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Bild: Copyright Walt Disney Company

Gute Mähne zum Bösen Spiel – Schafft es “Mufasa” das Prequel Problem zu umgehen?

Lesezeit: 5 Minuten

Mufasa stirbt in “Der König der Löwen”. Sorry für den Spoiler, aber wer bis jetzt verdrängen konnte, dass einer der beliebtesten Väter on Screen im 1994 Original von einer Horde Büffel zertrampelt wurde, der hat Kino nie geliebt. Wir alle kennen die Geschichte, denn dieser Film war viele Jahrzehnte lang das Flaggschiff der Walt Disney Studios – und wird dementsprechend mit Remakes, Sequels und Prequels belohnt. Letzteres bekommen wir mit “Mufasa: Der König der Löwen”, der die Hintergrundgeschichte vom namensgebenden Lion Daddy und seinem Gegenspieler Scar erforscht. Ob der Film es schafft, spannend zu bleiben und ob sich ein Kinobesuch über Weihnachten lohnt, das erfahrt ihr hier.


Die Story

In “Mufasa: The Lion King” wohnen wir der Erzählung Rafikis bei, der für Kiara, Mufasas Enkelin, eine Geschichte vorträgt. Es gibt also eine Rahmenhandlung, die kanonisch nach „König der Löwen 2“ spielt. Der Grund dafür ist recht einfach – es ist die einzige Möglichkeit, um die Fan-Favoriten Timon und Pumba, die in Mufasas Vergangenheit keine Rolle spielen, auch noch auf die Leinwand zu bringen. Die eigentliche Erzählung wird also immer wieder durch Zwischenrufe und kleine Sketche in der Gegenwart unterbrochen. Überraschenderweise war das aber keine schlechte Entscheidung, denn Timon und Pumba entpuppen sich tatsächlich als das lustigste Element des Films und schaffen es mehrmals, den Kinosaal und auch mich mit ihren Meta-Gags zum Lachen zu bringen.
Weniger lustig gestaltet sich die eigentliche Haupthandlung. Wir erfahren, dass Mufasa als Kind von seinen Eltern getrennt wurde und als Takas Bruder aufwächst. Taka ist der Prinz eines anderen Löwenrudels und wir dürfen ihn bei seiner Transformation in den tyrannischen Antagonisten Scar beobachten. Als die beiden Stiefbrüder vor einem Rudel weißer Löwen fliehen, finden sie auf dem Weg zum gelobten Land “Milele” mehrere Figuren, die uns bereits an Herz gewachsen sind – so z.B. Rafiki, Zazu oder Sarabi , Simbas Mutter. Wir erfahren unter anderem, wo Rafiki seinen Stab her hat und wer Taka die Narbe verpasst, die ihn später als Scar auszeichnet.
Der Spannungsbogen erstreckt sich vor allem über die Verfolgung des weißen Löwenrudels, angeführt von Kiro. Sie sind die treibende Kraft hinter der Handlung und dienen als Hürde für unsere Protagonisten. Ihre Bedrohlichkeit wird aber erheblich dadurch gedrosselt, dass wir ja bereits wissen, dass alle Figuren wohlbehalten im Disney-Original „König der Löwen“ ankommen. Dem Film scheint das aber egal zu sein, denn hier werden trotzdem Kämpfe und Verfolgungsjagden auserzählt, bei denen absolut nichts auf dem Spiel steht. Eine neue Figur, deren Schicksal uns noch nicht bekannt ist, wird leider nicht eingeführt.

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Musik und Visuals

Wer einen Disney Film guckt, der erwartet eingängige Songs und atmosphärische Bilder. Leider kann „Mufasa: Der König der Löwen“ mit nichts davon so wirklich trumpfen. Die Musikstücke wurden von Lin-Manuel Miranda geschrieben, der für fantastische Kompositionen wie “Hamilton” oder “Encanto” verantwortlich ist – und leider hat man das gar nicht gemerkt. Die Songs sind allesamt unbedeutend, was insbesondere mit Blick auf die ikonischen Lieder aus dem 1994 Original sehr schade ist. Insbesondere der von Kiro performte Track “Bye Bye” geht als einer der lächerlichsten und am wenigsten furchteinflößenden Disney-Villain-Songs in die Geschichte ein. Obwohl, oder gerade weil Mads Mikkelsen eine stimmlich perfekte Besetzung für diese Rolle ist, passt dieser Refrain so gar nicht zu dem eigentlich recht ernstzunehmenden weißen Löwen.
Aber unabhängig von der Musikalität der Tracks, habe ich das Kino mit dem Wunsch verlassen, nie wieder einem Löwen beim Singen zuschauen zu müssen. Durch die computeranimierten Tiere, die leider so viel weniger expressiv sind, als ihre handgezeichneten Vorgänger, clashen vor allem in den Musicalnummern Realismus und Spektakel. Ein Löwenmaul, das am Ende des Refrains einen Ton hält und womöglich auch noch mit Vibrato singt, ist ein Anblick, der mich immer wieder daran erinnert, dass niemand außer den Produktionsstudios wirklich begeistert von CGI ist. Obwohl immerhin die Löwen in Mufasa einigermaßen gut animiert sind, kann man das leider nicht von allen Tieren behaupten. Und auch die atmosphärischen Landschaften Afrikas sehen zwar oft schön aus, erzeugen aber nie die einzigartigen Shots, die eine 2D-Animation bereithält.


