Menschenhandel, Machtgefälle und tiefe Abgründe. In seinem neuen Thriller “Die Villa” erzählt der Bonner Autor Leon Sachs aus der Perspektive einer jungen Polizeischülerin die Geschichte von einem verschleppten Mädchen und einer spannenden Suche nach diesem. Wir haben Leon Sachs interviewt und waren zu Gast bei seiner Lesung der Neuerscheinung.
“Am wichtigsten ist für mich die Recherche”
Im Interview erzählt uns Leon Sachs von seinen Inspirationen, Herausforderungen und Freuden am Autoren-Dasein. Am wichtigsten, aber auch am schwierigsten ist für ihn dabei die Recherche. Das findet man in seinem Roman an der Liebe zum Detail wieder. Er verrät uns außerdem, warum er trotz seiner Freude an der Recherchearbeit lieber dabei bleibt, fiktive Fälle zu lösen, anstatt selbst als Ermittler tätig zu werden.
Beethovens Mondscheinsonate bei Autogrammen und Vorlesestunde
Die Journalistin und Autorin Margarete von Schwarzkopf hat als Moderatorin bei der Lesung im Thalia am Neumarkt in Köln auf fantastische Art und Weise durch den Abend geleitet. Sie ließ dabei Raum für Fragen, Anmerkungen und vor allem eine anregende Diskussion inhaltlicher Natur über den Kern des Romans. Wir konnten erfahren, wie viel Recherche tatsächlich notwendig war, realitätsgetreu aus der Sicht einer jungen Polizeischülerin die Geschichte zu erleben, welche Anreize für Leon Sachs von Bedeutung waren und was es tatsächlich bedeutet, über politische Themen wie Menschenhandel und Nationalsozialismus zu schreiben. Der Bonner Autor gab uns zudem einen Einblick in das erste Kapitel sowie in wesentliche Stellen, an denen die Protagonist*innen charakterisiert werden. Jene Stellen waren so gewählt, dass wir nicht nur erfuhren, um wen es sich handelt, sondern eine Vorstellung davon, was sie ausmacht, welche Bedeutung sie für die Geschichte haben und was sie verwundbar macht.
Spannung, Plot Twists und ein Hauch Melancholie
Das Buch handelt von Johanna, einer jungen Berliner Polizeischülerin, die sich auf eine Reise nach Hamburg begibt, nachdem ihre Freundin Alice den Verdacht äußert, ihre Cousine aus Nigeria könnte in Gefahr sein. Gemeinsam stürzen sie sich in eine Suche, die ein viel größeres und verwobeneres Netz aus Diplomatie, Rechtsradikalismus, Prostitution und Familienangelegenheiten preisgibt als erwartet.
Die Genrebeschreibung “Thriller” ist hierbei leicht irreführend. Obwohl das Genre vom “Krimi” selbstverständlich nicht allzu leicht zu trennen ist, würde der Roman meiner Ansicht nach dennoch eher unter Letzteres fallen. Wer hier einen Psychothriller á la Shutter Island oder Black Swan erwartet, bei dem man sich als Leser nie sicher ist, wer oder was gerade tatsächlich Realität ist, wird enttäuscht werden. Bis auf einen (doch sehr komplexen) Charakter, wird recht schnell ersichtlich, wer die Guten und wer die Bösen sind. Stattdessen gibt es einen Fall, den es zu lösen gilt. An Spannung muss der Roman allerdings nicht einbüßen: Die Situationen, in die sich die Figuren begeben, überraschen immer wieder durch unvorhersehbare Wendungen. Außerdem haben Johanna und ihre Freund*innen / Begleiter*innen es mit ernstzunehmenden und beängstigend klugen Gegner*innen zu tun. Grusel ist dementsprechend vielleicht nicht an der Tagesordnung, dafür Spannung, Plot Twists und ein Hauch Melancholie.
Schockierend nah an der Realität
Johanna selbst ist zwar möglicherweise etwas naiv, aber das, gemeinsam mit ihrem Sinn für Gerechtigkeit, macht sie sehr sympathisch. Auch ihr Kampf um Ansehen als Frau bei der Polizei wird thematisiert. Und, obgleich frustrierend, Leon Sachs scheut sich nicht, über Sexismus in diesem Berufsfeld zu schreiben. Auch andere politische Themen werden behandelt – vorne heran Menschenhandel in Deutschland.
An dieser Stelle muss ich zugeben, dass mir das Problem vor dem Lesen nie wirklich bewusst war – dass dies hierzulande nicht nur möglich, sondern tatsächlich auch in dem Ausmaß verbreitet ist. Ich danke dem Autor, auf dieses Problem in seinem Roman aufmerksam zu machen. Neben anderen Aspekten wird dieser nämlich vor allem durch eines zu etwas wirklich Besonderem: Die Nähe zur Realität. Das bezieht sich übrigens auch auf die Szenerie: Das beklemmende Gefühl eines regnerischen Tages in Hamburg begleitet die Leser*innen durchweg, wodurch das Buch perfekt geeignet ist für ein paar spannende Lesestunden diesen Herbst.
Der Roman ist für alle gedacht, welche die sympathischen Protagonist*innen auf eine spannende Verfolgungsjagd begleiten möchten. Man merkt Leon Sachs in seinem Schreibstil die Liebe zu seinen Charakteren an und beginnt, Gleiches zu fühlen. Die Geschichte ist mit dem Thema “Menschenhandel” unfassbar augenöffnend. Damit ist sie nicht nur unterhaltend, sondern regt auch sehr zum Nachdenken an.