You are currently viewing Tell me Moor: Die unheimlichen Sumpflandschaften sind unheimlich wichtig für den Umweltschutz
Moore: Unheimlich und unheimlich wichtig, Foto: Unplash

Tell me Moor: Die unheimlichen Sumpflandschaften sind unheimlich wichtig für den Umweltschutz

Lesezeit: 5 Minuten

Moore machen nur drei Prozent der weltweiten Landfläche aus, speichern aber doppelt so viel Kohlenstoffdioxid wie alle Wälder der Erde zusammen. Woran man ein Moor erkennt, wie man Moore umnutzen und schützen kann, oder ob der Zug hinsichtlich Moorschutz nicht längst abgefahren ist, darüber hat unsere Autorin mit der Doktorandin Heike Schimmel gesprochen, die aktuell am Institut für Bodenkunde der Universität Bonn promoviert.

Mystisch und ein bisschen gruselig: Dieses Image von Moores als unheimlichen Ort kann die Bonner Doktorandin Heike Schimmel nachvollziehen. Für sie ist das Moor auch manchmal unheimlich, aber reizvoll zugleich – und gerade in Sachen Klimaschutz unersetzlich.

Heike, was begeistert dich an Mooren?

Was mich total begeistert: Wenn man dann mit den Gummistiefeln über eine Torfmoosmatte läuft und man einsinkt. Man hat das Gefühl nichts unter sich zu haben – 99 Prozent Wasser und nur ein Prozent Boden – und trotzdem wird man gehalten. Das finde ich immer sehr beeindruckend. Außerdem macht Moore aus, dass sie eine mindestens 30 Zentimeter dicke Torfschicht haben und diese zu mindestens 30 Prozent aus organischer Substanz besteht. Durch diese Besonderheit kann​ sich ein beeindruckendes Ökosystem entwickeln, dass ganz vielen einmaligen Pflanzen- und Tierarten ein Habitat bietet.

Das tollste an Mooren ist aber – neben dem Ökosystemaspekt – ,dass sie ein riesiger Kohlenstoffspeicher sind. Denn die tote organische Substanz wird über Jahrtausende akkumuliert. Dadurch bedecken Moore zwar nur drei Prozent der Landoberfläche der Erde, speichern aber aktuell ein Drittel des Kohlenstoffs der Welt und damit doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder weltweit zusammen – was eben ein wichtiger Punkt im Klimaschutz ist.

In welchen Teilen der Welt findet man Moore?

Allgemein sind Moore in Regenreichengebieten in der Nordhemisphäre und entsprechend weit nördlich zu finden. In Europa gibt es sie also in Norddeutschland und von dort nordwärts. Teilweise reichen viele Moore auch in die Permafrostgebiete hinein. Aber es gibt auch tropische Moore in den Regenwaldgürteln der Erde.

Moorleichen und andere mit Moor verbundene Ängste

Und kannst du das gruselige Image von Mooren trotzdem nachvollziehen?

Schon ein bisschen. Der schlechte Ruf ist allerdings nicht gerechtfertigt, denn viele sehen das ja auch als nutzloses Land an. Was es aber auf keinen Fall ist. Denn schon als Habitat für die wertvollen Tier- und Pflanzenarten und als Kohlenstoffspeicher sind sie unersetzlich. Aber ich kann das Image, dass sie gruselig sind schon etwas verstehen – gerade mit den Nebelschwaden, die manchmal über den Sümpfen wabern. Und jeder der dort arbeitet steckte mal mindestens bis zur Hüfte im Moor. Ich weiß noch als Kind habe ich im Museum eine Moorleiche angeguckt und hatte da auch furchtbar Angst vor Moor. Aber dennoch kann man glaub ich neben der nützlichen auch die sehr, sehr schönen Seiten am Moor erkennen.

Warum legt man Moore denn trocken und was macht das mit unserem Klima?

Moore sind mit viel Humus ganz gute Ackerböden. Und wenn man sie beackern oder für Forstzwecke Bäume darauf pflanzen möchte, dann muss man sie trockenlegen. Die Maschinen zu schwer um drauf zu fahren und für viele Nutzpflanzen ist der Boden sonst zu nass. Dadurch das in Mooren ja die wassergesättigten Bedingungen in erster Linie dafür sorgen, dass sich der Kohlenstoff akkumuliert, werden, sobald die Moore genutzt werden, die Mikroorganismen, die die organische Substanz also Pflanzenreste abbauen. Dadurch kann eine beängstigende Menge CO2 und auch Methan freigesetzt werden. Das ist das eigentlich Gruselige an Mooren.

Gerade in Deutschland ist die Situation prekär

Ist das so, dass in Deutschland oder Europa der Zug eigentlich schon abgefahren ist hinsichtlich Moore schützen?

Gerade in Deutschland ist die Situation prekär. In Deutschland sind über 99 Prozent der Moore bereits zerstört. In ganz Europa sieht die Situation ein bisschen besser aus. Weltweit sind über 80 Prozent der Moore zwar noch intakt, aber das sind dann eher Moore in den Weiten Kanadas. Meist gilt: Je dichter die Population ist in einem Land ist, desto mehr sind Moore zerstört.

