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Bundestagswahl 2025: Die Parteien zur Migration

Lesezeit: 6 Minuten

Kein Thema macht zurzeit emotional mehr mit den Deutschen als Migration – es bewegt sie an die Wahlurne und es bewegt sie auf die Straße. Zehntausende Menschen in ganz Deutschland demonstrieren seit dem 29. Januar voller Sorge gegen „Den Fall der Brandmauer“. Doch welche Zukunftspläne haben die Parteien? Und wo sehen sie überhaupt die großen Baustellen in der deutschen Migrationspolitik?

Am Mittwoch letzter Woche brachte Kanzlerkandidat Friedrich Merz erstmals einen Antrag für verschärfte Migrationspolitik mithilfe von AfD Stimmen durch. In den letzten Wochen vor der Wahl möchte die CDU-Fraktion mithilfe ihres Fünf Punkte Plans noch ein Zeichen setzten: Mit Ihnen soll es in der Migrationspolitik nicht so weiter gehen wie vorher. Der Gesetzesentwurf für ihr sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz, welches Familiennachzug einschränken und der Bundespolizei mehr Befugnisse für zügige Abschiebeverfahren garantieren sollte, wurde am Freitag allerdings mehrheitlich abgelehnt.

Der ARD-Deutschlandtrend zeigt: Neben der Wirtschaft wird Migrationspolitik am 23. Februar das wichtigste Thema für die Wahlentscheidung sein. Dabei wird das Thema vor allem mit dem Thema Sicherheit verbunden. Seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg erleben wir eine härtere Rhetorik gegenüber Asylant:innen, die von einigen Parteien als Bedrohung dargestellt werden. Nach der Messerattacke in Aschaffenburg verhärtet sich der Ton im Wahlkampf nun erneut. Bei dem Angriff vor zwei Wochen tötete ein 28-jähriger Afghane den 2-jährigen Yannis und den mutig einschreitenden Kai-Uwe D mit einem Küchenmesser. Yannis hatte marokkanische Wurzeln, Kai-Uwe war Deutscher. Weitere Personen wurden verletzt, darunter auch ein 2-jähriges Mädchen aus Syrien, das mit drei Messerstichen im Halsbereich ins Krankenhaus gebracht wurde.
Das ist unser Stand heute. Doch wo sehen die Parteien die großen Baustellen in der deutschen Migrationspolitik? Die meisten fordern einen strengeren Kurs, mehr Kontrolle und Abschiebung. Dennoch gibt es Unterschiede.

CDU/CSU – Faktischer Aufnahmestopp

„Unser Plan: Illegale Migration stoppen. Zu unserer humanitären Verantwortung stehen. Wir handeln.“

Mit diesem Versprechen beginnt der Abschnitt zum Thema Migration im Wahlprogramm der Union. Die Forderungen darin decken sich mit dem am Mittwoch vorgelegten Fünf Punkte Plan. Die CDU möchte dauerhafte Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen und eine Zurückweisung aller Personen ohne gültige Einreisedokumente. Um das Umzusetzen will sie in moderne Grenzsicherungstechnik investieren. 

Für die Menschen, die bereits hier leben, möchte die CDU den Familiennachzug aussetzen und mehr Sach- statt Geldleistungen priorisieren. Sie ist für eine flächendeckende Bezahlkarte und setzt auf den „von Gerichten aufgestellten Grundsatz Bett, Brot und Seife“. Wo es möglich ist, sollen Migrant:innen gar keine staatlichen Leistungen mehr erhalten.

Um „Asylverfahren zu beschleunigen und Rückführungen zu erleichtern“ will die CDU weitere Länder als sichere Herkunftsländer einstufen. Wer bei der Rückführung nicht kooperiert, soll von der Bundespolizei vorübergehend in Haft oder Ausreisegewahrsam genommen werden. Die CDU betont explizit „regelmäßig“ nach Afghanistan und Syrien abschieben zu wollen.

Der gescheiterte Antrag der CDU enthielt zudem die Forderung nach Vorratsdatenspeicherung. Die Befugnisse der Bundespolizei sollten demnach auch einen Ausbau der elektronischen Gesichtserkennung erweitert werden. Telekommunikationsunternehmen sollten zur Speicherung von IP-Adressen verpflichtet werden, mit denen sich die Geräte von Geflüchteten im Internet identifizieren lassen.

