Das Splash! Festival ist eines der größten Hiphop-Festivals in Deutschland.
Zwei bonnFM Reporter waren zum ersten Mal dort, um für euch die Stimmung
einzufangen. Wie sie war und was wir erlebt haben, erzählen wir euch in unserem Splash!-Erfahrungsbericht.
Lesezeit: 9 Minuten
Die Einkäufe sind erledigt, der Wagen ist vollgetankt und die Powerbank aufgeladen: Sobald alle nötigen Vorkehrungen getroffen wurden, bewegen wir uns in Richtung Berlin. Uns stehen sechs Stunden auf der Autobahn bevor, von denen uns die Hälfte durch die östlichen Bundesländer führt. Sehr schnell merke ich: Die Straßen sind besser geteert und die Städte sind hässlicher. Für jemanden, der den Großteil seines Lebens im Bundesland NRW verbracht hat, ist es schade zu erkennen, dass wohl doch noch Unterschiede zwischen Ost und West existieren.
Doch die 808 Bässe, die aus den Boxen dringen, glätten die Wogen der Gehirnwellen, die sich mit gesellschaftlichen Unterschieden beschäftigen und schüren die Vorfreude auf 3 Tage Hiphop.
VIP und THC
In Gräfenhainichen angekommen, wurden wir leider sofort von einer Person begrüßt, die sich auf den Parkplatz übergeben musste. Das war zum Glück nur die erste von zwei Personen, die scheinbar unter einer sehr üblen Magengrippe litt. Aufgrund unserer Presse-Bändchen durften wir uns den VIP-Campingplatz teilen mit anderen Journalisten, Gästelistenbesuchern und scheinbar sehr reichen Menschen, die genug Geld für ein VIP Ticket haben. Dort hatten wir den Luxus einer großen Toilettenanlage, Gemeinschaftsduschen und sogar Zelten mit Kaffee und Frühstück, das allerdings auch 7€ kostete. Aufgrund dieser Tatsache ist es schwer, über die Campingsituation auf dem Splash zu berichten. Allerdings gab es selbst bei uns eine Drogenrazzia, bei der mehrere Polizisten das Zelt einiger sehr auffälliger Dealer gestürmt haben. Das erfuhren wir von einem Freund, der das Pech hatte, genau neben den Dealern sein Zelt aufgeschlagen zu haben und jeden Abend die sehr offensichtlichen Gespräche über den Verkauf von Ecstasy mitverfolgen musste. Ansonsten lässt sich über den Drogenkonsum auf dem Splash! nur eins sagen: Splash! goes green. Auf dem gesamten Festivalgelände war der Duft von Gras vertreten, an den man sich nach den anfänglichen “Oh, hier riecht es aber schwer nach Gras”-Kommentaren wirklich gewöhnt hatte. Die Security hat sich bei dieser Menge an Joints wohl nicht die Mühe gemacht, jeden aus dem Verkehr zu ziehen. Womöglich war es aber auch auf Anweisung der Veranstalter hin, denn selbstverständlich gehört Kiffen ja auch zur Hiphop Kultur. |
Von Mode und Moshpits
Auch ein kontroverser Teil des Hiphops war dort überall vertreten: Mode und Markenklamotten. Da das 22. Splash! von Snipes gesponsert war, gab es mitten auf dem Festivalgelände einen großen Snipes-Store. Dort wurden Festivalpullis, T-Shirts und Bauchtaschen in rauen Mengen verkauft. Ob man das Ganze nur als kommerziellen Cashgrab abschreibt, der Konsumopfern das Geld aus der Tasche zieht, oder als nettes Entgegenkommen im Puncto Style und Kälteschutz, hängt von einem Selbst ab. Sicher ist nur, dass die Modemarke dort ihre Zielgruppe gefunden hat.

