Am 03. März beraten die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über Pläne für mögliche, aber vorsichtige Öffnungsstrategien. Dabei könnte ebenfalls über die „No-Covid“-Strategie diskutiert werden.
„Wir haben es nach einem Jahr immer noch nicht geschafft, das Virus unter Kontrolle zu bringen“ sagt Junior-Professor Dr. Maximilian Mayer für Internationale Beziehungen und globale Technologiepolitik an der Universität Bonn. Es sei nun an der Zeit, unterschiedliche Strategien auszuprobieren, um die Corona-Infektionen auf sehr geringem Niveau zu halten. Eine davon ist die die „No-Covid“- Strategie, die in den Ländern Australien, Neuseeland oder Taiwan bereits erfolgreiche Anwendung findet.
Was ist die „No-Covid“-Strategie?
Die „No-Covid“-Strategie ist eine Öffnungsstrategie, die auf angepasste Maßnahmen je Region in Kombination mit vermehrtem Testen und schneller Infektionskettennachverfolgung setzt. Bürger*Innen haben durch ihr Verhalten die Pandemiebekämpfung selbst in der Hand. Das Modell sieht verschiedene Stufen (1-3) mit einer Grünen Zone am Ziel vor, in der unverzüglich alle Grundrechtsbeschränkungen aufgehoben werden. In der Grünen Zone können sich die Menschen frei bewegen, an öffentlichen Versammlungen teilnehmen und Besucher im Haus empfangen. Ebenso sind Kitas und Schulen geöffnet, Präsenzunterricht kann stattfinden und an den Arbeitsplatz schrittweise zurückgekehrt werden. Dies solle die Bürger*Innen motivieren eine Grüne Zone zu erhalten etwa durch konsequente Einhaltung von Quarantänen und Selbstisolierung. Außerhalb der Grünen Zone gäbe es in der „No-Covid“-Strategie nicht nur wie bislang strikte Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen, sondern vor allem eine dramatisch verbreiterte Teststrategie, um die Inzidenzzahlen möglichst schnell zu drücken. Die Umsetzung einer „No-Covid“-Strategie kann man sich in Bonn in diesem „demokratischen Experiment“ so vorstellen, dass Bonn eine bestimmte Zone für sich definiert und in dieser den Bürger*Innen die Umsetzung und Ziele der „No-Covid“-Strategie klar kommuniziert.
„Es haben sich aktuell viele Städte und Kreise bei uns gemeldet, die die No-Covid-Strategie ausprobieren wollen“, erwähnt Prof. Dr. Maximilian Mayer und fährt fort „unter anderem wegen der Befürchtung, gegebenenfalls wieder in einen Lockdown gehen zu müssen“.
„Tracing, Testing, Isolation“
Auf diese drei Punkte gestützt soll die „No-Covid“-Strategie vor allem Anwendung finden. Konkret, so Prof. Mayer wäre es einerseits wichtig, die Infektionskettennachverfolgung in den Gesundheitsämtern zu verbessern und zu beschleunigen. Denn nur mit kleinen Inzidenzzahlen sei eine lückenlose Nachverfolgung des Corona-Virus möglich bzw. könne das Virus unter Kontrolle gehalten werden. Bei Inzidenzzahlen von 30 oder 50 sei es äußerst schwierig die Infektionsketten überhaupt noch nachverfolgen zu können. Andererseits müsste deutlich mehr getestet werden und die Testungen in Alltagsroutinen etwa in Schulen, Betrieben und Veranstaltungen eingebaut werden. Und es wäre notwendig, dass die Bürger*Innen eine deutlich weiter ausgebaute „Corona-App“ benutzten, die mit dem Datenschutz vereinbar sei. Mögliche Schwierigkeiten bezüglich der Umsetzung und Kontrolle sollten laut Prof. Mayer nicht überproblematisiert werden. Eine Kontrolle der Einhaltung von Maßnahmen könne durch stichprobenartige Polizeikontrollen sowie durch Bußgelder erfolgen. Prof. Mayer geht davon aus, dass es nur eine Minderheit in der Bevölkerung geben werde, die sich nicht an die Regeln halten bzw. mitmachen würden. Wenn Regeln klar gesetzt und kommuniziert sind, so zeigt die Compliance-Forschung, dann ist die übergroße Mehrheit bereit sich daran zu halten. Wichtig sei aber ebenfalls, die motivierende Kraft einer Eliminierungsstrategie wirken zu lassen und Ressourcen zur Begleitung von Bürger*Innen in Quarantäne bereit zu stellen, beispielsweise durch die Unterstützung von Zivilgesellschaft und durch die finanzielle Absicherung des Arbeitsplatzes für Menschen, die sich oder ihre Kinder selbst isolieren.
Und jetzt?
Mittlerweile gibt es immer mehr Kommunen, die sich für eine „No Covid“ – Strategie aussprechen und diese unterstützen. Einer der sogenannten Piloten im direkten Umkreis könnte beispielsweise die Stadt Köln werden. Oberbürgermeisterin Henriette Reker befürwortet die Strategie und wirbt für die strikteren Maßnahmen aus dem Strategiepapier. Sie sieht eine verstärkte Kompetenzverlagerung an die Kommunen als besonders wichtigen Teil der Strategie an. So könne kurzfristig und dynamisch auf Veränderungen reagiert werden. Und auch Oberbürgermeisterin Katja Dörner hält den Ansatz für wichtig und setzt sich für größere Handlungsspielräume der Städte und Kommunen in der Bekämpfung des Corona-Virus ein. Offen bleibt allerdings, wie oft im Alltag dann tatsächlich an die Tests gedacht wird und, ob die „No-Covid“-Strategie wirklich eine bundesweit einheitliche Umsetzung findet, oder ob es wieder zu regional unterschiedlichem Vorgehen kommen wird. Klar ist allerdings, dass die zurzeit geltenden verschiedensten Regeln in den einzelnen Bundesländern eher für Verwirrung sorgen. Ebenso ist die Versteifung auf Inzidenzwerte, sei es die Inzidenz von 50, 35 oder 10 ein weiterer Streitpunkt: Denn in einigen Städten ist der Inzidenzwert von 35 bis jetzt noch nicht erreicht. In einem Schreiben von Berliner Amtsärzten an die Politik heißt es ebenfalls diese bilde das Infektionsgeschehen nicht ab. Wie wird es nach dem Lockdown also weitergehen? Wie sehen die von Bundeskanzlerin Angela Merkel erwähnten drei geschnürten „Öffnungspakete“ aus? Demnächst wird es mehr Informationen geben. Nach Prof. Mayer könnten die öffentlich-rechtlichen Medien aber jetzt schon mehr tun: „Man hört keine klare Wiederholung von relevanter Information: wie benutze ich zum Beispiel einen Test, was sagt mir der Test überhaupt, wie sollte ich mich isolieren – die Medien könnten in dem Bereich viel mehr Informationsarbeit leisten“ gibt er zu Bedenken.