‚The Best of Both Worlds‘ wie bei Hannah Montana – das erlebt gerade die deutschsprachige Indie-Pop-Band RAUM27. Denn Tristan und Mathis touren in den aktuellen Semesterferien mit ihrem neuen Album „Keine Tränen“ durch Deutschland und Österreich. Auch am 15.03.2025 in der Live Music Hall in Köln verbreiteten sie demokratische Werte, familiäre Stimmung und Liebe!
Keine Tränen
Irgendwie tut gerade vieles weh. Vor allem Prüfungen und Politik machen mir Angst. Wie kann ich mich auf eine Hausarbeit konzentrieren, wenn da draußen die Welt brennt? In Tristans und Mathis‘ Texten finde ich mich wieder. Ihre Melodien helfen mir durchzuatmen. Heute Abend fühlt sich an wie eine große Umarmung. Ich spüre sofort, dass RAUM27 Menschen zusammengebracht hat, die sich größtenteils nicht kennen, die aber Schmerzen und Freude teilen.
Von der Band ist noch nichts zu sehen. Doch es ist eindeutig, für wen wir heute hier sind: Der Hintergrund des Bühnenbildes zeigt die rosa-blauen Wolken des „Keine Tränen“ Album-Covers. Darüber hängen drei durchgestrichene Tränensymbole, die später noch aufleuchten werden. Auf der Bassdrum und den T-Shirts der Leute steht das RAUM27 Logo. Die Supporting Acts sollen um kurz vor Sieben starten – diesmal sind es sogar zwei: erst die Rapperin Liser, dann Rapperin Vita. Doch das Warten scheint niemanden etwas auszumachen. Es bilden sich Sitzkreise und Kartenspiele werden ausgepackt, als wären wir eigentlich nur hier, um mit Freund*innen rumzuhängen.
„Nein, es liegt nicht an den Outfits, nicht, wie wir tanzen“
Von den beiden Supporting Acts ergreifen mich vor allem Vitas Zeilen, aber auch ihre Worte zwischen den Songs. Sie betont, dass sie am liebsten feministische Lieder schreibt und kündigt ihren Track Benimm Dich mit dem Satz „Nein heißt nein!“ an. Damit macht sie sich gegen sexuelle Missbräuche stark. Ey Digga und Böllern, zu dessen Beats Arme in die Luft gehoben werden, Scheinwerfer flackern und man nicht anders kann als mit Vita mitzuspringen, werden zu meinen persönlichen Highlights. Zum Ende folgt großer Applaus der Menschenmenge. Bevor das eigentliche Konzert überhaupt startet, bin ich verschwitzt und voller Adrenalin.
Für die Liebe!
„Für Demokratie, für Toleranz, für Gleichberechtigung – und Köln, für die Liebe!“
Das ruft Tristan von RAUM27 in die ausverkaufte Halle und beschreibt so ziemlich den ganzen Abend. Die Songs von Mathis und Tristan reichen von persönlichen bis zu gesellschaftlichen Themen und finden auch irgendwie dessen Gemeinsamkeiten. Das zeigt sich auch im Musikalischen: Es geht von Pop-Melodien, über Hymnen und Balladen bis hin zu rockigen Anteilen. Die Menge um mich herum scheint dabei textsicher. Ich merke, wie ich mir selbst immer wieder die Hand aufs Schlüsselbein lege, berührt von den Zeilen, von Tristans Stimme, der Musik. Es wird viel gesprungen, gesungen, getanzt und gelacht. Aus Händen werden Herzen geformt. Im Vordergrund des Abends steht, eine unvergessliche Zeit zu haben und Liebe zu verbreiten.
Während Tristan und Mathis samt Liveband auf der Bühne performen, ist das Publikum in ständiger Bewegung: Von Moshpits bis zu Kreisen, in denen sich die Leute beim Song Oft gesagt an den Händen halten und tanzen. RAUM27 verbreitet eine familiäre, vertraute Stimmung als sich Tristan durch die Menge reichen lässt oder auch inmitten des Publikums singt. Mit dem Cover von Hannah Montana‘s The Best of Both Worlds (das ich bitte, bitte auf Spotify haben möchte!) drücken die beiden aus, wie verrückt und aufregend diese Tour für sie selbst ist.
Die Band sorgt aber auch für ruhigere, tiefgründige Momente. Als sich Tristan für den Song Feuerwehr ans Klavier setzt, stimmt er spaßeshalber Tommi an. Das lässt sich Köln nicht entgehen und die Leute setzen fort: Einfach Hineinsehen. Zuschauen wie Schiffe vorbeiziehen. Der gebürtige Bremer fragt in die Menge: „Habt ihr hier überhaupt Schiffe?“ Lautes Lachen.
Mitten im Song Seifenblase erscheint der Rapper CONNY auf der Bühne und vervollständigt den Rap-Part. Anschließend performen RAUM27 und CONNY als Überraschung ihren neuen gemeinsamen Song Mauern, der am Tag zuvor erschienen ist. Damit versuchen die Künstler nicht nur Grenzen zwischen Musikgenres, sondern auch die eines Generationstraumas zu brechen: Männer sprechen nicht nur eine Muttersprache, sondern auch ein Vaterschweigen. Was würde passier‘n, wenn wir zu sprechen anfang‘n? Würd‘ unser Generationstrauma zu brechen anfang‘n?
Bitte, bitte in Dauerschleife
Irgendwie hat mich dieser Abend mit ganz viel Liebe erfüllt. Ich musste Weltschmerz und Prüfungsangst nicht ignorieren, sondern konnte sie ein bisschen mehr raustanzen. Gerade beim letzten Song Keine Tränen konnte ich nochmal alles herausschreien. Auch als die Band längst die Bühne verlassen hatte und das Licht wieder angeschaltet wurde, hielten die Menschen den Moment ein bisschen länger fest: Wir tanzten und sangen einfach weiter zur Playlist, die abgespielt wurde. Als wären wir nicht dafür bestimmt zu gehen. Beim Verlassen der Live Music Hall schwirrten noch die Zeilen Alles fühlt sich so doll an, toll an durch meinen Kopf – mit dem Wunsch, die letzten zwei Stunden in Dauerschleife genauso wieder zu erleben.
