„Lasst uns heute zusammen nicht allein sein“. Mit diesem Satz eröffnet Ivo Martin am Dienstag im Carlswerk einen Abend voller Musik, persönlichen Geschichten und Zeit mit Freund*innen. Denn genau darum geht es dem Indiesänger bei seiner Nicht-Allein Tour: ums Miteinander, ums Auffangen, und den Wunsch, sich gegenseitig Halt zu geben.
Was uns nicht allein fühlen lässt
„Zeit mit meiner WG verbringen; wenn mich meine Mädels auffangen, wenn es mir schlecht geht; deine Musik hören“. Diese und andere Sätze erscheinen zu Beginn des Konzerts im Carlswerk am Dienstagabend auf der Leinwand, die Teil eines schlichten, aber dennoch süßen Bühnenbilds ist. „Wir haben euch vor der Tour gefragt, was euch nicht allein fühlen lässt. Und ein paar Antworten seht ihr hier“ erklärt Ivo bevor er den zweiten Song bei seinem Kölner Konzert der „Nicht-Allein Tour“ anspielt. Und dieses Motto zieht sich wie ein roter Faden, oder besser gesagt wie das Abendrot bei einem Sonnenuntergang, über den Himmel, durch Ivos gesamte Show. Sogar ins Bühnenbild hat es sein Motto geschafft. Hinter einer aus weißen Laken bestehenden Hügellandschaft, auf der immer wieder kleine Finelinezeichnungen passend zu den Songs eingeblendet werden, ist ein Sternenhimmel aufgezeichnet. „Der ist auch nicht zufällig da“, erklärt Ivo, „denn ich finde die Sterne sind ein gutes Symbol dafür, nicht allein zu sein, weil sie ja auch irgendwie nicht alleine am Himmel sind“.
Nicht neu, aber echt
Ivo erfindet den Indiestil nicht neu und er trumpft auch nicht mit außergewöhnlichen Rhythmen auf. Seine Songs sind für die Crowd nicht durch den Sound an sich besonders, sondern durch das, was er damit transportiert. Weil er in ihnen ehrlich erzählt, was in ihm vorgeht und was in seinem Leben passiert – offen, direkt und ohne Filter. Er teilt Gefühle, die viele kennen, aber die wir oft nicht aussprechen. Es geht um Einsamkeit, um Halt, Liebe, um das Ringen mit sich selbst – und um die Hoffnung, dass man in all dem nicht allein ist. Zeilen wie „Denn wenn ich leide und mich verliere, dann halt mich fest, denn es geht vorbei. Auch wenn ich schreie, dir gar nichts biete, lass mich nicht allein, allein, allein, allein, allein“ drücken aus, was viele Fans denken.
Traditionen, Oversharing und Fails
Man merkt schnell, dass Ivo nicht nur liebt was er tut, sondern auch extrem dankbar dafür ist, das tun zu können. Er nimmt sich Zeit Fangeschenke anzunehmen, sich Plakate anzugucken und spielt sogar einmal einen Song, den sich die Fans gewünscht haben, obwohl er nicht auf der Setlist steht. Er erzählt was hinter dem Bühnenbild und seinen Liedern steckt und freut sich, dass seine Familie an diesem Abend in Köln mit dabei ist. Und obwohl er selbst sagt, er würde auf der Bühne gerne mal oversharen, ist es genau das, was bei den Fans gut ankommt: seine herzliche Art und seine Nahbarkeit. Da ist es auch nicht weiter schlimm, dass er einmal kurz einen Songtext vergisst.
Natürlich ist es auch keine Überraschung, dass die Fans Teil seiner Tour-Tradition sind. Jedes Mal, wenn er auf der provisorischen Bühne im Publikum spielt, schießt er danach ein paar Fotos mit einer Polaroidkamera.
Nicht allein – zumindest für diesen einen Abend
Trotz all der guten Laune und tollen Musik kommen zwischendurch auch ernstere Themen auf. Passend zu seinem Tour Motto spricht Ivo auf der Bühne und in seinen Songs davon, das nicht allein sein in unserer heutigen Zeit gar nicht so leicht ist. Er kritisiert die sozialen Medien und wünscht sich im Song „Broken“ die unbeschwerte Kindheit zurück, die für ihn durch Instagram, TikTok und Co. zerbrochen ist. „Wie oft soll ich mich noch lieben? Sag, wie oft noch Instagram? Noch mehr Haltung, noch mehr Meinung, noch mehr Infos, noch mehr dies und das. Hälfte davon Quatsch“ singt er in einem Song.
Und als ich mich umschaue und sehe, wie die Hälfte der Crowd ihre Handys hochhält, um Videos für genau diese Plattformen zu machen, merke ich, dass etwas sehr Wahres dran ist an dem was er sagt. In dem Moment denke ich, dass es vielleicht nicht so unmöglich ist wie ich dachte, das Handy einmal wegzulegen und zumindest für zwei Stunden Konzert aus meiner Filter-Bubble aufzutauchen und im hier und jetzt zu sein. Vielleicht merken wir dann erst richtig, dass hinter Likes und Filtern immer noch echte Menschen stecken, die sich alle ab und zu allein fühlen. Und vielleicht ist es genau das, was uns am Ende dazu bringt, nicht allein zu sein – die gemeinsame Zeit mit lieben Menschen. Und das bin ich am Ende dieses Abends auch, als ich meine Mädels anschaue, die alle eine genauso gute Zeit haben wie ich und sich in den Armen liegen: nicht allein.