Spätestens seit dem Kinofilm 300 kennt ihr alle Xerxes. Georg Friedrich Händel hat die historische Figur als Operncharakter mit aufwühlendem Liebesleben adaptiert. Das Stück läuft nun in der Oper Bonn.
In der Bonner Oper wurde in dieser Spielzeit eine Xerxes Premiere gefeiert. Dafür hat das Haus am Rhein den italienischen Theaterautor und Regisseur Leonardo Muscato gewonnen, der hiermit sein Deutschlanddebut feiert. Die Hauptfigur der Händel Oper Xerxes ist der persische Großkönig selbst. Allerdings handelt die Oper nicht von den Taten der historischen Figur, sondern ist vielmehr eine fiktive Liebesgeschichte mit einem Handlungsstrang, der auch bei Gute Zeiten Schlechte Zeiten durchgehen würde.
Worum geht es also in dieser Barock-Oper, die 1738 uraufgeführt wurde?
Achtung, jetzt wird es kompliziert: Xerxes ist verlobt, verliebt sich aber in eine neue Frau. Diese neue Frau heißt Romilda und ist unpraktischerweise in Xerxes’ Bruder verliebt. Xerxes versucht sie für sich zu gewinnen, scheitert aber. Wer daran Schuld ist, ist für Xerxes schnell klar: Sein Bruder Arsamene.
Irrungen und Wirrungen
Die Verlobte von Xerxes, Amastre, wird mittlerweile misstrauisch und belauert Xerxes. Als kaiserlicher Soldat getarnt bekommt sie den Beweis für Xerxes Schwärmerei und will sich umbringen. Nach zahlreichen Intrigen, Mordbefehlen und einer falsch verstandenen Hochzeit entschuldigt sich Xerxes bei seiner Verlobten und alles ist wieder gut.
Bonn zeigt diese Geschichte mit poppig-überdrehtem Bühnenbild und knallig-bunten Kostümen. Der Stil der Bühnenbildelemente erinnert an ein Kinderbilderbuch. Bewegliche Fassadenelemente werden kombiniert mit zweidimensionalen Aufstellern, die an ein Mobile erinnern.
Sacha Baron Cohen auf der Bühne?
Am auffälligsten sind die überdimensionierten Abbilder des Herrschers Xerxes. In diesen wird eine Assoziation deutlich, die bereits bei dem Kostüm des Xerxes (Luciana Mancini) aufkommt. Xerxes sieht nahezu exakt so aus, wie die Kunstfigur „Der Diktator“ von Sacha Baron Cohen. Er trägt einen langen Bart, eine lilafarbene Uniform mit unzähligen Orden und, um die Lächerlichkeit auf die Spitze zu treiben, eine große Sonnenbrille, die keck nach oben geklappt werden kann. Waffen und Panzer sind pink und auch die Kostüme der anderen Figuren könnten aus der Welt von Mary Poppins stammen.
Atombombe statt Naturliebe
Und hier ist die zweite Ebene des Stücks verortet, die über die wilde Liebesgeschichte hinaus geht. Das Stück nimmt die historische Figur eines Großkönigs und setzt sie in einen aktuellen Bezug. Schon zu Beginn des Stücks bei Ombra mai fu wird dies deutlich. In der berühmten Arie besingt Xerxes mit gradezu pastoralem Charakter und völlig liebestrunken einen Baum. Der Mensch im Einklang mit der Natur. In Muscatos Inszenierung befindet sich Xerxes allerdings vor einer Atombombe, der er seine Liebe widmet.
Im Programmheft finden sich hierzu weitere Informationen und der Bezug zu absurdem Personenkult in Nordkorea und Russland wird gezogen. Die egozentrische Welt von Diktatoren der heutigen Zeit wird persifliert und die Herrscher werden als unerzogene Kinder dargestellt, die sich in ihrer bunten Welt vielleicht gar nicht des Schadens, den sie anrichten bewußt sind. Diese Umsetzung ist nicht neu und wenig subtil, lässt den Abend aber kurzweilig und unterhaltsam werden.
Eher selten in der Oper und hier fantastisch umgesetzt, wird das Publikum integriert. In einem beeindruckendem Moment des Abend interagiert eine Sängerin mit dem Publikum und lässt es mitten im Applaus verstummen, ganz so wie früher Stefan Raab.
Der Abend ist vielfältig und politische Bezüge werden mit Hits der Unterhaltungsindustrie verschmolzen. Am Ende gibt es einen begeisterten Applaus für die fantastische Leistung auf der Bühne und einen leicht bitteren Nachgeschmack, weil die absurd überzeichneten Charakter der Realität gar nicht so fern sind.
XERXES | Trailer from Theater Bonn on Vimeo.