Wer sagt, dass klassische Klavierkonzerte immer in geschlossenen Hallen stattfinden müssen? Es geht auch anders: im Arkadenhof des Unihauptgebäudes treten vom 15. bis zum 17. September junge Pianisten unter freiem Himmel auf – naja, fast.
In der Mitte des Arkadenhofs steht eine Plattform mit einem Klavier. Das Instrument ist aber nicht schutzlos dem wechselhaften Septemberwetter ausgesetzt – es befindet sich in einer Art Plastiktipi. Dieses transparente Zelt – das sogenannte Pianodrom – wird mit einem konstanten, generatorbetriebenen Luftstrom aufrechterhalten.
Für diejenigen, die zum ersten Mal das Beethovenfest besuchen, ist dies sicher ein skurriler Anblick. Dabei hat sich die aufblasbare Konstruktion im letzten Jahr schon als Erfolg herausgestellt. „Nach leichtem anfänglichen Fremdeln des Publikums haben sich die Reaktionen auf das Konstrukt immer mehr zum Besseren entwickelt“, sagt Nike Wagner, Intendantin des Beethovenfests. „Wir können herumgehen, flanieren oder uns hinsetzen und zuhören. Das hatte sich schon letztes Jahr ungeheuerlich bewährt.“
Außerdem soll laut Wagner der Klang mit dem Visuellen verknüpft werden: „In Verbindung mit dem Sichtbaren sind ja ganz neue Künste entstanden. So sagen wir auch beim Pianodrom – es soll unsere Wahrnehmung verändern: Wir hören auch mit den Augen.“
Eine Bühne für junge Künstler
In dem luftbetriebenen Zelt wird vor allem jungen Pianisten und Musikstudenten eine Bühne geboten. Jeder von ihnen hat einen Slot von etwa 30 Minuten.
Aber wird nur Beethoven und Klassik auf dem Programm stehen? „Was im Pianodrom gespielt wird, bestimmen die jungen Künstler selber. Es kann jazzig sein, zeitgenössisch, es kann Beethoven sein, muss aber nicht. Sie dürfen querbeet spielen“, erklärt Nike Wagner.
Hans-Walter Müller: Pionier der aufblasbaren Kunst
Das Pianodrom-Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem deutschen Künstler, Erfinder und Architekten Hans-Walter Müller. Er, der schon mit Künstlern wie Salvador Dali gearbeitet hat, entdeckte bereits in den 1960er Jahren die aufblasbare Kunst für sich. Seit 1971 lebt er in Frankreich in einem eigens hergestellten luftbetriebenen Haus.
„Ich war dazu angeregt, Utopien zur Wirklichkeit werden zu lassen. Es geht nicht mehr nur um die Schwerkraft, das heißt Stein auf Stein zu bauen und dann die ganze Kraft am Boden zu akkumulieren. Es geht vielmehr um die Regeln der Gase und Flüssigkeiten. Und darauf baue ich meine Sachen auf“, sagt Müller im Gespräch.
Das Pianodrom als „Vorbote“ eines luftbetriebenen Konzerthauses?
Nike Wagner wollte die aufblasbare Kunst ursprünglich in viel größeren Dimensionen in das Beethovenfest integrieren. „Ich wollte eigentlich eine temporäre Architektur haben und zwar in Form eines großen Konzertsaals. Hans-Walter Müller hat mir einen Entwurf gemacht. Wir haben sogar eine erste Videoproduktion, sodass man sich es vorstellen kann.“ Bisher wurden die Gelder für das Projekt aber noch nicht zur Verfügung gestellt.
Das Pianodrom soll als „kleiner Vorbote“ zeigen, wie eine solche temporäre Architektur aussehen könnte. „Es eignet sich für Klang, es ist was Interessantes, Witziges, ästhetisch hinreißend zu Installierendes – und so ist das Pianodrom sozusagen die Schwalbe, die vielleicht einmal einen Sommer macht.“
Ein guter Zeitpunkt für die Premiere eines solchen Saals wäre Wagners Meinung nach 2020, dem 250. Jubiläum von Beethoven. Der hätte sich bestimmt über diese Art von Experimentierfreudigkeit gefreut.