Am feministischen Kampftag am 8. März führten unsere Reporterinnen Carlotta Grünjes und Tess Kadiri ein Gespräch mit EU-Vizepräsidentin Dr. Katarina Barley über traditionelle Rollenverteilung und Frauen in der Corona-Pandemie.
Frauen sind von der Corona-Pandemie weltweit stärker betroffen als Männer. Männer erleben zwar häufiger einen schwereren Krankheitsverlauf als Frauen, Frauen sind jedoch psychisch und finanziell stärker betroffen. Das zeigen mehrere sowohl internationale als auch deutschlandweit durchgeführte Studien von Soziolog*innen. In Deutschland ist besonders stark zu beobachten, dass traditionelle und eigentlich überwunden geglaubte Rollenverteilungen wieder zum Vorschein kommen. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat sich der Anteil der Familien, in denen sich hauptsächlich oder ausschließlich die Frauen um die Kinderbetreuung kümmern seit letztem Jahr innerhalb der Corona-Pandemie verdoppelt. Die Studie zeigt auch, dass Frauen im Homeoffice mehr Zeit mit Sorge- und Betreuungsarbeit verbringen als ohne Home-Office, bei Männern ist das dagegen nicht so.
Wie wirken sich diese Ungleichheiten langfristig auf dem Arbeitsmarkt aus?
Die Soziologin Prof. Lena Hipp sagt im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass die Last von Home-Schooling und Home-Office eine fast unmögliche Doppelbelastung sei. Diese würde in Deutschland in übergroßem Ausmaß von nur einer Bevölkerungsgruppe getragen, nämlich von den Frauen. Sie mache sich vor allem Sorgen um langfristige Folgen von dieser Ungleichverteilung: Wann können Mütter wieder so in ihrem Beruf arbeiten, wie sie das gerne möchten? Steigen sie später wieder ein als ihre männlichen Partner? Werden Beförderungsentscheidungen zugunsten derer getroffen, die früher wieder vor Ort sein können oder auch jetzt im Moment höhere Leistungen erbringen? Wie sollen Frauen vergleichbar gute Leistung in ihrem Job erbringen, wenn sie unter ganz anderen Bedingungen arbeiten als Männer?
Und was sagt die Politik?
Mit all diesen Fragen im Gepäck haben wir EU-Vizepräsidentin und SPD-Politikerin Dr. Katarina Barley zum Interview getroffen. Sie erzählt, wie erschreckend sie die Entwicklung für Frauen beobachtet und betont auch, dass nicht nur während der Pandemie versäumt wurde, Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen, sondern dass diese Versäumnisse weit vorher liegen. Sowohl Deutschland- als auch EU-weit sei es dringend notwendig, mehr Gesetze und Initiativen besonders auf dem Arbeitsmarkt voranzutreiben, um Frauen zu fördern und die Gleichberechtigung zu erreichen. Als „frustrierend“ bezeichnet sie es, dass die seit 16 Jahren in Deutschland regierende CDU in ihren Augen keinen Handlungsbedarf in dem Gebiet sehe und Gesetzesentwürfe blockiere.