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Gelegenheit macht Debüt – Özge İnan im Interview zu ihrem Roman »Natürlich kann man hier nicht leben«

Lesezeit: 12 Minuten

Im Interview mit Özge İnan (@oezgeinan), bekannt von Twitter, Redakteurin bei »Der Freitag« und seit Kurzem auch Romanautorin, spricht bonnFM-Reporter Ismael Berrazouane mit ihr natürlich über ihr Buch »Natürlich kann man hier nicht leben«. Außerdem geht es um politisches Schreiben, das quasi-religiöse Gebot, höchstens sechs bis acht Stunden pro Tag zu arbeiten, Twitter als Gelegenheit und das richtige Getränk für einen Spaziergang im verregneten Sommer.

Die Sendung und die Rezension könnt ihr hier nachhören, das Interview in Gänze ist hier zu lesen und zu hören. Dieses Interview wurde für »bonnFM liest« und die Rezension von Özge İnans Debütroman »Natürlich kann man hier nicht leben« geführt.

Aufgeschlagenes Buch

Özge, du hast Jura studiert, extrem viel getwittert, dann für Jan Böhmermann geschrieben – jetzt bist du beim ,,Freitag” als Redakteurin und nebenbei ist noch ein Buch entstanden. Was ist dein Antrieb und wie viele Stunden hat dein Tag?

Also, ich kann erst mal sagen: Mein Tag hat tatsächlich in der Regel weniger Stunden als acht. Für den Freitag arbeite ich natürlich Vollzeit, aber diese ganzen anderen Sachen … das ist alles nichts, was so hintereinander passiert, weswegen ich dann irgendwie erst um 22 Uhr Feierabend mache oder so. Ich bin sehr religiös, was das Thema pünktlich Feierabend machen angeht und sehe das auch nicht ein: Ich habe nicht genug Leidenschaft für irgendwas im Leben, um bis 22 Uhr oder so noch daran zu sitzen.

Selbst im Studium, selbst in der Examensvorbereitung, habe ich darauf geachtet, dass irgendwie das Lernen auch mal ein Ende hat und dass dann auch, wenn ich vielleicht an dem Tag nicht alles geschafft habe, was ich schaffen wollte, ich mir trotzdem irgendwie erlaube, zu chillen. Ich glaube, das es extrem wichtig ist – für die mentale Gesundheit und allgemein, um ein normaler Mensch zu bleiben –, dass man nur so sechs bis acht Stunden pro Tag arbeitet. Und das mache ich auch.

Mein Antrieb ist, die Sachen zu machen, die ich liebe. Ich kann es gar nicht erklären, weil es von sehr tief drinnen kommt. Ich liebe es einfach, zu schreiben, zu diskutieren, mich mit aktuellen Debatten auseinanderzusetzen. Das klingt jetzt sehr unspezifisch, aber genauso unspezifisch ist es halt auch. Mich in Dinge auch mal zu vertiefen, tiefer zu recherchieren und daraus irgendwie was zu machen – dass ich davon leben darf ist echt extrem geil.

Diskutieren als Lebensstil

In einer Stelle deines Buchs trifft Selim eine Lehrerin im Antiquariat. Er fragt sich, ob nur Menschen mit einem Blick wie seinem, Lehrer*innen werden oder ob dieser erst durch die Erfahrungen als Lehrer*in entsteht. Es heißt da: ,,Bewerten als Lebensstil’’. Was wäre bei dir das Äquivalent dazu – so als Autorin, Meinungsmacherin?

Das ist eine extrem gute Frage. Ich freue mich auch generell, dass du über die Stelle sprichst, weil ich mich das wirklich bei Lehrern schon immer gefragt habe. Gibt es diese Lehrer-personality und ist das so Henne und Ei mäßig – lernt man das im Lehramtsstudium oder wird man überhaupt nur Lehrer, wenn man irgendwie so drauf ist?
Bei mir wär es wahrscheinlich sowas wie diskutieren. Es klingt jetzt, als wäre ich der nervigste Mensch der Welt, aber wenn es eine Sache gibt, die ich wirklich tagtäglich tue, sei es im echten Leben oder virtuell auf Twitter, dann ist es wahrscheinlich, irgendetwas ausdiskutieren.