Uns fiel relativ schnell auf, dass auf diesem Festival relativ viele gut gepflegte und gut gekleidete Menschen unterwegs waren. Auch die neuen Nike Airmax mussten den Schlamm des Campingplatzes über sich ergehen lassen, um später auf dem Festival das Outfit zu komplettieren. Nichtsdestotrotz, mischten sich unter die gemäßigten Besucher auch mit zunehmender Uhrzeit immer mehr Asoziale. So ergab es sich, dass wir gleich am ersten Tag mit einem Tetrapack Wasser beworfen wurden, das sich über unsere Kameratasche und Jennys Rücken ergoss. Zum Glück war die Tasche wasserdicht, anders als das Alibi der Übertäter. Bei der Konfrontation stritten sie ab, daran Schuld zu sein und so richtig etwas tun konnten wir natürlich nicht. Journalisten sei also geraten, all Ihre Geräte gut zu schützen, da man unter Umständen nicht die Verfolgungsjagd aufnehmen kann, so wie wir es taten.
Man kann die Besucher natürlich nicht alle über einen Kamm scheren: die verschiedenen Konzerte liefen ganz unterschiedlich ab. Bei dem Konzert von Reezy, das auf eine viel zu kleine und enge Bühne verlegt wurde, hatte die Security Mühe, Leute von den Containern herunterzuscheuchen, auf die sie geklettert waren, während aus der Menge mindestens drei komplett traumatisierte Mädchen aus dem Moshpit gezogen wurden. Viele der Fans schienen das aber nur als Möglichkeit zu sehen, sich durch den Fotografeneingang in die erste Reihe zu schmuggeln. Währenddessen hat Nura einen ihrer Songs auf der Hauptbühne abgebrochen, weil sie meinte jemanden in der Menge zu sehen, dem es nicht gut ging. Das soll nicht bedeuten, dass einige Fans von manchen Künstler*innen einfach besser oder schlechter sind. Die Einstellungen der Rapper*innen zu ihrer Crowd war jedoch sehr unterschiedlich. Auf der einen Bühne „achtet auf eure Mitmenschen“, auf der anderen Bühne hieß es „ohne Tote im Moshpit gehe ich nicht nach Hause“. Der Spagat zwischen Realness und Empathie ist einer, der gerade für Rapper*innen sehr schwierig zu bewältigen ist, wie man auch auf dem Splash! gesehen hat.
Wie viele Deluxeboxen braucht man, um aufs Splash! zu fahren?
Kommen wir endlich zur Musik. Schon auf dem Campingplatz wurde sehr schnell klar: Auf diesem Festival versammeln sich keine Chart-Hörer. Wir haben es mit Fans der ersten Stunde zu tun, die ohne Gedächtnisleistung jede Silbe aus der Diskografie ihrer Lieblingsrapper*innen mitsingen können und die sich in der Szene gut auskennen. Für mich persönlich war dies eine sehr interessante Erfahrung, da ich mich selbst nicht zu den die-hard Rapfans zählen würde, die jedes neue Release zum Thema Hiphop auf dem Schirm haben. Ich liebe Hiphop, aber eben auch nur einen kleinen Teil der Szene. Diese Begebenheit war in den folgenden Tagen zwar eine der größten Herausforderungen, aber sie sorgte auch für einige positive Überraschungen. Natürlich ist es ungünstig, wenn man eine*n Künstler*in zwar kennt, aber noch nie einen Song von ihm/ihr gehört hat. Vielleicht hat man bereits eine Meinung zu ihm/ihr, die sich aber nur durch Namedropping eines anderen Artists in einem Interview manifestiert hat. Dementsprechend gab es jeden Tag nur ein bis zwei Acts, die ich wirklich gerne sehen wollte. Drum herum aber ein Meer von „Hab ich schon mal gehört“. Als ich zwischen meinen priorisierten Konzerten so über das Gelände ging, hörte ich hin und wieder sehr interessante Musik von den verschiedenen Bühnen. Nach kurzer Inspektion gefiel mir diese Musik dann so gut, dass ich dort blieb und mir den Rest des Konzerts auch noch anschaute. Auf diese Weise habe ich gelernt, dass es noch viele andere Rapper*innen gibt, die meinen Geschmack treffen und seitdem meine Spotify-Playlist erweitert. Also auch werden Menschen, die nicht jeden Tag Push-Nachrichten von Hiphop.de bekommen, auf diesem Festival Spaß und eine Möglichkeit haben, ihren musikalischen Horizont zu erweitern. Anfänglich ist es vielleicht schwer, aber auch ein echter Crashkurs in Sachen Hiphop.

