Peer Gynt kann man mit vielen Worten beschreiben: Erbauer von Luftschlössern, Hedonist, Taugenichts, Opportunist, Frauenheld, selbsternannter Kaiser und König, Prophet. Es stellt sich die Frage: Wann ist er mal er selbst? bonnFM hat versucht, dies für euch herauszufinden.
Mit dieser Frage beschäftigt sich Henrik Ibsens Theaterfassung des bekannten Gedichts über den Bauerssohn. Gewiss hat Peer viele Ambitionen: „König, Kaiser will ich werden!“ Aber dafür arbeiten? Sich Freunde machen? Ehrlich sein? Nein danke! Stattdessen bricht Peer lieber Herzen, stiehlt einem Bräutigam die Braut, macht einer süßen Solveig falsche Hoffnungen und schwängert eine Trollfrau. Peer, der Kaiser, ist nur Hirngespinst, eine Fantasie, die niemals erfüllt wird.
Nachdem er der eher düsteren Aussicht eines Lebens als Vater eines ekelhaften Trollbabys entflieht, macht Peer erstmal Karriere als Menschenhändler im Orient. Während sonst er das Schlitzohr ist, wird diesmal er übers Ohr gehauen: sein Handelsschiff wird geklaut und seine orientalische Geliebte Anitra bestiehlt ihn auch noch.
Wieder auf den Boden der Tatsachen angekommen, kehrt der nun gealterte Peer in seine Heimat zurück, wo er zum ersten Mal – ohne Verschnörkelungen und ohne Euphemismen – sieht, was er ist: lediglich eine Zwiebel. Schale um Schale entblättert er sein Innerstes, was buchstäblich Nichts ist. Diese Erkenntnis macht Peer vom Träumer zum Realisten.
Minimale Besetzung und maximale Rollenwechsel
Der Regisseur Joe Knipp hat mit seinem Kölner Schauspieltrio, bestehend aus Richard Hucke, Jennifer Silke und Signe Zurmühlen, ganze Arbeit geleistet. Der gesamte winzige Theatersaal wurde zur Bühne. Der Szenenwechsel war rasant und doch reibungslos mit zwei Schauspielerinnen, die jeweils mehrere Rollen übernahmen. So war Silke mal Peers Mutter Aase, mal sein Love-Interest Solveig, oder auch kurzerhand ein komisch gackernder Trollkönig. Ebenso konnte Zurmühlen mit einer Vielfalt an Charakteren punkten, zum Beispiel als seelenlose Anitra, als Ingrid oder als Trollprinzessin.
Die kleine minimalistische Kulisse regte die Vorstellungskraft des Zuschauers an. Es genügten ein paar schwarze Kisten und einige Lichteffekte, um sich Peer in einer Trollhöhle, auf einem sinkenden Schiff oder in einem Irrenhaus vorzustellen.
Wo ist Grieg?
Wer sich auf die Kompositionen von Edvard Grieg freut, ist leider bei dieser Vorstellung falsch. Zwar wurden ein paar Stück der Suite angesummt und angesungen (wie der Bergkönig oder Solveigs Lied), bei dieser Vorstellung war aber das Schauspiel im Vordergrund. Zugegebenermaßen hätte bei dieser Art der Inszenierung die musikalische Begleitung albern und zu prätentiös gewirkt.
Das Theater am Sachsenring (TAS) stellte seine vorerst letzte Fassung von Peer Gynt vor, bietet aber noch diverse andere Theaterstücke an. Mehr Informationen dazu unter www.theater-am-sachsenring.de.