Geht das dann auch ins Schreiben über? Ist Schreiben für dich so eine Art von Diskussion, erst mal mit dir selbst, oder ist es der Diskussion vorgreifend?

Ja, sicher. Gerade journalistisches Schreiben. Besonders, wenn es irgendwie weniger nachrichtlich und mehr analytisch oder sogar kommentierend ist, ist es ja eigentlich ein einziges rumdiskutieren. Gerade Analysen, wo du wirklich darauf achten musst, dass du verschiedene Perspektiven einbringst, das Thema von allen Seiten beleuchtest. Das ist ja im Prinzip eine monologisierte Diskussion.

In welchem Verhältnis steht literarisches Schreiben zu journalistischem Schreiben oder Tweets?

Tweeten und Comedy-mäßiges Schreiben ist auf jeden Fall sehr ähnlich. Ich habe für Böhmermann auch hauptsächlich Tweets geschrieben, das muss man dazu sagen. Das literarische Schreiben ist natürlich sehr anders, aber trotzdem gab es da auch Aspekte, da hat mein Lektor mal gesagt: Man merkt einfach – er meinte das positiv, auch wenn es zuerst vielleicht ein bisschen negativ klingt –, dass du vom Humor sehr Twitter-sozialisiert bist, weil die Dialoge und der Humor an den Dialogen sehr kurz und mit sehr wenigen Wörtern funktioniert.

Daran merkt man den Einfluss, was aber nicht schlecht ist. Auch in Literatur darf ja durchaus Humor sein. Und ich glaube, ich bin da einfach, Kind meiner Zeit, dass unsere Generation nur über Sachen lachen kann, die fünf Sekunden oder kürzer sind. Und so halt auch dann entsprechend die Zeichenzahl, 200 oder kürzer, sonst dauert es zu lange.

Eine Frage und Geschichte der jeweiligen Generation

Du bist 1997 geboren, so wie wahrscheinlich auch deine Protagonistin, Nilay. Also beide 2013, zu Beginn des Buchs, 16. Wie viel von Nilay, würdest du sagen, steckt in dir?

The age old question, immer. Ja, klar, voll viel. Sie empfindet die Dinge sehr ähnlich, wie ich sie damals empfunden habe. Sie ist nur ein bisschen mutiger und ein bisschen entschlossener als ich, was die Konsequenz angeht. Aber das ist auch genau der Grund, warum ihre Rolle relativ klein in dem Buch ist. Ich finde dieses ganze Autofiktionale in der Gegenwart ein bisschen auserzählt, gerade was die migrantische Erfahrung angeht. Ich habe da eine Lücke gesehen, was die Geschichten der Eltern betrifft und wollte die unbedingt füllen.

Hast du damals auch ein Interesse für ,,weirde Musik und das Internet’’ gehabt? Das wird Nilay ja von ihrem Bruder attestiert.

Ja, das haben ältere Leute in meiner Umgebung mir so attestiert. Ich fand die Musik damals absolut … dufte. Und das Internet sowieso.

“Das war es. Mehr wissen wir nicht.”

Ich hatte auch das Gefühl, es ist gar nicht so sehr eben eine post-migrantische Geschichte, sondern eigentlich eher prä-migrantisch, weil die Geschichte erzählt, wie Menschen ihren Weg nach Deutschland finden. Was ist für dich das Wichtige an deiner Geschichte, wenn ihr Ende eigentlich schon früh klar wird und wie bestimmte Dinge eben ablaufen müssen, damit sie sich dann in Deutschland wiederfinden?

