Diese Kolumne gibt die subjektive Meinung der Autorin wieder
„Best friends for ever“ heißt es so schön. Was aber, wenn Freundschaften zerbrechen?
Es war in der vierten Klasse, als meine damalige beste Freundin und ich in ihrem Zimmer saßen und uns bestimmt in die Augen saßen. „Wir bleiben für immer Freunde“ versprachen wir uns. Sie sollte auf die Realschule gehen und ich aufs Gymnasium, was für Viertklässler ungefähr der Distanz zwischen Bonn und New York gleichkommt. Trotzdem waren wir uns sicher, dass wir für immer Freunde bleiben werden. Ein paar Wochen später begann das neue Schuljahr und so schnell wie uns die Worte „für immer“ über die Lippen gehuscht waren, so schnell hatten wir beide unser Versprechen vergessen. Ich lernte neue Freunde kennen, sie trat einem Sportverein bei. Das Freundschaften irgendwann verstauben, kennen die meisten. Man schreibt sich immer weniger und bei gemeinsamen Treffen klammert man sich krampfhaft an längst vergangene Momente. „Weißt du noch als wir…“ erlöst uns zwar von unangenehmer Stille aber richtig befriedigen ist das für beide Seiten nicht. Wir verlieren Freunde im Strudel unseres Alltags, in dem immer irgendwas anderes wichtiger ist. Das ist schade, in manchen Fällen vielleicht sogar gut und schmerzt in anderen dafür umso mehr.
Die bessere Familie
Freunde können für uns wie die bessere Familie sein. Niemand sonst kann so aufmunternde Worte finden, mit keinem anderen findet man genug Gesprächsstoff, um die ganze Nacht durchzureden. Freunde geben uns Halt, sie machen uns glücklich und fühlen mit uns. Eine Längsschnittstudie aus Tacoma, Washington hat Freundschaften zwischen Studierenden untersucht und dabei einen Faktor herausgearbeitet, der langjährige Freundschaften ausmacht: wenn der Freund oder die Freundin einem das Gefühl gibt, anerkannt und auch bestätigt zu werden. Ein kleiner Push für unser Selbstwertgefühl quasi. Rückblickend ging daran einer meiner engsten Freundschaften kaputt. Irgendwie verliert man den Anschluss zueinander, man versteht den anderen nicht mehr und fühlt sich auch selbst nicht mehr verstanden. In einer romantischen Beziehung käme jetzt der Punkt, an dem man Schluss macht. In einer Freundschaft ist das komplizierter. Selten gibt es einen klaren Schlussstrich, stattdessen werden die Treffen immer seltener. Irgendwann sieht man dann auf Instagram, dass man gar nicht zu der WG-Party eingeladen wurde und wenn man mal ehrlich ist, ist man da auch ganz froh drüber.
Freundschaftskummer
Ich war mit dem Ende dieser einst sehr engen Freundschaft anfangs wahnsinnig überfordert. Wie ich mit dem Ende einer romantischen Beziehung umgehen soll, hatte ich schon in zahlreichen Filmen und Serien gesehen. Schon bevor ich das erste Mal Liebeskummer hatte, wusste ich ungefähr was mich erwarten würde. Auf das Ende einer Freundschaft wurde ich nie vorbereitet. Ich stand ganz allein da. Was macht man also, wenn eine tiefgehende Freundschaft zu Ende geht? Alle Strategien, um über den Ex hinwegzukommen, scheitern. Zum besten Freund laufen und sich ausheulen und tröstende Worte hören? Schwierig, den der oder die fehlt ja. Wahllos Flirten, um das Selbstbewusstsein zu stärken? Auf freundschaftlicher Ebene eher schwer umsetzbar. Traurige Liebesfilme gucken und Eis essen? Ziemlich unbefriedigend, wenn man keinen Liebeskummer, sondern viel mehr Freundschaftskummer hat. Die Auswahl an romantischen Komödien über das Ende einer Freundschaft deprimiert nur noch mehr.
Zeit zu Reden
Wir sollten viel mehr über den Schmerz reden, den Freunde in uns verursachen können. Über Freundschaften, die uns mal alles bedeutet haben und jetzt nicht mehr Teil unseres Lebens sind. Es braucht mehr Filme, Songs und Geschichten über platonische Beziehungen. Dann fällt das Ende einer Freundschaft vielleicht beim nächsten Mal etwas leichter. Mir hat letztendlich geholfen, mich an den Grund für das Ende meiner Freundschaft zu erinnern. Ja, wir hatten uns auseinandergelebt. Wir konnten uns nicht mehr so unterstützen, wie wir sollten und auch nicht mehr so verstehen, wie wir es uns gewünscht hätten. Und da ist es dann doch wieder wie bei romantischen Beziehungen: manchmal ist es besser, wenn es zu Ende geht. Vor allem aber habe ich meinen Schmerz ausgelebt. Wenn Bridget Jones legendär im Schlafanzug Rotwein trinken und laut „All by myself“ trällern kann, kann ich das auch – und dabei nicht an meinen Ex denken, sondern an meinen ehemals besten Freund. Ich war eine ganz schön lange Zeit schlecht drauf, wütend und traurig zugleich und das war absolut in Ordnung so. Zelebriert euren Freundschaftskummer, lasst euren Gefühlen freien Lauf. Denn wie auch bei eurem doofen Ex: irgendwann geht der Schmerz weg. Vertraut mir.