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Bild: Till Wilhelm

„Weich“ als ein experimentelles Coming-of Age Album – Peat im Interview

Lesezeit: 3 Minuten

Was über viele Artists gesagt wird, trifft bei Peat wirklich zu – er lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Der Aachener Musiker veröffentlicht mit „Weich“ sein drittes Album, welches nochmal mehr Genregrenzen sprengt als die vorherigen beiden Alben des Künstlers. Mit bonnFM hat Peat über die Entstehung von „Weich“ gesprochen, wie es ist, independent mit experimenteller Musik einen Platz in der Musikszene zu finden und wie viel Internet eigentlich gesund ist.

Zu experimentell für den Label-Deal

Noch am Tag des Releases seines Albums „Das Fest“ entsteht der Song „Weich“, welcher zur Hymne für das nächste Projekt wird. Fast genau zwei Jahre später ist das gleichnamige Album da, welches nochmal größer, aufwendiger und experimenteller ist, als das letzte. Deswegen soll es dieses Mal Unterstützung von einem Label geben – doch die Suche nach einem Deal ist ergebnislos, denn die Musik ist nicht gerade einfach vermarktbar.

Auf “Weich” hört man wenig von den gewohnten Strukturen aus den großen Spotify-Playlisten. Dafür gibt es ständige Beat-Switches, diffuse Lyrics und ein Mosaik aus Musikgenres. Industrielle und dystopische Sounds wechseln nahtlos mit Surf-Rock, Hyperpop-Elementen oder Piano-Balladen. Dass das außerhalb der Hörgewohnheiten der meisten Musik-Hörer*innen liegt, ist auch Peat bewusst:

“Ich war mir darüber auch vorher im klaren, dass das einfach nicht die Art von Musik ist, die für den Algorithmus besonders gut funktioniert.”

Volle Kontrolle oder zu viel Kontrolle?

Dann eben wieder alles DIY. Das Know-how dafür hat Peat sich schon während der Schulzeit als Hobby-Battlerapper angeeignet. Neben dem Abi gelang ihm 2018 der Sieg im Battle-Turnier VBT. Aus der “Spielwiese” Battlerap ist Peat rausgewachsen. Dafür weiß er heute, wie man große Projekte umsetzt, Videos konzipiert und schneidet und auch mal unter Zeitdruck abliefert. Lediglich mit Fördergeldern und der Unterstützung von Freund*innen entsteht sein drittes Album, zusammen mit einer Vielzahl an Musikvideos, einem Release-Konzert in Berlin und allem drum und dran.

Alles selfmade heißt einerseits komplette kreative Kontrolle, aber bringt andererseits auch Nachteile mit sich, die Peat im Entstehungsprozess von “Weich” vor allem gegen Ende deutlicher denn je gespürt hat. In den letzten Monaten der Albumphase stellt er fest, dass “das eigentlich zu viele kreative Fragen für einen Kopf sind.” Immer wieder lief er Gefahr, durch endloses Überarbeiten von “Details, die am Ende niemandem auffallen”, den Bezug zu seinen eigenen Songs zu verlieren. In Zukunft könnte er sich deshalb gut vorstellen, mehr Aufgaben abzugeben und mit anderen Producer*innen zusammenzuarbeiten.

Ein Album voller Reizüberflutungen

Entsprechend chaotisch geht es auch musikalisch auf dem Album zu. “Ich bin oft sehr reizüberflutet und das hört man auf vielen Songs” – und zwar in Form von ungewohnten Genre-Mixes und teils etwas irritierenden Texten. Peats Musik klingt überladen und ist schwer einzuordnen, weil er die Dinge gerne abstrakter hält. Er “will keine Gefühle diktieren” und mag, dass “jeder seine Lebensrealität darauf spiegeln kann.” Das Album soll gefühlt und gar nicht unbedingt verstanden werden.

Trotzdem gibt es auch ungewohnt konkrete autobiografische Einblicke, wie zum Beispiel auf dem Song “Mr. Rattensau”. Peat erzählt unter anderem davon, wie er mit 13 online Sexting mit älteren Männern erlebt hat. Um dem Album etwas mehr Struktur zu geben, war es ihm wichtig, zwischendurch ein paar deutliche Einblicke zu geben.

“Hier ist Peter so klar, wie er noch nie gesprochen hat und setzt einmal kurz fest, was passiert ist.”

Das Aufwachsen mit dem Internet wird zum roten Faden in einem Album, welches inhaltlich wie musikalisch durchaus herausfordernd sein kann.

Harte Schale, weicher Kern

Auf „Weich“ weiß man selbst beim zweiten oder dritten Hören noch nicht sicher, was einen eigentlich beim nächsten Song erwartet. Das ist vielleicht nicht optimal für den Algorithmus, aber gleichzeitig die große Stärke des Albums. Außerhalb der musikalischen Komfortzone, durchbricht “Weich” die eigenen Hör-Routinen und öffnet einen spannenden Raum für alle, die Lust auf Musik haben, die man so wirklich vorher noch nicht gehört hat. Wer dem Album von Peat eine Chance gibt, wird mit einer einzigartigen Musikerfahrung belohnt, die mit Sicherheit länger als bis zum nächsten Release-Friday im Gedächtnis bleibt.