Wie das gedacht ist, im Prinzip, ist, dass wir ein bisschen dem Blick der deutschen Mehrheitsgesellschaft folgen. Im Sinne von: ,,Wir wissen, dass diese Leute hier sind, wir wissen, dass die hier Kinder bekommen haben, wir wissen, wie es den Kindern geht. Von den Kindern hören wir ganz viel.’’ Das war es. Mehr wissen wir nicht. Und dann gehen wir in deren Vergangenheit und in deren Geschichte rein und gucken: Wie wurden diese Menschen so? Wie wurden diese Menschen zu: Migranten. Wie wurden Sie zu einem Paar, wie wurden Sie zu Eltern, wie wurden sie überhaupt politisch?

Man sieht den Leuten ihre Vergangenheit nicht an, man kann sie höchstens erahnen. Gerade was postmigrantische Kunst angeht oder generell auch postmigrantischen Diskurs, da sind die Eltern oft ein bisschen so:
,,Die kamen mit einem Koffer her und dann haben sie ganz viel geackert und geschuftet und jetzt habe ich einen Uni Abschluss, seht mich an, und ich werde rassistisch behandelt und das geht ja wohl nicht klar.’’

Dieses Beiseiteschieben der Elterngeneration als eine, die vor allem für einen selbst gelebt und Sachen gemacht hat.
Ich weiß, dass das in der arbeitenden Schicht eine Realität auch war. Aber es waren eben nicht alle Arbeiter, die gekommen sind. Sondern es gibt eine Reihe von politischen Geflüchteten, die aus akademischen Kreisen heraus fliehen mussten und wo das einfach unmittelbar zusammenhing. Die und deren Kinder haben eine ganz andere Erfahrung gemacht. Und mir war es extrem wichtig, eben das zu beleuchten:
Wenn wir schon wissen, dass die Leute auf jeden Fall in Deutschland landen, wie kommen sie dahin?

Kultur schaffen, trotz politischer Repression

Du hast einen entsprechenden persönlichen Background, einen Einblick in diese Zeitgeschichte, weswegen sich dein Buch auch ein immer wieder ein bisschen wie ein historisches Dokument anfühlt. Wie sieht dieses Reservoir an Wissen aus, das du anzapfen konntest, von den Quellen, die eben noch zu dieser Generation gehören, die den Militärputsch um 1980 erlebt haben?

Ja, also sehr klassische, orale Geschichtsvermittlung. Ich bin unter Leuten aufgewachsen, die wahnsinnig gerne erzählen und irgendwie immer eine Anekdote zu allem auf Lager haben. Dadurch, dass deren Jugend in dieser Zeit stattfand und sie so politisch aktiv waren, haben diese Anekdoten oft oder fast immer mit Polizei, Gefängnis, Klagen zu tun gehabt. Alles wahnsinnig gebildete Menschen, das heißt, super oft fiel in einem Nebensatz:
,,Das war kurz vor der Veröffentlichung des ersten Buches von meinem Mann’’ oder ,,der und der war machte gerade seinen Doktor’’. Diese Kombination aus: Selbstverständlich Kunst Kultur, Wissenschaft schaffen und in einer Tour politischen Repressalien ausgesetzt sein.

Das war meine Normalität, ich habe gedacht, so ist nun mal Leben. Kinder nehmen irgendwie hin, was man ihnen vorsetzt, und ich habe halt gedacht: ,,Okay, so läuft das anscheinend. So ist es anscheinend, Erwachsene reden über diese Sachen.’’ Dann ist mir irgendwann klar geworden, dass das gar nicht so geläufig ist und so gewöhnlich ist.

Das war sozusagen der Rahmen und der Kontext, der Vibe dieser Zeit. Etwas, was ich halt null noch mal speziell für das Buch recherchieren musste. Ich konnte mich sehr leicht da hinein versetzen. Ich glaube, so geht’s ja uns allen mit der Jugend unserer Eltern, wenn unsere Eltern viel erzählen. Wenn ich jetzt einem Standard-Peter-Müller sage, beschreib mal, wie deine Mutter aufgewachsen ist – der wird zwölf Sätze dazu sagen können.