Merz brachte persönlich einen weiteren Vorschlag auf den Tisch, der für viel Kritik sorgte. Straffällig gewordenen Doppelstaatler:innen solle die deutsche Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden können. Die Ampelregierung hatte im Sommer letzten Jahres durch das Staatsangehörigkeitsrecht eine doppelte Staatsbürgerschaft für Menschen, die schon lange in Deutschland leben grundsätzlich möglich gemacht.

SPD – Freiwillige Ausreise, bis es nicht mehr geht

„Klar ist: Wer sich nicht an die Regeln hält, muss wieder gehen. Doch wer auf Schutz angewiesen ist, dem gewähren wir Schutz.“

In ihrem Regierungsprogramm verspricht die SPD: „Wir kämpfen für eine moderne Einwanderungsgesellschaft.“ Dabei betont sie, dass Deutschland „als alternde Gesellschaft (…) auf Zuwanderung angewiesen“ sei. Probleme möchte sie durch verbesserte Integrationskurse und entbürokratisierte Ankunftsstrukturen angehen.

Zwei konkrete Gesetze schweben der SPD vor. Mit dem Partizipationsgesetz möchte sie es Migrant:innen leichter machen „sich in allen relevanten Bereichen- von Bildung und Arbeit bis hin zu politischer Mitbestimmung“ einzubringen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll es qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland leichter machen nach Deutschland zu kommen.

Die SPD lehnt „Grenzschließungen und Pauschalzurückweisungen an den Binnengrenzen“ ab, möchte stattdessen auf einen stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen setzen. Dabei sollen „zu jeder Zeit alle rechtsstaatlichen und humanen Bedingungen (…) gewährleiste(t)“ werden. Sie verweist auch auf das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das 2026 in Kraft treten soll.

Die Partei betont, Familienzusammenführung soll bleiben und auch am Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan werde nicht gerüttelt. Die Drittstaatenidee lehnt die SPD generell ab, stattdessen bekennt sie sich zur Seenotrettung und will mit „einer verstärkten Entwicklungszusammenarbeit (…) Fluchtursachen wirksam bekämpfen.“

Die Grünen – Ordnung ins Chaos bringen

„Deutschland ist und bleibt ein Einwanderungsland. (…) Deshalb braucht es eine echte Willkommenskultur.“

Auch Die Grünen betonen, dass Deutschland auf „Fach- und Arbeitskräfte angewiesen (ist), um Wohlstand zu sichern und als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben.“ Sie bekennt sich zur Genfer Flüchtlingskonvention und formuliert klar: Kinder brauchen ihre Eltern, Eltern brauchen ihre Kinder. Der Familiennachzug soll also bleiben.

Der Bürokratie sagt sie durch eine überfällige Digitalisierung der Visavergabe den Kampf an. Berufs- und Bildungsabschlüsse entbürokratisieren, mehr Integrations- und Sprachkurse schaffen und psychosoziale Hilfe für vulnerable Gruppen sicherstellen, all das, schreiben sich die Grünen auf die Fahne. 

Die weitere Einstufung von Ländern als sichere Drittstaaten schließt sie nicht aus, betont aber, dass keine Verfahren ausgelagert werden sollen. Der Fokus solle auf „zügigen und fairen Verfahren“ in Deutschland liegen. Mit Ihnen soll es aber keine dauerhafte stationäre Kontrolle der Binnengrenzen geben und sie bekennen sich zur Seenotrettung.

Ähnlich wie die SPD beruft sie die Partei auf die Reform des GEAS und setzt auf stärkere Kooperation auf europäischer Ebene. Sie fordert ein effektives Menschenrechtsmonitoring und „menschenrechtsbasierte Zusammenarbeit mit Dritt- und Transitstaaten“, in Form von Migrationsabkommen. Diese sollen „Migration besser ordnen bzw. steuern.“

Auch die Grünen wollen im Zweifelsfall Abschieben. Im vorläufigen Programm heißt es: „Wer nach individueller Prüfung (…) sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel kein Aufenthaltsrecht hat und bei dem keine Abschiebehindernisse entgegenstehen, muss zügig wieder ausreisen.“ Besondere Priorität sollen dabei Menschen sein, „die schwere Straftatenbegangen haben.“

