You are currently viewing Selbstdiagnose über Instagram – Warum der EndoMarch auf Endometriose aufmerksam machen muss
Bild: Pexels

Selbstdiagnose über Instagram – Warum der EndoMarch auf Endometriose aufmerksam machen muss

Lesezeit: 4 Minuten

Was ist eigentlich Endometriose? Viele können diese Frage noch nicht beantworten. Das muss sich ändern. Der März ist EndoMarch, der Awareness-Monat für Endometriose und andere gynäkologische Krankheiten. Unsere bonnFM-Reporterin Chiara Lichter hat dazu mit zwei Betroffenen, Sarah und Leonie, gesprochen. Ein Erfahrungsbericht von lebenseinschränkenden Schmerzen, Unklarheit und dem Willen, anderen zu helfen.

Verbreitet und unbekannt

Endometriose ist eine der häufigsten gynäkologischen Krankheiten. Weltweit ist ungefähr jede zehnte menstruierende Person betroffen. Dabei kommt es zu Ansiedlungen von gutartigem Gewebe außerhalb der Gebärmutter, zum Beispiel an den Eierstöcken oder am Darm. Das sind dann Endometriose-Herde, die sich abhängig vom hormonellen Zyklus entzünden, wachsen und auch bluten können. Auch können sie bleibende Schäden an Organen verursachen, durch Verwachsungen und Vernarbungen.

“Es fühlt sich an wie Wehen” – Sarahs Symptome

Endometriose wird auch als “Chamäleon der Gynäkologie” bezeichnet, weil sie sich ganz unterschiedlich äußern kann. Die Spanne von Symptomen reicht von völliger Symptomfreiheit bis zu starken Regelschmerzen, einem geschwächten Immunsystem und Unfruchtbarkeit. Es handelt sich also um eine systematische Krankheit, die den ganzen Körper betrifft und eben nicht nur den Unterbauch, was man zunächst vermuten würde. Die Symptome treten oft auch nicht nur während der Periode auf.

So ist es auch bei Sarah. Sie ist 28 und hat die Diagnose Endometriose mit 25 Jahren bekommen. Die Schmerzen zu Beginn der Periode beschreibt sie so: „Es fühlt sich wirklich an wie Wehen. (…) Ich hatte zwei Geburten und ich weiß wie schmerzhaft Wehen sind. (…) Es ist unglaublicher, unglaublicher Schmerz. Es brennt wie Feuer.“ Sarah hat mit Krämpfen im Darm, im Bauch und in den Beinen zu kämpfen. Der Schmerz strahlt bis in die Füße aus. Auch starke Rückenschmerze gehören dazu. „Mir ist wirklich kotzelend“, erzählt sie.

Nach etwa zwei Tagen wird es besser, aber es hört nicht auf. Nie. Denn auch unter ihrem Zyklus hat sie Beschwerden. Sarah lebt mit dem Reizdarmsymptom, dem PMS-Syndrom und mit Blasenschmerzen, durch einen Befall der Blase mit Endometriose-Herden. Auch Eisprungschmerzen und Schmerzen beim Sex begleiten sie.

Leiden ohne Namen – Leonies Diagnoseweg

Die Diagnose ist der Knackpunkt bei der Sichtbarkeit von Endometriose. Und das bei schätzungsweise 40.000 Neuerkrankungen jährlich – allein in Deutschland. Es passiert häufig, dass Betroffene gar nicht wissen, dass ihre Beschwerden nicht “normal” sind oder nicht ernstgenommen werden, wenn sie mit Beschwerden medizinische Hilfe aufsuchen.

Das hat auch Leonie erlebt. Sie hat ihre Diagnose mit 22 Jahren bekommen. Als die heute 24-Jährige neben den starken Unterleibschmerzen, die sie schon immer während der Periode hatte, auch zyklusunabhängige und punktuelle Schmerzen bekam, begann ihr Diagnoseweg. Der Frauenarzt, den sie wegen der Schmerzen immer wieder aufgesucht hat, hat Zysten gesehen. Die seien aber nicht relevant gewesen. So seien normalgroße Zysten nicht außergewöhnlich. „Er war sehr überfordert“, urteilt Leonie. Als sie dann in ihren Protokollen gesehen hat, dass ihre Beschwerden als psychosomatisch eingestuft wurden, hat sie sich nicht mehr ernstgenommen gefühlt. „Es spricht einem dann doch irgendwie ab, da wirklich ein Problem zu haben“. Weitere Tests wurden nicht gemacht.