Aber schwierig wurde es halt dann bei den Details. Mir ist wirklich erst im Schreibprozess aufgefallen, wie viele Details ich dann doch nicht wusste. Vor allem was Gegenstände angeht. Wenn man eine Anekdote erzählt, dann wird ein Gegenstand, wenn er da gerade keine Rolle spielt, auch nicht beschrieben. Also, das ganze Haptische, was ja in einem Roman eine Wahnsinnsrolle spielt, um eine Szene im Kopf des Lesers zu erschaffen. Das musste ich immer wieder nachfragen: Aus welchem Material war das, gab es das schon, wie sah das aus? Wie habt ihr das benutzt? War das schon elektrisch oder noch Perlen und so Geschichten, weil es auch noch eine Zeit war also, die ich halt nicht erlebt habe? Das war dann viel Nachfragearbeit.

Und plötzlich ist es auch eine feministische Geschichte

Es macht total Sinn, vor dem Hintergrund, wie du es gerade beschrieben hast, dass es dann auch so ein politisches Buch ist und ein politisches Thema hat, weil du so aufgewachsen bist. Aber würdest du dein Schreiben selbst politisch nennen?

Immer und gerade konkret im Buch. Dass das so eine feministische Schlagseite kriegt, war auch gar nicht so wirklich geplant, sondern das kam einfach von alleine. Beim Entwickeln der Figur Hülya war mir wichtig, dass sie natürlich irgendwie politisch aktiv sein muss, damit sie überhaupt in die Lage kommt, fliehen zu müssen. Und mir war wichtig, dass sie aus einem normalen Haushalt kommt, weder super konservativ-unterdrückerisch und der-Vater-erlaubt-nichts-Klischee, noch außergewöhnlich fortschrittlich. Einfach normaler Arbeiterhaushalt.
Und auf einmal wurde das voll die feministische Story.

Es ist ja irgendwie klar, dass das ein emanzipatorischer Prozess ist, obwohl die Familie nicht super streng ist: Für Hülya ist es trotzdem ein Abnabelungsprozess und dieser Abnabelungsprozess hat was Politisches. Und die Migrationserfahrung hat auch wieder was Politisches in sich wieder, nicht nur, weil es aus politischen Gründen passiert, sondern auch, weil sie aus einem Umfeld gerissen wird, dass man sich als Frau überhaupt erst erkämpfen musste. Ein Umfeld, in dem man politische Stimme ist und in dem man die Gesellschaft mitgestaltet. Da musste sich Julia erst mal rein kämpfen – und dann wird ihr das einfach weggenommen dadurch, dass sie eben nach Deutschland müssen. Insofern ist es immer politisch und manchmal auch auf Arten und Weisen, die ich vorher gar nicht so richtig geplant habe.

Influencer sind nie nur die Anderen

Ich habe das Gefühl, dass du politisch deutlich präziser in deiner Haltung bist, als andere Autor*innen, die aus der Twitter-Sphäre kommen. Du hast viel Außenwirkung, dich lesen fast 80.000 Menschen auf Twitter. Siehst du dich dadurch auch in einer Influencer-Position?

Sicherlich. Ich wehre mich da auch nicht gegen. Ich finds Quatsch, zu sagen: Oh nein, ich doch nicht, Influencer sind nur die Anderen.
Mir sagen Leute ständig, dass ich ihre politischen Haltungen beeinflusst habe und nichts anderes heißt ja, nichts anderes macht ja ein Influencer. Und ich werde ja auch die ganze Zeit von anderen Leuten ge-influenced. Meine politische Haltung ist ja ist ja auch nicht komplett auf meinem Mist gewachsen, deswegen: Ja, sicherlich ist das auch eine Influencer-Position.

Glaubst du, die Leute wollen dich eher aus einer literarischen Position heraus lesen oder das ist Influencer Merchandise?

Nein, das ist keine Influencer-Merch. Das ist Kunst, ich bin Schriftstellerin.

Du hast eben schon deine Freude an der Diskussion erwähnt, aber was möchtest du darüber hinaus bei Menschen rüberbringen? Und worin unterscheidet sich die Absicht beim Bücherschreiben im Verhältnis zu politischen Tweets?

