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Bild: Kerstin Schomburg

Musical Cabaret in Köln: Sorglosigkeit in dunklen Zeiten

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Willkommen, Bienvenue, Welcome: Die Kölner Philharmonie lädt ein zum gefeierten Musical Cabaret. Babylon Berlin-Star Tim Fischer entführt als Conférencier in das verruchte Berliner Nachtleben der späten 1920er Jahre.

Das Musical Cabaret erzählt die Geschichte des amerikanischen Schriftstellers Cliff Bradshaw. Auf der Suche nach Inspiration für seinen Roman kommt er nach Berlin und wird im Kit Kat Club fündig. Dort sollen die Menschen ihre Sorgen vergessen und sich stattdessen der Musik und der Ekstase hingeben. Unter den schillernden Künstler*innen ist die Engländerin Sally Bowles der Star der Show. Cliff ist sofort fasziniert von der selbstbewussten und leichtlebigen Sängerin, doch sie warnt ihn, dass sie es nie lange mit einem Mann aushält.

Gleichzeitig bahnt sich zwischen Cliffs Pensionswirtin Fräulein Schneider und dem Gemüsehändler Herrn Schultz eine zarte Liebesgeschichte an – für die beiden älteren Herrschaften eine unerwartete Entwicklung. Doch beide Liebesgeschichten stehen unter keinem guten Stern. Die goldenen 20er Jahre in Berlin mit ihrer Fröhlichkeit und Unbeschwertheit scheinen langsam zu Ende zu gehen, als die Nationalsozialisten immer mehr an Einfluss gewinnen.

Hamburger Inszenierung begeistert in Kölner Philharmonie

2020 feierte die Cabaret-Inszenierung des Hamburger St.Pauli Theaters unter der Regie von Ulrich Waller und Dania Hohmann Premiere. Diese Version wurde nun in der Kölner Philharmonie mit großem Beifall aufgenommen. Tim Fischer spielt die zentrale Rolle des Conférenciers, der durch das frivole Programm des Kit Kat Clubs führt. Regisseur Ulrich Waller hatte ihn schon lange für diese Rolle im Auge. Bereits seit über 30 Jahren steht Tim Fischer auf der Bühne und hat sich auf das französische Musikgenre Chanson spezialisiert, wofür er unter anderem mit dem Deutschen Chanson-Preis ausgezeichnet wurde. Auch als Schauspieler in der Serie Babylon Berlin konnte der Musiker bereits zeigen, dass er perfekt in das Berlin der 20er Jahre passt – theatralisch, undurchschaubar, aber immer mit einem Augenzwinkern und der nötigen Eleganz.

Der heimliche Star des Abends ist jedoch Peter Franke als Herr Schultz. Sein Gesang und seine aufrichtige Liebe zu Fräulein Schneider (gespielt von Angela Winkler) berühren die Herzen des Publikums. Im Gegensatz zur bekannten Verfilmung von 1972 mit Liza Minnelli, die sich stark auf die explosive Romanze zwischen Sally und Cliff konzentriert, gibt die Bühnenfassung auch der zaghaften Liebesgeschichte zwischen Herrn Schultz und Fräulein Schneider den nötigen Raum. Da Herr Schultz Jude ist, ahnen die Zuschauer*innen bereits die Tragik und Hoffnungslosigkeit der Geschichte, auch wenn sie den Figuren auf der Bühne noch fern scheint.

Cabaret – Zwischen Glanz, Glamour und dem Aufstieg der Nationalsozialisten

Cliff (Sven Mattke) ist der erste, der mit offenen Augen den Untergang Deutschlands vorauszusehen scheint. Sally hingegen flüchtet sich in den Glanz und Glamour des Cabarets und träumt davon, ein großer Star zu werden. Diese innere Zerrissenheit und der gebrochene Charakter der Sally Bowles werden von Anneke Schwabe überzeugend dargestellt und finden ihren Höhepunkt im titelgebenden Lied. „Was nützt es, allein in deinem Zimmer zu sitzen, komm und hör die Musik spielen“, singt Sally erst zögerlich, dann mit neu gewonnener Kraft. Denn schlussendlich: „Life is a cabaret”.

Heute erscheint Cabaret und seine Warnung vor den schleichenden Gefahren des Populismus wieder erschreckend aktuell. Das Musical fängt die Ängste und Unsicherheiten der Menschen ein, vernachlässigt aber auch nicht die unterhaltsamen Elemente. Das talentierte Ensemble samt Live-Orchester begeistert mit revueartigen Nummern wie The Money Song und Two Ladies, berührt aber auch mit gefühlvollen Songs wie Heirat und Nichts berührt mich. Die Inszenierung kommt mit wenigen, aber passenden und beweglichen Requisiten aus, die das Lebensgefühl der Weimarer Republik lebendig werden lassen. Ebenso versetzen die Kostüme im Flapper- und Burlesque-Stil die Zuschauer direkt in die entsprechende Epoche. Verdientermaßen wurde die Premiere in Köln mit Standing Ovations gefeiert.

Das Musical “Cabaret” ist vom 30. Juli bis Sonntag, 4. August, in der Kölner Philharmonie zu sehen.