Ein Imagewandel ist für Artists häufig mit Risiken verbunden, aber trotzdem unvermeidbar. Trettmann hat ihn eingeleitet, nachdem er sich im letzten Jahr von KitschKrieg getrennt hat. Wie sieht dieser Wandel auf seiner Tour aus, die auch noch unter dem Motto „No More Sorrow“ steht? bonnFM hat es sich angesehen!
Wenn man 100 Rap-Fans die Frage stellen würde, was Trettmann als Artist ausmacht, würden 99 antworten: Sonnenbrille, schwarz-weiß-Ästhetik, KitschKrieg als Producer-Team und Texte rund um Party-Nächte, scheiternde Liebschaften oder die Vergangenheit in der DDR. Diese Einschätzung mag zwar lange Zeit für Trettmanns Karriere gestimmt haben. Seit er sich aber im letzten Jahr von KitschKrieg (und damit auch von schwarz-weißen Covern)getrennt hat, stimmt sie in dieser Form nicht mehr. Eine klare Zäsur – kann das gut gehen?
Zeit steht eben nicht still
Einfache Antwort: Es kann, vor allem weil alles relativ behutsam von statten geht. Zwar sind die Sounds auf der aktuellen EP-Trilogie „Your Love Is King“ nicht mehr so minimalistisch, wie in der KitschKrieg-Ära. Trotzdem lässt sich ein ganz klarer Trettmann-Sound erkennen, der mit den neuen Producern verfolgt wurde. Auch ansonsten hat sich nicht viel am Erfolgsrezept geändert: es finden sich viele Features mit Rapgrößen wie Souly, RIN oder Bonez MC. Die Inhalte der Texte folgen immer noch größtenteils den oben genannten Motiven. Das ist vielleicht nicht gerade innovativ oder gar visionär, funktioniert aber trotz der veränderten Rahmenbedingungen erstaunlich gut.
Grauer Beton in bunt
Die Metamorphose Trettmanns lässt sich vielleicht am ehesten im Vergleich von den Songs „Grauer Beton“ (2017) und „NAWW“ (2024) erkennen. Beide behandeln die DDR-Vergangenheit von Trettmann, der beim Fall der Mauer 16 Jahre alt war. Thematisiert wird die schwierige Situation Ostdeutschlands nach dem Fall der Mauer: wirtschaftlicher Niedergang, Arbeitslosigkeit, der damals schon aufkommende Rechtsextremismus. In „Grauer Beton“ wird diese Hoffnungslosigkeit auch mit einer gewissen Wut verbunden. („Man hat uns vergessen Anfang der 90er-Jahre“, „Freiheit gewonnen, wieder zeronn’n“). Auf „NAWW“, kurz für „Nach allem was war“, das zusammen mit der DDR-Ikone Uschi Brüning aufgenommen wurde, ist diese Wut einer gewissen Ratlosigkeit gewichen: Zwar hat das lyrische Ich mit dem Kapitalismus „seinen Frieden gemacht“. Im Angesicht der persönlichen Entbehrungen und Auseinandersetzungen, auch mit rechtsextremen Kräften, gegen die viel zu lange nichts unternommen wurde, findet die Erzählinstanz keinen „Schlaf in der Nacht“. Wohin diese Ambivalenz in Zukunft (auch politisch) führt, ist unklar.
Auftritt süß wie Baklava? STANDARD
Beide Songs wurden natürlich beim Konzert in der Lanxess-Arena am Donnerstag gespielt, „NAWW“ war sogar das Finale der Show. Auch bei seiner Live-Show in Köln lässt sich Trettmann nicht gerade als Visionär für Live-Auftritte feiern. Aber auch die weitverbreitete Meinung, dass seine Bühnenshows langweilig wären, lässt sich nach anderthalb Stunden nicht bestätigen. Das liegt zu einem Teil natürlich auch an den Überraschungsgästen, die Trettmann auf die Bühne holt (in Köln waren das Blumengarten, Jassin und Voract LUNA). Zum weit größeren Teil lässt sich Trettmanns Bühnenperformance, inklusive Tänzerinnen, als sehr kurzweilig herausheben. Nach einem wilden Ritt durch circa 30 Songs lassen sich auch die Unkenrufe nicht bestätigen, die nach der Trennung von KitschKrieg den künstlerischen Tod des Rappers vorhergesagt haben. Fans, die das ganze Konzert über mitgegangen sind, eine mehr als solide Bühnenshow und eine gelungene Wandlung lassen viele mit der Frage zurück, die Trettmann auch auf seiner aktuelle EP stellt: War das schon alles?