Im Roman geht es darum, eine Geschichte zu erzählen – und sie handelt von politischen Menschen. Aber es ist nicht so, dass der Roman jetzt irgendwie die Leute links machen soll oder so. Ich habe eine Geschichte zu erzählen, deswegen erzähle ich sie. Aber im Journalistischen – oder in Tweets sogar – teilweise schon.

Da geht es ums Informieren, ums Kommentieren, um eine gute, gesunde Mischung aus Analyse und Haltung und teilweise sicherlich auch, was Leute Aktivismus nennen würden. Was ich gar nicht verkehrt finde, wenn es um Menschenrechte geht. Ich kann jetzt nicht sagen, ,,Oh, Werte: Solidarität!’’ oder so, weil ich niemandes Mama und nicht für Wertevermittlung zuständig bin.

,,Drama ist es, wenn beide Recht haben’’

Gibt es Leute, in deren Tradition du dich siehst, sei es literarisch oder auch aktivistisch, vielleicht sogar journalistisch? Menschen, von denen du sagen würdest, die haben auf jeden Fall dein Schaffen beeinflusst, deinen ,,Kanon’’?

Kanon ist bisschen übertrieben. Aber klar, ich könnte jetzt lauter Leute aufzählen, die ich gut finde, wo ich sagen würde, von denen habe ich gelernt. Aber das würde erstens zu weit führen und zweitens würde ich mich hinterher ärgern, dass ich wahrscheinlich die Hälfte vergessen habe. Sagen wir lieber, ja, gibt es viele und das sind auch alles gar nicht Leute, die eins zu eins meine politische Haltung haben.

Es sind auch so bürgerliche Leute, wo ich dann aber die oder die Herangehensweise, Methode oder das Engagement für für ein bestimmtes Thema total toll finde und daraus viel mitnehme.

Haben dein Buch und das Schreiben deinen Blick auf die Türkei, deine Haltung, auch auf die Geschichte, noch mal verändert? Oder hat es eher noch Dinge zementiert, die du schon vorher so betrachtet hast?

Es hat meinen Blick auf die Leute, die das alles durchgemacht haben, nicht wirklich verändert. Aber es hat mir noch mal mehr Respekt für das Ganze abgenötigt, was sie durchgemacht haben und wie sie das psychisch alles durchgestanden haben, ohne irgendwie durchzuknallen.

Der Schriftsteller muss das ja alles einmal durchfühlen, damit er es irgendwie auf Papier bringen kann. Und wenn man das alles einmal durchgefühlt und wiedergegeben hat, dann hat man auf einmal ein ganz anderes, empathisches Erleben. Das habe ich auf jeden Fall sehr stark gespürt und es wird mich sicherlich auch für den Rest meines Lebens weiter begleiten.

Im FAZ Podcast hast du gesagt, ,,Drama ist es, wenn beide Seiten recht haben’’ und das fand ich interessant im Nachdenken über das, was du geschrieben hast.

Denn alle Handlungen deiner Figuren sind nachvollziehbar und es gibt nie die Position zu sagen, ,,Ok, DAS ist jetzt die ,böse’ Person, sondern es bleibt wirklich ein Netz an authentischen Figuren.

Das freut mich voll, weil genau das war, worauf ich es angelegt habe – dass die Leute, wie du schon sagst, alle nachvollziehbar sind. Und vor allem, das sage ich auch immer wieder, wenn es um das Buch geht, dass nicht jeder Kommunist voll der sympathische, tolle Typ ist und die Unpolitischen sind irgendwie egal und die Faschisten sind alles fiese, gemeine Arschlöcher, die nur Böses im Sinn haben.

Dass es nicht so ,,Herr der Ringe’’ mäßig wird. Nicht, dass ich mich jetzt über ,,Der Herr der Ringe’’ stelle, aber genau das war mir halt einfach sehr wichtig. Menschen und ihre politischen Haltungen bringen all kinds of combination hervor, an Arschlochtum und Nett sein.

Nachahmen ist gar nicht verkehrt

Was verdankst du Twitter?

