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Bild: Letzte Generation

Das Recht auf Zukunft

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In einer Zeit, in der Fridays for Future seine großen Empörungswellen hinter sich gelassen hat, sind es die Aktivist*innen der Letzten Generation, die in aller Munde sind – und dass nicht immer im positivsten Sinne. Die Initiative steht für einen radikaleren Klimaaktivismus, als in den Jahren zuvor. Unsere Reporterin Inga Widdau hat mit einem Mitglied der Bonner Ortsgruppe über die Initiative und ihren umstrittenen Protest gesprochen.

Birte Kittstein ist Mitglied der Bonner Ortsgruppe der Letzten Generation und war schon immer eine große Naturliebhaberin, für die Initiative ist sie nun das erste Mal aktiv geworden. „Bisher haben alle Klimagerechtigkeitsbewegungen nicht den entscheidenden Druck machen können“ sagt sie. Die grundlegende Motivation der Initiative ist leicht erkennbar. Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass der Klimawandel Ökosysteme und somit unsere Lebensgrundlage immer gravierender beschädigt. Ob nun Dürren, Brände, Fluten oder andere Naturkatastrophen, die Gefahr ist immer spürbarer. „Wir müssen als Weltgemeinschaft sagen: „Stop! Wir können uns das nicht mehr leisten.“

„Wir gehen ins Herz“

Vor allem die extremeren Protestformen, wie das Festkleben auf Straßen oder an Kunstwerken sorgen für Kontroversen. „Die Letzte Generation stört mehr, erzeugt mehr Spannung und bekommt dadurch mehr Aufmerksamkeit.“ Diese Aufmerksamkeit ist das Ziel der Aktivist*innen, nicht für die Aktionen selbst, sondern für das dahinterstehende Thema Klimagerechtigkeit. „Das Ziel ist nicht die Autofahrer*innen zu ärgern.“ Letztendlich steht die Hoffnung am Ende jeder Aktion, dass die Presse als Informationsmedium ihrer schuldig wird und die Hintergründe und Inhalte der Initiative aufgreift und verbreitet. „Wir gehen ins Herz, nämlich Autos und Kunst und kleben uns an.“ – Verkehr und Kultur werden als Herzstücke der Gesellschaft blockiert, um eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Organisation hinter den Protesten

Aufgebaut und gehalten wird die Letzte Generation größtenteils von ehrenamtlichen Mitgliedern, nur ein geringer Teil wird für ihre Tätigkeit bezahlt. Die Finanzierung läuft größtenteils über Groß- und Kleinspenden. Birte selbst rechnet damit, dass sie und ihr Mann die bevorstehenden Geldstrafen im vierstelligen Bereich selbst zahlen müssen. Rechnungen für das Drucken von Flyern, Mieten für Vortragssäle oder Ähnliches können auch bei der internen Spenden AG eingereicht werden und werden meistens übernommen. Einen Mitgliederbeitrag zahlt man nicht, jeder kann der Initiative beitreten.

Die Bonner Ortsgruppe trifft sich einmal in der Woche via Zoom, um sich auszutauschen und zu planen. Sie bauen darauf, dass in Zukunft immer mehr Menschen in der Initiative aktiv werden, damit die Aufgaben besser verteilt werden können. „Es ist nicht nur das auf der Straße sitzen. Man muss ein Protesttraining machen, sich organisieren und absprechen.“

Bei einem Protesttraining lernen die Mitglieder, wie sie sich während einer Störung verhalten sollen. Die Letzte Generation bezeichnet sich selbst explizit als gewaltfrei. Auf Beschimpfungen durch wütende Autofahrer soll beispielsweise nicht eingegangen werden. Man soll sich möglichst klein machen und den eigenen Kopf schützen. Meistens sind während der Störungen auch Mitglieder vor Ort, die deeskalierend auf die Beteiligten wirken sollen. Auch die Verhaftung soll widerstandslos erfolgen und die Aktivist*innen stehen dabei mit ihrem Gesicht und den Personalien für ihre Aktionen gerade, welches im radikalen Protest nicht immer der Fall ist. „Das kann nicht jeder“ meint Birte. Es sind „wenige die hart dabeibleiben und unglaubliches leisten.“ Sie selbst habe zu viel Angst vor den Aggressionen oder körperlichen Verletzungen, die einem bei einer Aktion entgegenschlagen können.

Umgang mit Kritik

Immer wieder muss die Initiative auf harsche Kritik am eigenen Vorgehen reagieren. „Ziviler Ungehorsam ist ein Mittel der Demokratie und das muss eine Demokratie auch ertragen.“ Neben der Kritik an den Protestformen werden auch einzelne Mitglieder kritisiert, wie zuletzt zwei Aktivist*innen, die per Langstreckenflug Urlaub in Asien machten. „Es geht nicht um die einzelnen Leute, sondern darum die Gesellschaft umzubauen. Wir sind alle keine Heiligen.“ Dies sei allerdings auch nicht der Anspruch der Initiative. Jeder, der Teil haben möchte, darf mitmachen, denn es geht nicht um Privatpersonen, sondern um die „großen Hebel“. Die Politik soll weitreichende Veränderungen und Maßnahmen schaffen, die ein klimaneutraleres Leben ermöglichen.

Umweltschutz vereint

Zuletzt sei es ein Fehlglaube, dass nur linke jüngere Menschen in der Letzten Generation aktiv wären, denn in der Bonner Ortsgruppe gibt es auch viele ältere Mitglieder, jenseits der Zwanziger. Umweltbewusstsein findet sich auch als Kernthema konservativ eingestellter Menschen. Beispielsweise solidarisiert sich auch die Kirche teilweise mit Initiativen wie der Letzten Generation, vor dem Hintergrund der Bewahrung der Schöpfung. „Da kommen Leute zusammen, die nicht immer nur grün und links sind.“

Die Aktivist*innen wünschen sich eine stärkere Aufmerksamkeit, mehr Aufklärung und einen öffentlich wirksamen Diskurs, um die Umwelt zu bewahren. Dafür setzen sie ihre eigene Gesundheit aufs Spiel und strapazieren das Verständnis ihrer Mitbürger*innen.