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„Was ist Liebe wert – Materialists“ von Celine Song mit Dakota Johnson und Pedro Pascal (Bild: Sony)

Materialists: Ein Portrait der modernen Datingkultur mit einer Prise RomCom

Lesezeit: 3 Minuten

Nach Celine Songs Debüterfolg Past Lives kommt jetzt ihr neuer Film Was ist Liebe wert – Materialists. Darin liefert sie eine kritische Auseinandersetzung mit der modernen Datingkultur in unserer kapitalistischen Gesellschaft. Es geht um die Partnervermittlerin Lucy Mason (Dakota Johnson), die sich in Sachen Liebe in einem altbekannten Interessenkonflikt befindet: Kopf oder Herz? Verstand oder Liebe? Die „richtige“ Entscheidung oder die Entscheidung, die sich richtig anfühlt? Dabei stellt sich natürlich die Frage: Schafft es der Film trotzdem, etwas Neues zu sagen?

Zugegeben, selten hat sich ein Film diesem Konflikt mit so einer Intensität gewidmet. Die Frage von Kopf vs. Herz dient oft genug als Plot-Element in einem Liebesdreieck. Doch diese unter Berücksichtigung von gesellschaftlichen Einflüssen tiefer zu ergründen – das ist neu. Im Kern des Filmes steht dabei die Frage, wie das Leben in einer kapitalistischen Gesellschaft unsere Partnerwahl beeinflusst. 

Dafür verfolgen wir die Partnervermittlerin Lucy. Auf einer Hochzeit lernt sie den vermögenden Harry (Pedro Pascal) kennen. Am gleichen Abend trifft sie zufällig ihren Exfreund John (Chris Evans) wieder, zu dem die romantische Beziehung aufgrund finanzieller Sorgen scheiterte. Geprägt von einer Kindheit fernab vom Reichtum, sehnt Lucy sich nach finanzieller Sicherheit in einer Partnerschaft. Nun könnte Harry ihr genau das bieten. Trotzdem stellt sie sich zunehmend die Frage, ob Reichtum und Kompatibilität genug für eine erfüllte Partnerschaft sind.

…also eine RomCom?

Zwar wird Was ist Liebe wert – Materialists als RomCom vermarktet, der Begriff könnte jedoch falsche Erwartungen wecken. Zugegeben, die zugespitzte, beinahe satirische Darstellung von moderner Datingkultur sorgt besonders in der ersten Hälfte des Films für einige Lacher. Mit Fortschreiten der Handlung entfernt sich der Film aber zunehmend von dem Label und wird immer zu einem Genre-Grenzgänger. So werden auch Themen wie Sexismus und übergriffiges Verhalten von Männern im Datingkontext thematisiert. 

Ein Portrait der modernen Datingkultur

1,80m, sportlich, wohlhabend, dünn, unter 40. Als Partnervermittlerin denkt Lucy ihre Klient*innen in Kategorien. Sie versteht die Kunst der modernen Datingkultur. Die Art und Weise, wie sie Klient*innen kategorisiert, erinnert dabei stark an Datingapps. Denn auf ähnliche Weise denken und bewerten wir auf Datingplattformen auch in Kategorien.  Durch dieses kategorische Denken machen wir uns selbst und andere zu Produkten. Die Dialoge zum Thema Dating sind klug, ein bisschen amüsant und oft auch erschreckend akkurat. So zeichnet der Film ein wahrheitsgetreues, wenn auch teils überspitztes Bild unserer heutigen Datingkultur. Gleichzeitig wird gefragt: Sind wir nicht mehr als kategorisierte Eigenschaften und kluge One-Liner? Als Produkte und Käufer*innen, die Datingapps durch ihre Misserfolge noch mehr Geld einspülen? Dabei versteht es der Film, trotz satirischer Elemente die moderne Datingkultur weder zu verteufeln noch zu verherrlichen.

Interessante Punkte, idealistische Darstellung

Mit seinem zugespitztem Ton unterscheidet Was ist Liebe wert – Materialists sich stark von Songs Debütfilm Past Lives. Beide Filme bilden eine Zerrissenheit zwischen zwei Leben, zwischen zwei Männern, ab. Während die Schönheit von Past Lives aber in seinen Nuancen und dem Ungesagten liegt, legt Was ist Liebe wert – Materialists seine Botschaften entschieden offen und überspitzt dar.

(ACHTUNG! Spoilerwarnung!)

Genau diese Überspitzung raubt den Charakteren eine gewissen Tiefe und macht es schwer, sich mit ihnen zu identifizieren. Der Film macht viele interessante Punkte über die Kapitalisierung von Partnerschaft und den Einfluss von Geld (oder Armut) auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese Punkte werden durch die Wahl der Charaktere allerdings nicht immer authentisch rübergebracht. Um seinen Traum des Schauspielerns zu verwirklichen, lebt John in ärmeren Verhältnissen. Dieser Umstand ist aber offenbar auf seine eigenen Entscheidungen zurückzuführen. Armut als strukturelles Problem wird hingegen größtenteils ausgeklammert. Die Darstellung des altbekannten Herz vs. Verstand Konflikts ist also trotz seiner scharfen Beobachtungen vor allem eins: idealistisch. Denn im echten Leben ist nicht jeder privilegiert genug, um sich gegen finanzielle Sicherheit und für die Liebe zu entscheiden.

Trotzdem ist der Film sehenswert und sorgt vor allem für eins: Eine Menge Denkanstöße und Diskussionsmaterial zu den Themen Dating, Liebe und Partnerschaft.