FDP – Wer arbeitet darf bleiben

„Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme.“ „Ein Job ist außerdem der beste Integrationskurs“

Die Freien Demokraten setzen den Fokus bei der Migrationspolitik auf einen schnellstmöglichen „Zugang zum Arbeitsmarkt, damit (Migrant:innen) auf eigenen Füßen stehen.“ Sie wollen eine Neuorganisation der behördlichen Strukturen garantieren, damit Menschen, die arbeiten wollen, es „nur noch mit einer staatlichen Stelle zu tun haben.“

Sie möchten „die bestehenden Integrationskurse auf ihre Wirksamkeit (überprüfen)“, da der derzeitige Ansatz sich als „ineffektiv und kostspielig“ erwiesen hätte. Alle Kurse „müssen berufsbegleitend durchführbar sein.“ Statt Geld- setzt die FDP mehr auf Sachleistungen und möchte genauso wie die CDU eine flächendeckende Bezahlkarte. Der Familiennachzug soll ausgesetzt werden und Aufnahmeprogramme pausiert.

Eine schnellere Rückführung soll durch eine Zentralisierung auf Bundesebenegewährleistet werden. Asylverfahren sollen auch in Drittstaaten stattfinden und die Freien Demokraten wollen „Zurückweisung an den deutschen Außengrenzen erproben“ um „irreguläre Migration“ zu beschränken.

Auch die FDP möchte eine stärkere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Besonders wichtig soll dabei die europäische Grenz- und Küstenwache FRONTEX sein, die bei dem Schutz der Außengrenzen und der „Bekämpfung irregulärer Migration und Schleußerkriminalität“ gestärkt werden soll. Migrationsabkommen, wie die EU-Türkei-Flüchtlingsvereinbarung sollen auch eine zentrale Rolle spielen, sagte Ex-Justizminister Marco Buschmann in einer Rede.

AfD – Gewahrsamszentren und Gefängnisse an der Grenze

„Die Folgen (der unverantwortlichen Politik der offenen Grenzen) sind ungesteuertes Bevölkerungswachstum, Überforderung der Staatsfinanzen, signifikant ansteigende Kriminalität, Gefährdung der sozialen Sicherungssysteme und des Wohnungsmarktes.“

Einordnung: Einige dieser Aussagen sind aus dem Kontext gerissen (hier in fett markiert). Deutschland leidet aufgrund des demografischen Wandels an einer stagnierenden und überalternden Gesellschaft. Seit der Wiedervereinigung sterben in Deutschland jedes Jahr mehr Menschen als Kinder geboren werden. Ohne Migration würde die deutsche Bevölkerung kontinuierlich schrumpfen. Nach der ersten Schätzung des statistischen Bundesamtes wuchs die Bevölkerung 2024 um knapp 100.000 Menschen. Mehr dazu hier.

Die Überforderung äußert sich mehr in der finanziellen Situation der Kommunen, die aber ein generelles kein konkretes Finanzierungsproblem haben, da der Bund sie seit Jahren mit Aufgaben überfrachtet.

Einen direkten Zusammenhang zwischen Herkunft und Kriminalität gibt es nicht. Wohl aber einen zwischen Kriminalität und jungen Männern. Mehr dazu hier.

Die AfD erklärt das GEAS als gescheitert und möchte sich „im Rahmen eines Opt-Outs nicht länger an der gemeinsamen Politik der EU im Bereich Asyl (…) beteiligen.“ Sie möchtestattdessen eine umfangreiche Binnengrenzen-Kontrolle einführen und „Gewahrsamszentren an der Grenze“ realisieren und „Haft- und Gewahrsamsplätze“ in Grenz- und Flughafen-nähe ausbauen. Die Genfer Flüchtlingskonvention und die Menschenrechtskonvention möchte sie so weit abändern, bis dies möglich wird. 

Deutschland soll kein „Asylparadies“ mehr sein, so die Forderung. Demnach sollen Asylverfahren komplett ausgelagert, das Aufnahmeprogramm für Afghanistan und der Familiennachzug grundsätzlich eingestellt und die Seenotrettung nicht mehr gefördertwerden. Sozialleistungen sollen möglichst nur durch Sachleistungen erbracht werden, auch die Bezahlkarte soll eine Ausnahme bleiben.

