Am 15. Juli 2022 ist das nunmehr dritte Album von Razz erschienen und präsentiert Fans dabei eine ganz neue Seite der Band. bonnFM hat sich das Album für euch angehört und Sänger Niklas Keiser im Interview gefragt, wie sich Razz über die Jahre verändert und warum Everything You Will Ever Need ein ganz besonderes Album für ihn ist.
Bereits die Single-Auskopplungen ließen vermuten, was das fertige Album endgültig bestätigte: Mit Everything You Will Ever Need haben Razz den Sound, den sie 2021 mit ihrer EP Might Delete Later noch neu ausprobiert haben, nun gefestigt. Die EP war für die Band dabei ein wichtiger Schritt in eine neue Richtung, wie Sänger Niklas Keiser im Interview erklärt: „Die EP war eben so ein Prozess, in dem wir schauen mussten: Okay, wie sollen, wie wollen wir klingen? Und bei diesem Album war’s dann einfach klar, weil Might Delete Later einfach der Wegbereiter war.“ Das Album setzt nahtlos da an, wo die EP aufgehört hat, führt den Sound von ‚Razz 2.0‘ aber mit einer neuen Sicherheit weiter.
Razz blicken im neuen Album nach innen
Diese neue Sicherheit sorgt auf Everything You Will Ever Need nicht nur für Weiterentwicklung, sondern auch Abwechslung: Razz trauen sich, mit dem neu gefundenen Sound auch mal was auszuprobieren. Kombiniert mit den ehrlichen Lyrics fühlt sich das Album dadurch sehr persönlich an und das ist es für Niklas auch: „Es ist einfach passiert, dass das Album sehr intim und sehr persönlich wurde, weil einige Break-Up Songs drauf sind, und dann hatte ich auch ein paar schwierige Phasen in den letzten Monaten und Jahren und das war irgendwie so ein bisschen der Weg, das zu verarbeiten.“ Während die EP also noch sehr extrovertiert war, wenden Razz mit dem neuen Album den Blick nach innen.
Aufarbeitung statt Realitätsflucht
Denn sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, war Razz bei der Entstehung des Albums ein wichtiges Anliegen und das ist der Band auch gelungen. Einige der Songs teilte die Band auf der nachgeholten Might Delete Later-Tour im Mai und Juni auch bereits mit ihren Fans. Sich live mit so persönlichen Songs zu zeigen, konnte Niklas nicht immer: „Mich hat es früher extrem viel Überwindung gekostet […] und vielleicht ist Everything You Will Ever Need jetzt auch irgendwie so ein Wendepunkt, dass ich da einfacher drüber sprechen kann oder mich da auch wohler mit fühle. […] Wenn Ed Sheeran oder zum Beispiel Taylor Swift nur Break-Up Songs machen, dann kann ich da auch drüber reden und das ist auch voll okay.“
Erwachsenwerden in Musikform
Von den älteren Songs – also die auf den 2015 und 2017 veröffentlichten Alben – gab es auf der Tour allerdings eher weniger zu hören; klar, man will ja vor allem sehen, wie das Publikum auf die neuen Songs reagiert. Doch auch die Identifikation mit den eigenen Songs spielt für Niklas dabei eine Rolle: „Wenn man so bedenkt, dass das erste Album beispielsweise sieben oder acht Jahre her ist, […] ist es schon schwierig, sich da noch komplett mit zu identifizieren, weil man sich ja auch selbst weiterentwickelt hat“. Publikumsfavoriten wie Youth & Enjoyment spielt die Band daher vor allem für die Fans und weil sie einfach unschlagbar gut live funktionieren. Auch wenn es schade ist, dass dadurch manche Schätze wie Black Feathers oder 1953 – Hillary wohl nicht mehr so oft live erklingenden werden, ist diese Entscheidung irgendwie verständlich und sprechen nur für die Weiterentwicklung von Razz.
„Wir sind ein bisschen wie ein altes Ehepaar.“
Die vier machen ja auch schon wirklich lange Musik zusammen: 2015 erschien das erste Album der Band, befreundet sind die Jungs teilweise schon seit dem Kindergarten. Über die Jahre sind sie dadurch natürlich immer weiter zusammengewachsen. „Ich glaube dadurch, dass das immer noch weiter und weiter ging […] und wir auch viel nerviges Zeug durchmachen müssen, kennen wir uns einfach komplett auswendig. […] Manchmal ist es dadurch schon sehr routiniert, und vielleicht zu eingespielt, dass es schon fast in Richtung altes Ehepaar geht (lacht).“ Genau wie bei alten Eheleuten ist man sich da nicht immer einig und so musste der Rest der Band auf der Tour erst noch von ein paar Songs überzeugt werden. So z.B. auch bei Rome, der zwar erst mit dem Album erschien, aber wohl am prägnantesten die Weiterentwicklung der Band zeigt.
Zwischen Bowlingbahnen und Selbsthilfegruppen
Razz stellen sich dabei auch immer wieder die Frage, wie sie alte Formate neu und spannend aufbereiten können. So entstand auch die Idee ihres vierteiligen Kurzfilms, der die Single-Releases des Albums begleitete. „Ich finde coole Musikvideos gibt’s ganz wenige, oder viele folgen zumindest ‘nem ähnlichen Muster, und um das zu umgehen, […] haben wir uns überlegt, was ist wenn man – genauso wie dieses Album eigentlich ein Gesamtwerk ist – auch das in den Musikvideos widerspiegelt und auch das als Gesamtwerk betrachtet.“ Laut Niklas sei die Band das Projekt zwar mit einer gewissen Naivität angegangen und wurde besonders während der teilweise 17 Stunden langen Drehtage in Berliner Bowlingbahnen immer wieder herausgefordert, doch die Arbeit hat sich gelohnt: Innerhalb von insgesamt nur 20 Minuten schaffen Razz es gemeinsam mit Regisseurin Jen Krause eine ganze Reihe spannender, einzigartiger Figuren zu skizzieren und halten die Zuschauer:innen in ihrer Aufmerksamkeit dabei so gepackt, wie es Musikvideos aktuell nur selten gelingt.
Und wie geht’s weiter?
Auch nach der Releasewoche steht allerdings erstmal keine Pause für Razz an: Die Band spielt dieses Jahr auf einigen Festivals und plant für Ende des Jahres bereits eine eigene Tour zum Album. Die Songs mit einem Publikum zu teilen ist für die Band dabei immer wieder etwas ganz besonderes, was Niklas in den letzten Jahren sehr gefehlt hat: „Live spielen ist einfach ein großer Teil für Razz, oder war schon immer ein großer Teil, und der ist bisschen verloren gewesen in der letzten Zeit.“ Umso mehr freuen sich Razz jetzt natürlich darauf, diesen Teil wiederzuentdecken und liefern mit Everything You Will Ever Need ein Album, das gespannt auf das macht, was noch kommen mag.