Hiphop: Nur noch Nikes und #Turnup?
Doch das Splash! hat mir gezeigt: Rap ist mehr als nur die Modus Mio Playlist. Viele der Rapper*innen sind ähnlich verdrossen wie die Zuhörenden und sagen dem Mainstream den Kampf an. Natürlich war dieser auf dem Splash! auch vertreten, aber man konnte sehen, wie unterschiedlich die Rapper und Rapperinnen sind. Schon die Mainstage wurde von einem einzigen Mann eröffnet, der einen astreinen Freestyle hingelegt hat, um damit das Publikum anzuziehen. Später hörte man BRKN auf dem Flügel „Ms. Jackson“ spielen und dabei singen oder einen gefühlvollen Acapella-Part von Sugar MMFK. Auch die Varietät des englischen Hiphops war sehr deutlich. Während der Headliner A$AP Rocky leider nicht erscheinen konnte, da er auf seiner Reise festgenommen wurde, und nun wortwörtlich hinter schwedischen Gardinen sitzt, gab es eine große Auswahl an anderen Acts aus den USA oder des UK. $uicide Boy$, Schoolboy Q, Future und Little Simz sind nur einige derer, die sich vor dem deutschen Publikum bewiesen haben. Und während Future nur einige Wörter seiner Texte rappte, brillierte Little Simz in Doubletimeparts ganz ohne Backup.

Selbst für Besucher, die komplett die Nase voll von Hiphop hatte, gab es Alternativen. Neben Rappern und Rapperinnen traten nämlich auch einige DJs und Djanes auf, die für etwas musikalische Abwechslung sorgten. Zwar wurden meist auch nur die Klassiker des Hiphop dort aufgelegt, dafür aber mit neuen Beats und Baselines. Ein anderer Vorteil war, dass so auch der ein oder andere Fan-Favourite gefeiert werden konnte, selbst wenn der/die Künstler*in selbst nicht anwesend war. In diesem Zusammenhang erlebte ich auch eines meiner Highlights auf dem Splash!: Auf einer kleinen Bühne, dem Backyard, trat um halb 2 das queere Kollektiv „Berlin Berries“ auf. Es war regnerisch und zu Anfang waren nicht viele Besucher vor der Bühne, aber das war schnell vergessen. Während Djane Salwa Benz auflegte, performten sehr begabte Tänzer auf der Bühne und klärten über die Ballroom-Szene auf, eine Subkultur der LGBTQ-Community, bei der Tänzer gegeneinander antreten. Bei der Bühnenshow wurde gewalkt, gevogued und die Körper in alle möglichen Posen verdreht, das alles in Form eines Battles. Obwohl manche der Besucher nicht ganz verstanden haben, was dort auf der Bühne passierte, war der Spaß und die gute Laune der Tänzer einfach ansteckend. Die Chemie auf der Bühne war faszinierend und der spielerische Wettstreit, ausgetragen mit beeindruckender Körperkontrolle, sorgte für eine Show, die ich noch lange in Erinnerung behalten werde.
Kaum hatten wir uns in unseren gemütlichen 2qm Zelten eingelebt, mussten wir auch schon wieder aufbrechen. Zwar waren wir aufgrund des guten, jedoch auch hochpreisigen Essens um einige Euro ärmer, aber dafür viele Erfahrungen reicher.
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