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Die Wahl zur Wahl

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Die bonnFM Kolumne

Die Europawahl steht an und sollte eigentlich das Thema Nummer Eins sein. Aber irgendwie läuft man doch an zu plakatierten Straßenlaternen entlang, ohne die Wahl richtig wahrzunehmen. Warum sollte man denn überhaupt wählen gehen?

„Wenn ich dieses Jahr wählen gehe, dann wähle ich ehrlich gesagt das kleinste Übel“, das war meine Antwort auf die Frage, ob ich schon weiß, welche Partei ich am 26. Mai bei der Europawahl wählen werde. Das ist jetzt schon einige Wochen her und irgendwie weiß ich es immer noch nicht. Dass die Europawahl ansteht erkennt man allein daran, dass Influencer mit den blauen Europapullis die Instagram-Kanäle fluten und Politiker einen von ihren mehr oder weniger perfekt bearbeiteten Wahlplakat aus anlächeln. Gelegentlich sind diese Fotos dann auch noch mit einem netten Wahlslogan unterlegt. Auf die Europawahl aufmerksam wird man auf jeden Fall schon einmal. Sich dann aber aktiv mit der Wahl auseinander zu setzen, ist jedem dann doch selbst überlassen.

Das Wählen wird uns doch so leicht gemacht

Es kann so viel Werbung für die Wahl, für Europa, oder für die persönlichen Interessen gemacht werden, dennoch lassen sich viele Menschen nicht überzeugen, den Schritt zur Wahlurne zu machen. Wenn man sich die Wahlbeteiligungen von uns Jüngeren anschaut, sieht es oft so aus, als würde auch der kreativste Wahlspruch nichts bringen. Dabei ist es in Deutschland, als deutscher Staatsbürger, eigentlich so einfach wählen zugehen. Schaut man sich die Wahl im Mai an: Anfang des Monats wurden die Wahlbenachrichtigungen verschickt. Diejenigen, die am 26. Mai keine Zeit haben zu wählen, können per Briefwahl wählen. Aber warum gab es dann nur eine Wahlbeteiligung von knapp über 35 Prozent bei den 21- bis 24-Jährigen bei der letzten Europawahl 2014? An den fehlenden Wahlinformationen kann es ja nicht liegen. Vielleicht ist uns nicht bewusst, welches Privileg es ist wählen zu dürfen. Wir kennen es nicht anders – vielleicht scheint uns Europa zu selbstverständlich zu sein.

Es gibt noch viel zu diskutieren in Europa

„Aus der EU will doch eh keiner austreten“, das war ein Gedanke, mit dem viele Menschen aus meinem Umfeld, mich eingeschlossen, bis 2016 durch die Welt gelaufen sind. Es kam bekanntermaßen anders. Wir haben das Jahr 2019 und das erste Land wird aus der Europäischen Union austreten wird. Nur 26 Prozent der 18- bis 24-jährigen Briten hat damals von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht! Nun entscheiden wir bei der Europawahl nicht, ob Deutschland aus der EU austreten soll, aber dennoch lenken wir Europa mit unserer Wahl. Wird es eine europäische Armee geben? Soll es weiterhin Atomkraftwerke geben? Wie geht es mit der Digitalisierung voran? Das sind Probleme, die noch nicht ausdiskutiert sind. Diese Themen werden besprochen von den Menschen, die wir mit unserer Stimme ins europäische Parlament setzen. Es kann nicht sein, dass die ältesten Generationen allein entscheiden, wohin der europäische Weg uns führen wird. Die werden sich kaum für die Digitalisierung interessieren. Diese Themen müssen diskutiert werden und zwar von uns Schülerinnen und Schülern, Studierenden, Azubis und allen anderen, die vielleicht auf dem Weg zur Arbeit unbewusst am Wahlplakat vorbeifahren.

Demonstrationen zeigen ein Interesse an der Wahl

Wir dürfen nicht erwarten, dass uns Europa hinterhergetragen wird. Europa funktioniert nur durch aktive Mitarbeit. Man muss vielleicht nicht allem zustimmen, was da in Brüssel beschlossen wurde, aber es wird nichts verändert, wenn man zu Hause sitzt und sichüber die „bösen“ Politiker aufregt. Die vielen Demonstrationen in den letzten Wochen unteranderem in Köln, Leipzig und Hamburg, haben gezeigt, dass ein Interesse an Politik und der Mitentscheidung auch bei vielen geweckt wird, die noch gar nicht wählen dürfen, es aber wollen. Also sollten wir, die es dürfen, unseren Wahlbrief und unsere Wahlberechtigung nicht einfach in den Papiermüll neben dem letzten ALDI-Prospekt werfen. Wir haben die Wahl zu wählen. Auch, wenn ich vielleicht das geringste Übel wählen werde, gebe ich meine Stimme trotzdem ab.