Es soll keine Arbeitserlaubnis mehr für „Asylantragsteller und abgelehnte Asylbewerber“ geben und sie sollen für die Dauer des Asylverfahrens in „zentralen Aufnahmeeinrichtungen“ leben. Menschen ohne Bleiberecht will die AfD im Rahmen eine „umfassenden Rückführungsoffensive“ abschieben. „ausländische Gefährder, Extremisten und Schwerkriminelle“ sollen dabei sofort entweder in ihre Herkunftsländer oder in sichere Drittstaaten abgeschoben werden. Alle bisher subsidiär schutzberechtigten Syrer:innen will die AfD nun in ein Widerrufsverfahren schicken.

Mehrfache Staatsangehörigkeiten „bergen die Gefahr von Loyalitätskonflikten“ und seien deshalb wieder abzuschaffen. Kinder, die hier geboren werden und Menschen, die schon lange hier leben sollen auch nicht nur die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen können. 

BSW – Unkontrollierte Migration stoppen

„Die im europäischen Vergleich sehr hohen sozialen Leistungen für Asylbewerber und Flüchtlinge haben eine große Anziehungskraft.“

Das BSW verbindet das Thema Migration mit vielen Alltagsproblemen. So sprechen sie in ihrem Wahlprogramm „überfüllte Klassen“, Ängste von Frauen und zu hohe Mieten an. Diese Entwicklungen sieht die neue Partei als Folgen von „unkontrollierter Migration“. Sie will Deutschland in den nächsten Jahren „eine Atempause“ verschaffen. 

Die europäische Politik findet das BSW „dysfunktional“ und möchte deshalb Asylverfahren„nach Möglichkeit“ in sichere Drittstaaten auslagern. Abschiebungen sollen „endlich wieder“ schnell und hart durchgesetzt werden, besonders bei Zuwanderern, „die in schwerer Weise mit dem Gesetz in Konflikt kommen.“ Ausnahmen soll es geben, wenn betroffenen im Herkunftsland die Todesstrafe droht.

Das BSW will „den versprochenen Jobturbo für Ukrainer und andere Flüchtlingsgruppen mit Schutzstatus“ umsetzen, um das Bürgergeld zu entlasten.  Außerdem soll es eine „Neuausrichtung der EU-Außen- und Handelspolitik“ geben, um die Lebensqualität in Herkunftsländern zu verbessern. Außerdem verbindet sie die Ursachenbekämpfung mit ihrer Forderung eines Exportstopps für Waffen.

Die Linke – Keine Abschiebungen mehr

„Die Linke steht für eine solidarische Einwanderungsgesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von Pass, Herkunft und Hautfarbe, kultureller oder religiöser Zugehörigkeit die gleichen Rechte und Chancen haben.“

Die Linke möchte die Transformation zur Einwanderungsgesellschaft antreiben. Mit ihnen soll es keine Abschiebungen, auch nicht von Straftäter:innen geben. Das GEAS lehnt sie ab, da sie sich generell gegen systematische Binnengrenzkontrollen und Zurückweisung ausspricht. Auch Asylverfahren in Drittstaaten lehnt die Linke klar ab.

Sie fordern Empathie gegenüber der Lage von Geflüchteten und fordert „die Anerkennung von Klima- und Umweltschäden sowie Armut als Fluchtgründe“. Die Partei will in Seenotrettungsprogramme statt in FRONTEX investieren, gegen Pushbacks vorgehen und „Flüchtlingsdeals mit der Türkei, den Milizen und Diktatoren“ aufkündigen. Um Fluchtursachen zu bekämpfen, fordern sie Klimagerechtigkeit und wollen aufhören„Fluchtursachen wie Waffen, (…) sowie Armut zu exportieren.“ Die Lösung sehen sie in der Überwindung „globaler Ungerechtigkeiten.“

Geflüchtete sollen ab Tag eins uneingeschränkt arbeiten dürfen, Bezahlkarten und Sachleistungen lehnt sie geschlossen ab und fordert stattdessen „reguläre Geldleistungen auf Höhe der solidarischen Mindestsicherung für alle Menschen.“ Auch die Linke fordert ein Bundespartizipationsgesetz und will Menschen nach fünf Jahren in Deutschland die Einbürgerung ermöglichen. Hier geborene Kinder- und Jugendliche sollen die deutsche Staatsbürgerschaft direkt erhalten.