Die bonnFM Kolumne
Fridays for Future, Zero Waste, Clean Up Aktionen… Immer mehr Aktionen bei denen ich zeigen kann, was für ein guter Mensch ich wirklich bin. Klima- und Umweltschutz sind zurzeit omnipräsent. Doch ist das ehrlicher Aktivismus oder doch nur ein neuer Trend?
Es ist Freitag, der 15. März und gemeinsam mit 5000 anderen Menschen laufe ich durch die Bonner Innenstadt, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Um mich herum sind vor allem Schulkinder. Natürlich nicht nur. Ich sehe auch einige meiner Kommilitonen und sogar die ein oder andere Omi for Future. Doch auf vielen der mitgebrachten Schilder kann ich hinten den Namen und die Klasse des Tragenden lesen, ein klares Indiz für ein im Kunstunterricht erstelltes Objekt. Und während sich links von mir eine Gruppe Jungs im Stimmbruch über lustige Geschehnisse aus dem gestrigen Unterricht unterhält, muss ich mir die Frage stellen: Wo war ich eigentlich mit 14?
Wieso hab ich nicht schon damals demonstriert?
Die Antwort liegt ja eigentlich auf der Hand: Fridays for Future gab es damals noch nicht. So. Ich hatte also keine Möglichkeit. Aber andererseits hätte ich ja auch selber eine Initiative starten können, oder? Andere können es schließlich auch. Erst letztens wurde ich wieder in eine WhatsApp Gruppe hinzugefügt, deren Mitglieder die Stadt von Müll befreien wollen. Wieso starte ich keine eigenen Initiativen? Wieso denken Jugendliche mehr an ihre Zukunft als ich?
Hashtags und Facebookveranstaltungen
Generell wird man auf allen Social Media Plattformen derweil mit Aktivismus zugeballert: Seien es jetzt diverse WhatsApp Gruppen, Instagram Posts oder Facebook Veranstaltungen. Erst neulich begegnete mir wieder eine Veranstaltung, bei der sich Menschen in meiner Nähe zum Plogging treffen. Plogging, das ist Joggen und dabei Müll aufheben. Früher hab ich einfach ab und an Müll aufgehoben, wenn ich welchen auf der Straße hab rumliegen sehen. Mittlerweile ist das ein Event, für das man sich Sonntagmorgens mit seinen Mädels treffen muss. Umweltschutz wird immer mehr eventisiert. Wenn man Zero Waste einkaufen geht, dann gehört das auf Instagram. Einfach gucken, dass man halbwegs Bio und Fairtrade und möglichst ohne Plastik einkauft, ist nicht mehr drin. Ganz oder gar nicht. Entweder man ist Zero Waste oder Full Waste. Und wehe demjenigen, der seinen reusable Kaffeebecher vergessen hat und dann doch einen To-Go Becher mit sich durch die Stadt trägt. Ich weiß noch, wie komisch ich früher manchmal angeguckt wurde, wenn ich gesagt habe, dass ich hauptsächlich Bio einkaufe. Heute hätte ich schon fast Angst etwas anderes zu behaupten.
Ein Trend ist ja an sich nichts negatives
Vor allem nicht, wenn sein Ziel ist die Umwelt zu schützen. Doch natürlich muss man sich auch immer wieder den Vorwurf anhören, die Aktivist*innen bei Fridays for Future wären nur Schulschwänzer. Sie würden quasi aus purem Egoismus auf den Hypetrain aufspringen. Und auch, wenn ich das Gefühl habe, dass die meisten der Demonstranten um mich herum für etwas kämpfen, an das sie auch wirklich glauben, muss ich mir auch eingestehen, dass es nicht bei allen so ist. Der 14-Jährige der gen Ende der Demo neben mir herläuft, oder wohl eher hertanzt, hat seine Charts-Mukke so laut wie möglich aufgedreht und passt hier so gar nichts in Bild. Ich nehme an, er ist nur hier, weil der Rest seiner Klasse das auch ist.
Wird dadurch die gesamte Aktion diskreditiert?
Das kommt sehr darauf an, wen man fragt. Ich bin mir allerdings sicher, dass viele Gegner von Fridays for Future genau solches Verhalten von Einzelpersonen nutzen, um direkt die gesamte Aktion in den Dreck zu ziehen. Das sind aber Leute, die auch wirklich verzweifelt nach etwas suchen, dass die gesamte Aktion schlecht macht. Ich persönlich finde nicht, dass die gesamte Aktion diskreditiert wird: je mehr Leute die Aktion unterstützen, desto eher kann sie auch etwas bewegen. Dennoch sollte man sich über seine Motivationen im Klaren sein und seinen Platz in dem ganzen Öko-Klima-Gewusel finden. Auch 15-jährige, die vielleicht, zumindest augenscheinlich, eher für ihre Instagram-Story bei Demos mitlaufen, haben einen Platz darin gefunden. Und etwas nur für Likes zu tun, ist in dem Fall ja vielleicht besser, als es gar nicht zu tun.
Und selbst wenn Klima- und Umweltschutz aufkommende Trends wären, der Klimawandel ist keiner. Und da ist es doch eigentlich egal, ob ich von mir aus Umweltschutzaktionen starte oder mich bei anderen anschließe: Gut für das Klima ist es so oder so.