprach zwei weitere Male vor der UN. Bei Konzerten sang Makeba mehrsprachig vor allem über ihr Heimatland, zu Folk, Jazz, Bossa Navo und manchmal sogar Beatles Cover.

Nach dem Tod ihrer Tochter Bongi 1985 – vermutlich durch die Folgen eines Kaiserschnitts – zog Makeba nach Belgien. 1988 gab sie ihr legendäres, weltweit übertragenes Solokonzert für Nelson Mandela, der seit Jahrzehnten auf Robben Island im Gefängnis saß, um mit ihrer Musik den Kampf gegen die Apartheid zu unterstützen.

1990 wurde Mandela schließlich befreit. Sofort danach sagte er Makeba, sie solle nach Hause kommen. Nach drei Jahrzehnten im Exil – es war ihr zuvor nicht einmal erlaubt gewesen, an der Beerdigung ihrer Mutter teilzunehmen – kehrte sie zurück nach Johannesburg. Dort gründete sie ihre eigene Hilfsorganisation, sang und tanzte auf zahlreichen Touren und Festivals. Immer auch mit “Pata Pata”.

„Ich singe bis ich sterbe”

Er sei „nett zum Tanzen, das ist alles. Ich mag den Song nicht”, sagte Makeba offen über „Pata Pata” in der Dokumentation „Mama Afrika“ von Mika Kaurismäki. Ihre anderen Lieder wie „The Click Song”, ein Hochzeitslied mit den Klackgeräuschen ihrer Muttersprache Xhosa, oder ihre Protestlieder wie „Khawuleza” oder „Masakhane,” über die Versöhnung in Südafrika, bedeuteten ihr weit mehr. Dennoch wusste sie, dass sie ohne den Song nirgends hätte auftreten können, die Leute hätten ein Recht darauf.

Im Jahr 2006 beendete Makeba, mittlerweile als “Oma Afrika” bekannt und von Arthritis geplagt, ihre Abschiedstour. Wenn es aber um die gute Sache ging, war sie leicht zu überzeugen, wieder auf die Bühne zu steigen: „Ich singe bis ich sterbe”, sagte sie.

Und so kam es tatsächlich. Am 9. November 2008 sang die 76-Järige am Benefizkonzert für den Anti-Mafia Autor Roberto Saviano in der Nähe Neapels. Kurz nach ihrer Zugabe mit “Pata Pata” kollabierte sie durch die Folgen eines Herzinfarktes, während sie die Bühne verließ. Die Wiederbelebungsversuche in einer nahegelegenen Klinik waren vergeblich. Miriam Makebas großes Herz hatte aufgehört zu schlagen.