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Bild: bonnFM

Staub und Glitzer

Lesezeit: 4 Minuten

Vergangenes Wochenende fand das Hurricane Festival in Scheeßel statt. Gespielt wird Rock-, Independent- und Alternative Musik. Headliner sind unter anderem Kraftklub, Peter Fox, Muse, Casper und die Ärzte.

Letzten Donnerstag war es wieder so weit. Über 70 000 Besucher*innen haben ihren Weg nach Scheeßel auf das Hurricane Festival gefunden und warten gespannt auf ein Wochenende voller Tanz, Musik und einer gemeinsamen Zeit mit Freund*innen. Bevor es so weit ist, muss allerdings erst einmal das Camping Equipment zum Platz getragen und aufgebaut werden. Bereits gegen Mittag sind auf den ersten Blick alle Zeltplätze belegt. Einige Fans sind bereits nachts um 3 Uhr mit dem Auto losgefahren, um direkt um 7 Uhr auf das Gelände zu gelangen. Aber der Zeltplatz ist bekanntlich dazu da, auch auf den zweiten Blick voll zu werden und mit etwas Zeit fürs Suchen und einem gewissen Talent in Zelt-Tetris findet jeder seine Stelle. Dosenbiere werden geöffnet, Musikboxen aufgedreht, bis es zur Warm-up-Party geht und Querbeat mit Karnevalsmusik ein Heimatgefühl bei allen aus der Rhein-Sieg- Region hervorruft.

Feminismus und Frauen auf der Bühne

Der erste Tag ist vielversprechend. Dylan eröffnet mittags die River Stage, Gayle folgt. Sie wirkt sehr nahbar, die Crowd scheint schock-verliebt zu sein. Nach ihrem Statement ,,You can call me pretty as long as I am not only pretty to you“, performt sie Ihren Hit I dont want to be pretty. Sie tanzt mit einer Regenbogenflagge und all denen, die keine Allies der LGBTQ+ Bewegung, sind, widmet sie ihren Song abcdefu. Neben Sympathie punktet sie mit einer geilen Performance, die überrascht. Feminismus in Person folgt mit Ashnikko. Sie kommt mit zwei Tänzerinnen an und liefert eine Show ab, bei der jede Sekunde durchchoreographiert ist. Beim Live-Gesang macht sie dafür allerdings ein paar Abstriche, oft läuft sie ausschließlich auf Playback. Choreo oder Gesang – was einem hier wichtiger ist, ist dann doch eine persönliche Frage.

Und das wars dann auch schon fast mit den weiblichen Stars. Sie sind da, das fällt auf, dennoch bleibt die Forderung nach weiblichen Headlinern unbeantwortet. Hauptsächlich Männer folgen. Provinz spielen ein neues Lied, hier zum 1. Mal live. Frontsänger Vincent sagt, er sei nervös, Grund dafür gibt es allerdings nicht, als er später singt tanz für mich tut das nicht nur einer, sondern alle bewegen sich im Rhythmus. Tash Sultana begeistert später mit ihrer quasi 1-Women-Performance und es stellt sich die Frage, welches Instrument sie nicht spielt. Das Highlight des Tages ist aber ohne Frage Kraftklub. Sie beweisen mal wieder, dass sie vor allem eines sind – eine Live-Band.

Tanzen im Regen

Der zweite Tag folgt mit einem etwas weniger starken Line-up und ist vielleicht etwas davon überschattet, dass Marteria als Headliner performen darf. Fans regen sich bereits im Vorfeld über die Entscheidung des Veranstalters auf, viele fragen sich, ob das ,,Der Ernst” des Veranstalters FKP Scorpio ist, dennoch steht der Timetable fest. Lola Marsh tritt auf der West Coast Stage auf und hat zu Beginn technische Probleme. Das erste kommentiert sie mit ,,Oh shit, it was the cable”, das Kabel ihrer Akustikgitarre war nicht richtig verbunden, das Problem ist also schnell gelöst, allerdings folgt ein weiteres, welches sich nicht so einfach beheben lässt. Lola komponiert innerhalb der Wartezeit dann mal eben aus dem Stehgreif einen Song über die Situation- das Publikum ist begeistert. Auf der Rockbühne tritt Madsen auf – und die Wolken brechen über dem Publikum zusammen, alle sind innerhalb von Sekunden durchnässt. Madsen witzelt über die Situation, sonst habe es bei seinen Auftritten immer gerade aufgehört zu regnen. Er spielt Mit dem Moped nach Madrid, welcher sich als Song erweist, zu dem man perfekt im Regen tanzen kann. Später performen The Lumineers, wobei Pianist Jeremiah Fraites dem Frontsänger Wesley Schultz absolut die Show stiehlt. Barfuß tanzt er auf dem Klavier und stürzt sich in die Menge. Rin und Casper schließen den Abend ab.

Neue Hits neben alten Bands

Der Sonntag startet direkt mit einem Mega Act: Nina Chuba startet auf der River Stage und beweist, dass die Bühne bereits um 2 Uhr mittags gefüllt werden kann und es dafür keinen Abend Slot braucht. Sie startet mit Mangos mit Chili ihre Show und spielt am Ende zwei unveröffentlichte Songs. Weiter geht es mit Domizianas 90er Techno. Es scheint unwirklich, dass sie kaum ganze Live Shows performt hat. Die Crowd ist von ihr absolut begeistert, es wird eine große Party gefeiert – und das nicht nur bei ihren bekannten Songs. Wo Domiziana die Stimmung angeheizt hat, knüpft 01099 übergangslos an, es wird gemosht, alle haben so richtig Bock.

Daneben performt Matt Healy, Frontsänger von The 1975 mit Kippe und Flachmann in der Hand – das Ganze ist irgendwo zwischen unangenehm und einem Vibe.

Queens of the Stone Age sind nicht schlecht, bleiben aber nicht unbedingt im Gedächtnis, die Crowd wartet eher voller Vorfreude auf die nächste Band: Die Ärzte spielen den letzten Act des Festivals. Sie berichtet, sie wären nicht auf die Bühne gegangen mit dem bestehenden Crowdsurfing-Verbot, welches das gesamte Wochenende gilt – und heben es damit auf. Zwischen ihren Songs quatschen sie sehr viel miteinander – das ist wohl auch ein Markenzeichen ihrer Shows. Es ist ganz lustig, sie sprechen sich für die letzte Generation und die LGBTQ+ Community aus, irgendwie merkt man aber doch, dass ein Boomer und kein Gen-Zler spricht. Sie enden ihre Show- es könnte nicht anders sein- mit Schrei nach Liebe. Alle lassen ihre letzten Energien beim Arschloch-Brüllen heraus und sind nach dem Act total fertig, aber glücklich.

Ein Wochenende voller Staub, Tanzschweiß und Glitzer ist zu Ende. Die Erinnerung und der Dreck unter den Fingernägeln aber bleibt.