bonnFM-Autorin Moni Rathmann steht ein letztes Mal bevor: Die Band You Me At Six lösen sich auf und spielen ein letztes Konzert in Köln. Ihre Musik hat die Jugend unserer Autorin geprägt. Jetzt fragt sie sich: Was kommt danach?
Es gibt eine Erinnerung an meine Jugend, an die denke ich oft wehmütig zurück. Ich liege darin auf dem Bett in meinem Kinderzimmer, es ist ein normaler Nachmittag. Ich habe die Tür geschlossen und blicke einfach an die Decke, manchmal stehe ich auf und sehe zum Fenster raus in den Garten. Mein Smartphone habe ich nicht in der Hand. Es liegt auf meiner Kommode, über ein Aux-Kabel angeschlossen an meine Stereoanlage. Und es spielt Spotify ab, Song nach Song nach Song.
Ich denke so wehmütig an diese Erinnerung, weil ich seitdem nie wieder so viel und so intensiv Musik gehört habe wie damals. Und auch nie wieder so viele neue Bands entdeckt habe. Spotify schlug vor, ich nahm dankend an. Als ich mit sechzehn an meinem musikalischen Peak angekommen war, spuckte Spotify mir You Me At Six aus. Pop-Punk, Post-Hardcore und ein Feature mit Oli Sykes. Der Algorithmus kannte mich gut. Mit siebzehn habe ich sie dann zum ersten Mal live gesehen – und in ein paar Tagen zum letzten Mal.
Für mich ist dieses angekündigte Aufhören ein erstes Mal
Denn You Me At Six hören auf. Eine letzte Einladung zu Live Shows, ein letztes Mal gemeinsam mitsingen. Am 30. November spielen You Me At Six ihr letztes Deutschlandkonzert im Carlswerk Victoria in Köln. Mit Support The Xcerts und Mouth Culture. Noch ein bisschen die Werbetrommel rühren und Merch verkaufen, aber im Grunde: Uns reicht’s, das war jetzt lang genug, tschüss.
Für mich ist dieses angekündigte Aufhören ein erstes Mal. Ich habe nie Boy Bands gehört, die sich zwangsläufig ab Ende 20 Soloprojekten widmen. Und viele der Bands, die ich mag, haben sich schon getrennt, bevor ich sie entdeckt habe. Für mich endet mit dieser Bandauflösung also eine Ära. Meine Jugend, die ist endgültig vorbei, denn die Bands meiner Jugend sind auch nicht mehr jung. You Me At Six haben mich musikalisch sozialisiert – was mache ich jetzt ohne sie?
Was, wenn das auch das Ende meines Musikgeschmacks ist?
Kurz vor dem letzten Konzert höre ich also melancholisch noch einmal die ganze Diskographie. Was, wenn dieses Ende auch ein Ende für meinen Musikgeschmack bedeutet? Nie wieder habe ich so intensiv Musik gehört wie als Teenagerin. Wenn mir Künstler*innen gefallen haben, habe ich mich in ihre Alben eingearbeitet, statt nur den einen Song in einer Playlist abzulegen.
Meine heutigen Lieblingsbands sind fast ausnahmslos seit dieser Phase in meinem Leben. Was, wenn nach und nach alle von ihnen aufhören? Werde ich eine dieser Erwachsenen sein, die Rock Antenne einschalten und noch immer in den 70ern festhängen, weil angeblich seitdem nichts Vergleichbares mehr veröffentlicht wurde? Habe ich nicht als Jugendliche genau das verabscheut?
Ich will neue Lieblingsbands finden
Ich weiß, dass sich natürlich neue Bands bilden, die genauso gute Musik machen. Und die höre ich auch gerne. Aber mit keiner von ihnen habe ich eine derart enge emotionale Verbindung wie mit meinen Lieblingsbands aus der Jugend. Ich werde im Carlswerk also inbrünstig die Songs meiner Jugend mitbrüllen und vielleicht auch ein paar wehmütige Tränen verdrücken.
Aber danach nehme ich mir vor, endlich mal wieder einen Nachmittag in meinem Zimmer zu verbringen und statt Netflix zu schauen oder durch TikTok zu scrollen, Spotify zu öffnen und das Handy wegzulegen. Damit endet zwar nicht, dass ich Band-Enden erleben muss. Aber hoffentlich löst sich dann auch noch eine Lieblingsband mit Ende 20 auf, wenn ich selbst schon Siebzig bin.