Das erste Mal auf den Begriff Endometriose ist Leonie dann, ungefähr ein Jahr später, auf Instagram gestoßen. Erstaunt hat sie festgestellt, dass der Text genau ihren eigenen Symptomen entspricht. Als sie daraufhin ihren Frauenarzt darauf angesprochen hat, hat er ihre Vermutung bestätigt – und gesagt, daran hätte er schon gedacht. „Da blieb dann so ein bisschen die Frage, warum er mir das nicht schon längst mal gesagt hat“, wundert sich Leonie.

Für sie war klar: „Ich mache alles, um herauszufinden, was das ist, damit es besser wird. Weil ich konnte damit wirklich nicht mehr gut leben.“

Die medizinische Diagnose erfolgte dann per Bauchspiegelung, bei der ein Endometriose-Herd festgestellt wurde. Das Gewebe, etwa so groß wie eine Ein-Euro-Münze, wurde entfernt. „Ich wurde einfach nach Hause geschickt mit den Worten: `Das ist jetzt weg und dir wird es jetzt damit besser gehen´. Das war nicht der Fall.“ Die Schmerzen wurden eher schlimmer. Ein Jahr nach der Operation folgte dann ein MRT – und die Diagnose Adenomyose. Damit ist sie eine der 50% aller Andenomyose-Betroffenen, die gleichzeitig Endometriose haben. Drei Jahre nach Beginn ihrer Beschwerden konnte Leonie ihrem Leiden einen Namen geben. Im Vergleich zu anderen Betroffenen ist ihr Diagnoseweg kurz, findet sie.

Repräsentation in der Gesellschaft

Der Austausch unter Betroffenen ist vor allem durch Social-Media-Gruppen möglich. Sarah zeigt sich als stolzes Mitglied der Endo Ladys – denn „geteiltes Leid ist nun mal halbes Leid“. Auch Leonie ist der Austausch wichtig: „Man steht nicht so allein auf weiter Flur, wie man sich die ganze Zeit irgendwie fühlt, wenn man vor allem auch von den Ärzten nicht so viel Unterstützung kriegt wie nötig“.

Endometriose rückt aktuell immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit. Es tut sich was in der Gesellschaft „aber auf der medizinischen Seite passiert halt nicht so viel“, sagt Leonie. „Da ist auf jeden Fall noch sehr sehr viel Luft nach oben. Deswegen kann man eigentlich nicht aufhören, darüber zu sprechen und das Thema so in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Weil es einfach auch so viele Leute betrifft.“ Leonie wünscht sich für andere Betroffene, dass sie sich eine Selbstdiagnose über Instagram ersparen können. Das geht nur durch Aufklärung. Das findet auch Sarah: „Es ist einfach wichtig, dass noch mehr Öffentlichkeitsarbeit in dieser Hinsicht geleistet wird. (Dass,) man nicht mit der Psyche abgetan wird, sondern dass man ernstgenommen wird – Periodenschmerzen sind nicht normal.”

Die Ziele des EndoMarch

Den EndoMarch gibt es, um Betroffenen eine Bühne zu geben und sie im Zusammenkommen zu bestärken. Auch die Aufklärung von Unwissenden, um Verständnis für Betroffene herzustellen, ist ein Anliegen. Im medizinischen Bereich sollen Diagnosewege verkürzt und Fehldiagnosen verhindert werden, um das teils jahrelange Leiden zu verkürzen. Außerdem fehlt es an Forschung zu dringend nötigen Therapiewegen – eine Heilung gibt es nicht. Die Therapie ist so individuell wie vielseitig. Leonie macht unter anderem Physiotherapie und nutzt Akupunktur. „Es hilft alles nicht wirklich komplett. Klar, die Mischung aus verschiedenen Dingen bringt dann ein bisschen Erleichterung“, sagt sie. Sarah greift auf alternative Medizin zurück. Der Besuch bei der Osteopathin hilft ihr sehr, wird aber nicht von der Krankenkasse übernommen. Lebensqualität wird eine Geldfrage. Endometriose-Betroffene haben einfach keine Lobby. Endometriose ist also auch ein politisches Thema.

Programm und Anlaufstellen

Im EndoMarch gibt es ein großes Programmangebot, unter anderem von der Endometriosevereinigung Deutschland. Diese zeigen ab Mitte April den Kurzfilm Jung und Endo auf ihrem YouTube-Kanal. Der Trailer ist bereits hier verfügbar. Auf ihrer Website gibt es einen Veranstaltungskalender und Broschüren mit ausführlichen Informationen zum Thema. Das Programm Worldwide EndoMarch veranstaltet am 25. März einen weltweiten online-EndoMarch, bei dem Betroffene und Organisationen zusammengebracht werden. Ob betroffen, noch unsicher oder interessiert – der EndoMarch ist ein Angebot für alle. Und er macht Mut.