Auf jeden Fall die Möglichkeit, die Gelegenheit, die Dinge zu machen, die ich mache. Ich werde nicht sagen, dass ich es Twitter ,,verdanke’’, dass ich es überhaupt mache, weil es einfach meine Fähigkeiten schmälern würde, die ich ja auch ohne Twitter gehabt hätte. Aber ich hätte vielleicht nicht die Gelegenheit gehabt, dass so viele Leute das mitkriegen und dass daraus dann wieder so viele Gelegenheiten erwachsen: Ohne Twitter hätte ich vielleicht nicht die Kolumne gehabt und dann, ohne die Kolumne, wäre meine Literaturagentin nicht auf mich aufmerksam geworden und so weiter. Also, dass Leute einfach mitkriegen, was ich kann und was ich zu erzählen habe und daraus dann Gelegenheiten kommen.

Hast du Tipps oder Ideen wie Menschen, die gerade anfangen zu schreiben auch auf eine Art und Weise so ein Gehör finden wie du und eine Reichweite im Internet bekommen?

Das kommt sehr darauf an, auf welcher Plattform. Wenn wir jetzt über Twitter reden, dann muss man sich wirklich einfach angucken, wie die Plattform funktioniert. Ich kann jetzt so konkrete Sachen sagen, aber das ist, glaube ich, zu kleinteilig und sowas wie ,,Benutzt keine Hashtags’’, oder so. Aber ja, es gibt so kleine Dinge, die man beachten kann und da ist: Nachahmen gar nicht verkehrt. Gucken, was Leute machen, die da sind, wo man gerne wäre, und dann einfach ein bisschen kopieren. Methodisch und dann mit eigenen Inhalten. Das wäre, glaube ich, so der übergeordnete Tipp.

Ansonsten halt: Plattform für Plattformen gucken. Sich klar machen, dass nicht jede Plattform die gleichen Regeln hat, sondern im Gegenteil man sich auf Instagram ganz anders zu verhalten hat als auf Twitter, wenn man es dann auf Reichweite auslegt. Wenn alles so bleibt, wie jetzt, ist es auch okay

,,Alter, wenn alles so bleibt, wie jetzt, ist es auch okay.”

Was sind deine Ziele nach deinem Buch? Hast du das Gefühl sofort wieder irgendwas schaffen zu müssen?

Ich habe tatsächlich gestern, ein bisschen angetrunken auf einem Spaziergang abends, gedacht: ,,Alter, wenn alles so bleibt, wie jetzt, ist es auch okay.” Eigentlich muss ab jetzt gar nicht mehr so viel passieren. Ich will auf jeden Fall noch mal ein Buch schreiben, was in der Gegenwart spielt. Einfach, damit ich nicht alle zwei Minuten meinem Vater schreiben muss, aus welchem Material seine Schultasche 1985 war. Und ich glaube, ich möchte journalistisch weiter arbeiten.

Ich möchte mich auch juristisch weiterbilden, ohne ein zweites Examen zu machen, weil: nein danke. Aber ich will up to date bleiben, was die Entwicklungen in meinem eigentlichen Fach angehen. Und sonst einfach weitermachen, was ich jetzt gerade mache und damit und davon möglichst gut leben können und eine gute Zeit haben.

Gibt es noch irgendwas, was du loswerden willst: Zu deinem Buch, zur Schriftstellerei, zu deinem Fachgebiet Jura was an einem verregneten Sommertag wie heute zu trinken wäre?

Es ist ja noch nicht mal mittags bei uns – ich weiß nicht, wie spät es bei euch ist, die ihr das gerade hört (Anm. des Autors: lest) –, aber, mittags, das heißt, Kaffee ist schon mal nicht schlecht. Und es ist verregnet, das heißt, es wird wahrscheinlich ein heißer Kaffee und ich überleg gerade einfach nur laut, was ich mir nachher holen werde, auf meinem Weg gleich zur Arbeit.
Und sonst … ach, weiß ich nicht, voll das schöne Interview, kann ich dir vielleicht mal sagen.

Dankeschön, Özge, alles Gute und bis zum nächsten Mal!

Dankeschön.

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