Die bonnFM Kolumne
Der Ausruf „Wir sind keine Bots“ ist derzeit oft zu hören auf Demos gegen die EU-Urheberrechtsreform, medial bekannt unter dem Schlagwort „Artikel 13“. Der wird auch zu Recht kritisiert, das eigentliche Problem ist aber etwas ganz anderes – meint unser Autor.
“Wir sind keine Bots!” hört man dieser Tage immer wieder auf großen Demos, auch in unserer Nachbarstadt Köln. Die Demonstrierenden sind vor allem SchülerInnen und Studierende. Man würde sie wohl “Digital Natives” nennen: jene erste Generation junger Menschen, die von Anfang an mit dem Internet aufgewachsen sind. Mit all seinen Gefahren, aber auch seinen Freiheiten. Und genau die sehen diese Menschen nun bedroht.
Bedroht durch die geplante EU-Urheberrechtsreform, in den Medien besser bekannt unter dem Schlagwort “Artikel 13”. Nein, ich möchte hier nicht den 1000. Hintergrundbericht dazu verfassen – das können andere besser. Ein paar Fakten aber müssen sein, um uns alle auf einen Stand zu bringen.
Drei Artikel und ihre Probleme
Im Wesentlichen geht es bei diesem Artikel 13 darum, dass künftig die Betreiber von Plattformen, wie beispielsweise YouTube, schon dann haften sollen, wenn illegale Inhalte dort bloß hochgeladen werden. Um das zu vermeiden, werden die Plattformen um Uploadfilter wohl kaum herumkommen. Nur so können sie wirklich jeden einzelnen Post bereits vor dem Upload auf potentielle Urheberrechtsverletzungen prüfen.
Das Hauptargument der KritikerInnen der Reform lautet dabei, dass diese Filter unter Umständen auch Parodien oder Zitate als mögliche Urheberrechtsverletzung erkennen könnten und somit wohl weit mehr Inhalte blockiert würden als die tatsächlich illegalen. Durch Uploadfilter befürchten sie deshalb eine starke Einschränkung der Meinungsfreiheit, was zumindest unser Online-Leben betrifft. Dabei habe ich doch schon im ersten Semester meines Jurastudiums gelernt, dass die Meinungsfreiheit eines der wichtigsten Grundrechte überhaupt ist und quasi unerlässlich für eine funktionierende Demokratie. Und nun arbeitet ausgerechnet die EU, ursprünglich geplant als Inbegriff der freiheitlichen Demokratie, an der Einschränkung dieses wichtigen Grundrechts? So weit, so schlimm. Der eigentliche Aufreger an der Urheberrechtsreform ist für mich aber noch etwas ganz anderes.
Nein, es ist auch nicht Artikel 11 der geplanten Richtlinie. Er soll Google und ähnliche Plattformen verpflichten, für jeden Verweis auf einen Zeitungsartikel o.ä. entsprechende Beträge an die jeweiligen Verlage zu zahlen. Mehr noch als Artikel 13 zeigt diese Norm aber, das die gesamte Urheberrechtsreform im Wesentlichen scheinbar von großen Medienkonzernen wie Axel Springer, der FAZ oder auch der französischen Nachrichtenagentur AFP gewünscht und nach Berichten der EU-Parlamentarierin Julia Reda wohl auch mitentworfen wurde.
Die Urheberrechtsreform in ihrer derzeit geplanten Form dient also keinesfalls dem oft behaupteten “Schutz der Künstler”, sondern letztlich nur den Interessen großer europäischer Medienkonzerne. Am deutlichsten wird dies dann in Artikel 12 der Richtlinie, nach dem die angeblich so schützenswerten KünstlerInnen und UrheberInnen einen Teil ihrer Einnahmen aus den Verwertungsrechten an die Verlage abführen müssen. Statt Schutz läuft es hier also auf eine Ausbeutung hinaus.
Das Kernproblem ist ein anderes
Wirklich erschreckend finde ich aber erstens die Art und Weise, wie dieser Gesetzentwurf scheinbar zustande gekommen ist – nämlich durch massive Lobbyarbeit von Großkonzernen bis weit hinein ins Parlament, die mir auf EU-Ebene in dem Ausmaß bisher nicht bewusst war und meiner Meinung nach ein gänzlich neues Licht auf vergangene und künftige EU-Gesetzgebung wirft.
Und zweitens entsetzt es mich, wie die BefürworterInnen der Reform ihre Gegner mehr und mehr mit unsachlichen und diffamierenden Behauptungen zu bekämpfen versuchen – alleine die FAZ veröffentlicht mittlerweile regelmäßig entsprechende Texte gegen die Kritiker des Artikel 13, und auch einige Bundestagsabgeordnete wie Heribert Hirte oder EU-Parlamentarier wie Sven Schulze bewegen sich hart am Rande der sachlichen Diskussionsebene. “Das sind doch alles nur von Google gesteuerte Bots” oder “von YouTubern instrumentalisierte Kinder und Jugendliche” gehören da noch zu den harmloseren Kommentaren über die Gegner des Entwurfs.
Wir sollten unsere Demokratie verteidigen
Wenn also mehrere private Großkonzerne gemeinsam mit EU-Abgeordneten an der Grenze zum Lobbyismus derart massiv eine solche Reform durchsetzen wollen, macht mich das schon sehr stutzig. Hier schließt sich dann der Kreis zur Demokratie, in der doch eigentlich das Volk das Sagen haben sollte – und nicht das Geld. In meinen Augen geradezu beispielhaft zeigt die Entwicklung rund um Artikel 13, wie sehr die Regierenden inzwischen unter dem Einfluss der Wirtschaft stehen. Ob man das dann noch Demokratie nennen kann, ist eine andere Frage. In einem aber bin ich mir sicher: das wir alle in den nächsten Tagen und Wochen zeigen sollten, dass unsere Demokratie uns wichtig ist. Eine europäische Demokratie mit angemessener Distanz zwischen Wirtschaft und Politik. Darum lasst uns unsere Stimmen erheben, so oft und so laut, bis die Herrschenden in Berlin und Brüssel uns nicht mehr ignorieren oder gar verspotten können. Bis sie uns ernst nehmen und zuhören müssen – ob sie wollen oder nicht.
Noch ist unsere Meinung frei. Also rufen wir alle gemeinsam: “Wir sind keine Bots!”
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