Sechs Jahre nach ihrer letzten Tour hat die „Queen of German Soul“ den Willen zur Live-Musik wiederentdeckt. Mit ihrer „WILLPOWER-Tour 2023“ hat sie am Donnerstag im Kölner Bürgerhaus Stollwerck Halt gemacht. bonnFM war für euch dabei!
Wenn schon, denn schon: Mit diesen Worten fasst Joy Denalane die Intensität ihrer Liebe zusammen, bevor sie den Song „All Of Me“ performt („I can be love, I can be sad, I can be bold / I call you and brighten your day“). Gleichtzeitig lässt sich damit aber auch die Gesamterfahrung bei ihrem Konzert am Donnerstag im Bürgerhaus Stollwerck zusammenfassen. Seien es Uptempo- oder Slowdown-Nummern, seien es Songs auf Deutsch oder Englisch, vom Anfang ihrer Karriere oder vom aktuellen Album „WILLPOWER“: Joy performt alles, als ob ihre letzte Tour nicht sechs Jahre her wäre und die angekündigte 2020er-Tour nicht nach viermaliger Verschiebung abgesagt werden musste. Im Vorfeld der Konzerte hat sie das Touren mit Fahrradfahren verglichen, das man hoffentlich auch nach langer Zeit nicht verlernt. Nach dem Konzert lässt sich feststellen: Sie hat es nicht verlernt.
Eine Karriere ohne Brüche
Warum sollte sie es auch verlernt haben? Voller Selbstbewusstsein kann sie auf das bisher Erreichte zurückschauen: Sie ist seit mehr als 20 Jahren im Musikbusiness, war die erste deutsche Künstlerin, die beim legendären Soul-Label „Motown“ gesignt war und hat unangefochten die Position als „German Queen of Soul“ inne: Die Karriere von Joy Denalane schien ohne große Brüche zu sein. Doch manchmal sind es eben nicht die künstlerischen (Miss-)Erfolge, die über den weiteren Lebensweg entscheiden, sondern prägende Ereignisse im Privatleben.
Zwei Umbrüche führten zum neuen Album
Seit ihrem 2020er-Album „Let Yourself Be Loved” hat sich vieles verändert. Zum einen ist ihr Vater verstorben, den sie im Interview mit der deutschen Vogue als „eine wirklich geliebte und sehr, sehr wichtige Figur“ in ihrem Leben bezeichnet. Ihr Grundempfinden habe sich dadurch stark verändert, ab diesem Zeitpunkt war sie nämlich elternlos (ihre Mutter ist schon vor zwanzig Jahren gestorben). Die „Dauerbewegung“, aus der sie eigentlich Kraft schöpft, sei durch den Verlust des Vaters zu einer Art Stillstand gekommen. Daneben sind auch ihre beiden Kinder ausgezogen, ein weiterer Umbruch, der sie in ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau beeinflusst hat. Zwei Zäsuren, die Joy auf ihrem Album „WILLPOWER“ verarbeitet, das Ende Oktober erschienen ist.
70s-Soul mit fröhlichem Grundtenor
Mit dem Wissen um die Ereignisse in Joys Leben könnte man vermuten, dass das Album eine gewisse Schwere hat. Diese Sorge kann aber genommen werden: das Album, das am Sound des 70s-Soul orientiert ist, lässt sich auch an grauen Herbsttagen gut anhören. Der Auszug der Kinder wird zum Beispiel auf dem Song „Hideaway“ nicht mit Trauer verbunden, sondern mit der Freude endlich wieder nur mit dem Partner verreisen zu können („Waking up with the birds / Cause boy we deserve to be finally free“). Auch der Tod des Vaters wird auf dem Song „Happy“ nicht nur mit dem Gefühl der Traurigkeit verbunden. Zwar singt sie auch von einer gewissen Ratlosigkeit nach dem Tod einer elementaren Person („Don’t know how this life works without you“), die zentrale Zeile beschreibt aber eher die bittersüße Komponente dieses Verlustes, nämlich die Freude darüber, in den letzten Tagen und Wochen eng beieinander gewesen zu sein („But I am happy / That you let me lay down right beside you“).
Harte Streaming-Realität
Diese Vielfalt an Themen und Anregungen, Dinge anders zu sehen, bekommt man auch auf ihren Konzerten, verbunden aber immer mit einer Rückkopplung ans Hier und Jetzt. So macht sie bei ihrem Konzert auch auf die prekäre Lage von Künstler*innen im Streaming-Zeitalter aufmerksam, in der die digitale On-Demand-Vermarktung von Songs bei den wenigsten Artists für den Lebensunterhalt reicht. Ihre Lösung: Kauft physische Tonträger! Einer Empfehlung, der wir uns beim Album „WILLPOWER“ und beim Werk von Joy Denalane nur anschließen können.