Kann man Moore denn nutzen ohne sie zu schädigen?

Ja, das geht. Zum Beispiel indem man Torfmoose anbaut. Torfmoose bilden Torf. Diese Moose könnte man dann jährlich, alle zwei Jahre ernten und als Blumenerdeersatzstoff nehmen. Auf Niedermooren wird zum Beispiel schon jetzt Schilf angebaut, für Biogasanlagen zur Wärmeerzeugung und auch um Häuser in Norddeutschland zu bedecken.

Die CO2- und Methan-Ausgasungen, die entstehen, sind enorm

Und Permafrostmoore? Wie relevant sind die klimatechnisch?

Permafrostmoore spielen eine große Rolle in der Klimakrise. Aktuell ist dort viel Torf noch durch Permafrost vor der Zersetzung geschützt. Taut der Permafrost bald aber auf, dann wird auch der Torf aufgetaut und kommt an die Luft. Dadurch werden die Mikroorganismen wieder aktiv und zersetzen die organische Masse. Die CO2- und Methan-Ausgasungen, die dadurch entstehen, sind enorm.

Wie ist das bei tropischen Mooren?

In den Tropen dagegen ist die Moorzerstörung durch den Anbau von Palmöl-Plantagen und ähnliches bereits voll im Gange. Denn durch den Anbau muss der Moorboden drainiert, das heißt entwässert werden, und wird zusätzlich brandgerodet. Denn die tropischen Moore sind stark bewaldet. Das heißt die Moore werden nicht nur entwässert, sondern die Wälder auf ihnen auch noch zerstört, was dem Palmöl eine noch schlechtere Klimabilanz gibt.

Wie wird in Klimadebatten über Moore geredet?

Ich habe schon das Gefühl, dass einzelne Regierungen schon darauf bedacht sind Moore zu schützen. Außerdem gibt es die sogenannte „Ramserkonvention“, die sich den Schutz der Feuchtgebiete zur Aufgabe gemacht hat. Aber abgesehen davon habe ich das Gefühl, dass das Thema in der Öffentlichkeit noch fehlt. Wäldern wird ja eine zentrale Rolle im Klimaschutz zugesprochen, was auch wichtig und richtig ist. Aber ich habe oft das Gefühl, dass der Blick auf den Boden fehlt. Der IPPC- Report hat Moore auch stark aufgenommen in seine Berichte und damit auch eine umfassende Datenlage dazu gemacht und nochmal die Bedeutung betont. Vielleicht wird dadurch die Aufmerksamkeit auf Moore auch in der Öffentlichkeit mehr steigen.

Heike, vielen Dank für das Interview!

Moore speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt – sogar mehr als alle Wälder der Welt zusammen. Sie bestehen zu 95 Prozent aus Wasser und können als effektive Wasserspeicher helfen, Überschwemmungen und Flutkatastrophen zu verhindern. Obwohl Moore ​nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, speichern sie rund 30 Prozent des erdgebundenen Kohlenstoffs. Werden sie zerstört, verursachen sie ökonomische Schäden in Millionenhöhe.

Viele Moore wurden trockengelegt, um die Flächen landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Doch die Entwässerung hat Folgen: Wird einem Moor das Wasser entzogen, trocknen die Torfkörper aus und Nährstoffe werden freigesetzt. Das Moor kann kein Wasser mehr speichern oder zurückhalten, Kohlendioxid wird freigesetzt. Inzwischen wird im Sinne des Klimaschutzes daran gearbeitet, einige Moorflächen wieder zu vernässen – zum Beispiel durch sogenannte Paludikultur, ein Konzept zur nachhaltigen Bewirtschaftung nasser Flächen. Der Bedarf an Torf ist weiterhin groß, vor allem im professionellen Gartenbau. Industrie und Forschung suchen nach Ersatzstoffen für Torf, doch alle habe ihre Nachteile: Kompost zum Beispiel ist für viele Pflanzen zu nährstoffreich, Holzfasern speichern Wasser nicht so gut und Kokosfasern sind wegen des langen Transportwegs auch ökologisch fragwürdig.

Hobbygärtner sollten im Sinne des Klimaschutzes darauf achten, dass sie auf torffreie Blumenerde zurückgreifen. Und: Anders als manch Gruselgeschichte vermuten lässt, kann man im Moor zwar einsinken, aber nicht untergehen: Moorschlamm hat eine wesentlich höhere Dichte als der menschliche Körper – deshalb drückt er ihn wie einen Korken immer wieder nach oben. Steckt man erst mal bis zur Brust drin, kann man sich allerdings ohne Hilfe kaum befreien und der Körper kühlt im kalten Schlamm aus. Das war vermutlich auch das Schicksal so mancher Moorleiche, von denen mehr als 1.000 in Europa gefunden wurden.