Mufasa ist written by women

Was ist nun also die Geschichte von Mufasa? Zusammengefasst kann man sagen: Er ist ein sehr talentierter, charismatischer, mutiger und schlauer Löwe. Keine große Überraschung an dieser Stelle, denn genauso lernen wir ihn auch kennen. Leider erleben wir selten, dass auch Mufasa mal über sich hinauswachsen muss oder gar eine negative Eigenschaft ablegt, um ans Ziel zu gelangen. Tatsächlich gibt sich der Löwe hier recht streberhaft, mit einer Pfote erhoben in der ersten Reihe der Großkatzenschule und hat damit das klassische Protagonisten-Problem.
Ein Detail, das ich jedoch positiv hervorheben möchte, ist der Grund, den der Film für seine zahlreichen Talente findet. Als ausgestoßener Waisen-Löwe ist es Mufasa nicht gestattet, sich bei den anderen männlichen Löwen aufzuhalten – stattdessen wird er zu den Löwenweibchen verbannt. Dort lernt er, Beute zu jagen, schärft seine Sinne und bekommt erste Chancen, seinen Mut unter Beweis zu stellen. Wer Disney hier sofort woken Power-Feminismus unterstellen möchte, sollte aber einen Blick in die Natur werfen. Denn tatsächlich ist es ja so, dass die weiblichen Löwinnen im Rudel für die Jagd zuständig sind und somit meist deutlich mehr als die Männchen, die vor allem Revierkämpfe führen und Nachkommen zeugen. So hat Disney hier einen cleveren Weg gefunden, um nicht nur eine narrativ ansprechende, sondern auch ökologisch sinnvolle Begründung für Mufasas
Begabungen zu liefern.

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Scar hat eine Incel Villain Arc

Die Figur, die das Potential hatte, um diesen Film von der Masse abzuheben, war Taka. Sind es doch bei Disney so oft die Bösewichte, die uns am meisten unterhalten und faszinieren. Und wer möchte nicht wissen, wie aus dem verspielten Löwenjungen irgendwann mal der machthungrige Tyrann mit Hang zum Brudermord werden konnte? Die Geschichte zeigt mit der gemeinsamen Backstory viel Potential. Scars Thronfolge als
Alleinerbe wird auf die Probe gestellt von seinem Stiefbruder, dem er selbst damals das Leben gerettet hat. Diese Prämisse wäre der fruchtbare Boden für eine nachvollziehbare Villain-Arc, in der Taka langsam aber sicher aus seiner Rolle verdrängt wird und immer mehr Groll und Frustration aufbaut, die ihn dazu führen verbittert und hasserfüllt zu werden. Stattdessen hat Taka scheinbar vom gleichen Zebra wie Daenerys Targaryen gegessen und bringt innerhalb von wenigen Minuten einen kompletten 180 Grad Sinneswandel auf die Leinwand. Letztendlich verrät er seinen langjährigen Weggefährten Mufasa nämlich, weil Sarabi diesen zurecht irgendwie hotter findet als ihn. Genau, Taka wird zu Scar, weil seine
Liebe nicht erwidert wurde. Nach 2-3 Sätzen Monolog entschließt er sich, all seine Freunde ans Messer zu liefern. Nach dieser Entscheidung wirkt er wie ein komplett anderer Löwe und hat wenig von dem Taka, den wir den ganzen Film über kennengelernt haben. Es ist sehr schade, dass ihm eine nachvollziehbare und potentiell interessante Motivation verwehrt und nicht viel Arbeit in die Figurenentwicklung gesteckt wurde. Stattdessen sind die Grenzen klar: Mufasa ist ziemlich toll und Taka ist halt ein Loser, der ihn dann verrät. Kritik am Helden-Trope sucht man hier vergebens.


Fazit

Am Ende ist es ein weiterer Film, dessen Existenzberechtigung vor allem mit Einnahmen an der Kinokasse erklärt werden kann. Mufasa: König der Löwen erzählt thematisch wenig Neues und überzeugt auch als Musical nicht so wirklich. Das gute Voice Acting aller Beteiligten, die lustigen Dialoge von Timon und Pumba, sowie eine vielversprechende Figuren Dynamik ändern leider nichts daran, dass dieser Film die Zuschauer mit einem
Schulterzucken entlässt. Wer über die Weihnachtsfeiertage aber mit seiner Familie ins Kino gehen will und einen Film sucht, an dem sich niemand so wirklich stößt, der wird hier fündig.