„Malcolm & Marie“ zeigt die Abgründe einer toxischen Beziehung. Mit nur zwei Personen entstand ein in Schwarz-Weiß gekleidetes, mitreißendes Kammerspiel, das ebenso beeindruckend wie bedrückend ist.
Mit verschränkten Armen lehnt Marie (Zendaya) in der Terrassentür und schaut nachdenklich in die Nacht hinaus. In dünnen Fäden zieht der Qualm ihrer Zigarette in die Dunkelheit empor. Hinter ihr im Wohnzimmer, verdeckt von halb heruntergelassenen Jalousien, hält Malcolm (John David Washington) einen langwierigen Monolog über seinen neuen Film. Marie hört nur mit halbem Ohr hin. Erst vor wenigen Minuten sind der junge Regisseur und seine Freundin von der Filmpremiere zurückgekommen. Während Malcolm mit einem Drink in der Hand Musik auflegt, setzt Marie Wasser auf. Während er sich über die Kritiken zu seinem Film aufregt, steht sie für ihn am Herd.
Maries Geschichte
Bereits in diesen ersten Szenen offenbart sich das Ungleichgewicht, das die Liebe zwischen Malcolm und Marie erschüttern soll. Malcolm erzählt in seinem Film die Geschichte einer drogenkranken Frau. Auch Marie war süchtig. Ist es ihre Geschichte? Wenn ja, warum hat sie, die sie doch auch Schauspielerin ist, nicht die Rolle bekommen? Und warum hat Malcolm sie in seiner Dankesrede nicht einmal erwähnt? Es sind diese Fragen, die Marie innerlich zerreißen, und sobald sie ausgesprochen sind, zerreißen sie auch die Beziehung. Und so schreit Marie gegen die stille Ungerechtigkeit des Übersehenwerdens, sie weint Tränen der Erschöpfung und sie schweigt so lange, bis die lärmende Stille kaum noch zu ertragen ist. Das breite Spektrum ihrer Gefühlszustände steht im starken Kontrast zu der schlichten Eleganz der Schwarz-Weiß-Farben, in die der Film getaucht ist.
Malcolms Wut
Weniger breit gefächert sind hingegen die Facetten, die Malcolm zeigt. Während Marie ihr Innerstes offenbart, bleibt Malcolms Charakter eher blass, eindimensional. Schon in den Anfangsszenen fällt es schwer, Malcolms Worten zu lauschen, während Marie stillschweigend in der Tür steht. Auch wenn die Kamera Malcolm folgt, wie er unruhig im Wohnzimmer auf- und abgeht, so kehrt sie doch immer wieder zu Marie zurück. Dabei würde es sich durchaus lohnen, Malcolm zuzuhören: Seine anfängliche Wut richtet sich nämlich gegen die von einer weißen Kritikerin verfasste Rezension, die sein Werk als Rassismuskritik am amerikanischen Gesundheitssystem abstempelt, obwohl er selbst nie vorhatte, einen politischen Film zu drehen.
Eine toxische Beziehung
Malcolm und Marie führen eine toxische Beziehung, wie sie im Buche steht und der Streit über die Filmpremiere ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Schnell findet sich Marie in wüsten Beschimpfungen wieder, die vor allem ihre Unzufriedenheit mit sich selbst offenlegen. Doch Malcolm ist nicht besser. So beschimpft er Marie, während er Mac and Cheese mampft, die sie für ihn gekocht hat. Wenn die beiden sich beleidigen, scheinen ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt zu sein, doch wenn sie sich versöhnen wollen, fehlen ihnen die Worte und sie greifen auf plumpe Liebeslieder zurück, die nach den leidenschaftlichen Verwünschungen mehr als grotesk erscheinen.
„Malcolm & Marie“ zeigt, dass sich die wahren Dramen im unscheinbaren Alltag abspielen. Leidenschaft findet nicht bei der Filmpremiere statt, sondern hinter verschlossenen Türen in einem Bungalow mit nur zwei Personen. Durch diese Konzentration auf das Wesentliche gelingt Regisseur Sam Levinson ein beeindruckendes wie auch bedrückendes Beziehungsporträt. Bedrückend, weil man sich selbst oft in den toxischen Verhaltensmustern wieder erkennen kann. So wie Marie, die in einer Szene enttäuscht von außen durch das Fenster auf Malcolm schaut und dabei ihr eigenes Spiegelbild sieht.
„Malcolm & Marie“
USA 2021
Regie: Sam Levinson
Länge: 106 min
„Malcolm & Marie“ ist auf Netflix zu sehen.