Wenn man im Rheinland einen „halven Hahn“ bestellt, bekommt man anstatt einer Fleischspeise ein vegetarisches Brötchen gebracht. So wird dem gemeinen Omni- oder Carnivoren eine grüne Überraschung vorgesetzt, mit der er am Ende trotzdem glücklich ist. Ähnlich kann man sich die Vorgänge am vergangenen Mittwoch in der Oper vorstellen. Der Kabarettist Hagen Rether ist zu Besuch bei der Veranstaltungsreihe Quatsch keine Oper.
Es bedient den Stereotyp des Campusradios, dass ich zu spät zu einer Vorstellung in der Oper komme. 19 Uhr unter der Woche, eine Stunde früher als am Wochenende. Unangenehm. Zusammen mit den Garderobenfachkräften und den Kellnern schaue ich die letzten Minuten der ersten Hälfte von „Liebe“ auf einem Bildschirm im Foyer. Mir wird zugeraunt: „Keine Sorge – die zweite Hälfte ist nochmal zwei Stunden“.
Wenn man zu einem Künstler zu spät kommen sollte, dann Hagen Rether.
In der zweiten Hälfte sitze ich im Opernsaal. Aus der Nähe wirkt Hagen etwas müde, spielt die vier Stunden aber mit einer Abgeklärtheit, die man sonst von keinem anderen Kabarettisten kennt. Sein Programm „Liebe“ spielt er seit 15 Jahren, auf der Bühne arbeitet er seit über 22 Jahren. An diesem Montag ist er 49 Jahre alt geworden.
Ein Querschnitt durch die grüne Gesellschaft
Hagen Rether hat wie ich siebenbürgische Wurzeln, das ist das heutige Transsilvanien und erklärt eventuell, warum mir bei seinem Anblick der Vergleich mit einem veganen Dracula durch den Kopf geht. Vielleicht kommt aber auch deswegen in mir ein familiäres Gefühl auf, wenn er an seinem schwarzen Flügel auf der Bühne sitzt. Wie der eloquente, gebildete Onkel, den man einmal im Jahr sieht, mit dem Unterschied, dass er von vielen laut beklatscht wird. Hagen Rethers Publikum ist ein Querschnitt durch die grüne Gesellschaft.
Der Rether-Input ist klassisch: Bildung, Ernährung, Gesellschaft – doch er variiert spielerisch, es fühlt sich wie ein Gespräch an. Es gibt in seinem Programm nach wie vor klassische Widersprüchlichkeiten, man kann seine CDs bei Amazon kaufen, während er dagegen zetert. Seinen Vorsatz, nicht immer nur nach oben zu meckern, kann er nicht immer durchhalten. Zum Ende wird er gar nicht mehr richtig fertig, soviel Gesprächsstoff hat sich in den Jahren angesammelt. Tja, muss ich wohl nächstes Jahr wieder hin, den Hagen sehen.