„He lost his temper so I asked him ‚is it that time of the month?‘ #womeninmalefields
Einen sexistischen Spruch drücken, es auf TikTok veröffentlichen und sich dafür gegenseitig feiern – das tun zurzeit Frauen bzw. Creatorinnen unter dem Hashtag #womeninmalefields. Was wollen sie damit erreichen und brauchen wir wirklich den x-ten provokanten TikTok-Trend um Feminismus präsenter zu machen? Ja, findet unsere Autorin. Denn allein die Tatsache, dass sich viele von dem Trend auf den Schlips getreten fühlen zeigt: Er ist vielleicht auf den meisten for-you-pages angekommen aber es hat längst nicht bei allen Klick gemacht.
Kollektives Aufarbeiten durch gemeinsamen Hashtag
Laut der Website „Know Your Meme“ geht der Trend auf einen X-Thread zurück und war dort bereits im Januar bekannt. Mitte November schwappt er schließlich rüber auf TikTok und wird hier unter dem Hashtag #womeninmalefields groß. Übersetzen könnte man den Trend auch mit „wenn Frauen sich wie Männer benehmen würden“. Auf TikTok sieht das dann zum Beispiel so aus:


Frauen betreten im Trend also die typischen „Männersphären“. Damit sind Bereiche im Leben sowie tatsächliche Orte gemeint, die von Sexismus geprägt und immer noch zu häufig von toxisch-männlichen Verhaltensmustern dominiert werden: Der Job, der Gehweg, das Datingprofil. Aber es geht auch um die emotionale Ebene, zum Beispiel Beziehungen. In der Realität sind genau das mitunter die Sphären, in denen Frauen und Menschen die als solche gelesen werden regelmäßiger Diskriminierung durch Männer ausgesetzt sind. Auf TikTok wird der Spieß jetzt aber umgedreht. Geht es hier also einfach nur um eine große Männer-Parodie?
Parodie bis es Klick macht
Dass es den Creatorinnen nicht darum geht, mit Alpha-Female-Sprüchen zu flexen, ist spätestens nach dem dritten Mal Scrollen wohl den meisten klar. Die deutsche Influencerin und Autorin Tara Louise Wittwer a.k.a. @wastarasagt bringt es mit ihrem überspitzten TikTok ganz schön auf den Punkt. Hier schreibt sie: „Wenn er mich nach Verhütung fragt, aber ich ihm sage, dass ich mit Pille nichts fühle“.
In Wahrheit ist das Ganze natürlich kein „Wie du mir, so ich dir“- Spiel. So einfach lässt sich die Diskriminierung, die der Großteil Frauen alltäglich erlebt, auch nicht durch ein Rollenspiel übertragen. Trotzdem ist es ein Versuch, den Verantwortlichen den Spiegel vorzuhalten, ohne mit dem Finger auf sie zu zeigen. Wer sich von den dort präsentierten Charakteren also angesprochen oder gar provoziert fühlt, sollte sich in erster Linie fragen warum. Mit dem Trend will man vor allem diejenigen erreichen, bei denen Aufklärung und Dialog an der Empathiegrenze scheitern. Da manche Männer bis heute nicht den Perspektivwechsel wagen wollen, muss der Perspektivwechsel eben zu ihnen kommen.
Und wer sind jetzt „diese Männer“, die großen Vorbilder für diesen Trend?
Reaktion auch auf Ereignisse im November
Dafür brauchen wir nur mal in die News der letzten Wochen zurückzurollen. Noch Anfang November dominierte der Clip vom rechtsextremen Influencer und Trump Anhänger Nicholas Fuentes das Internet. Trumps Wahlsieg verkündete der feierlich mit den Worten, Frauen würden niemals über ihren eigenen Körper bestimmen können, denn Männern würden immer gewinnen. „Your body, my choice“. Der Slogan findet sich mittlerweile auf T-Shirt bei Amazon. Genauso wie in den Kommentarspalten unter Posts hunderter Frauen auf Social Media. Aber warum nur in die USA schauen. Auch ein Kölner CDU-Politiker stellte erst vor ein paar Wochen bei X das Frauenwahlrecht „inoffiziell“ in Frage. Es gibt genug aktuelle Beispiele von Männern, die ihre Stimme dafür nutzen, um Frauen und queere Personen und ihren Wunsch auf Selbstbestimmung vorzuführen. Sie demonstrieren in der Öffentlichkeit die eigene Macht und feiern sich dafür, Frauen zu degradieren. Genau solche Beispiele werden im Trend aufgegriffen. Vielleicht haben also auch die Ereignisse der letzten Wochen dem Hashtag einen gewissen Aufwind gegeben.
Grundsätzlich geht es im Trend aber auch um das Parodieren von Alltagssexismus. Und der kommt eben nicht von Politikern sondern aus dem eigenen Umfeld und aus Social Media. Am 19.November veröffentlichte das Bundeskriminalamt Zahlen zu Gewalt gegen Frauen. Und hier zeigt sich schwarz auf weiß, wie stark diese in der letzten Zeit zugenommen hat – auch im digitalen Bereich. In den letzten fünf Jahren hat sie sich hier sogar verdoppelt. Dabei zählen über 70 Prozent der Taten zur Kategorie Nötigung, Bedrohung und Stalking. Gewalt gegen Frauen und dessen Auswirkungen im Alltag. Das ist also der reale Trend hinter dem Trend, auf den bei TikTok aufmerksam gemacht wird. Hat das denn auch eine Wirkung?
#meninwomenfields – Einmal das Übliche bitte
Auch einige Männer reagieren mit Humor und Unterstützung auf den Trend, in Form von Kommentaren oder eigenen Videos. Dreht man den Spieß um, wird wohl doch noch einigen klar, wie absurd und übergriffig solche Statements sind. Aber wie sich bereits erahnen lässt, gibt es einige Nutzer, die sich von ihrem eigenen Spiegelbild provoziert oder sogar herausgefordert fühlen. Unter Hashtag wie #meninfemalefields versuchen sie den Spieß erneut umzudrehen und nutzen den Trend, um auf, aus ihrer Sicht, toxisch weibliches Verhalten anzuspielen. Einige versuchen sogar, den Frauen Mitschuld an ihrer Situation zu geben. Doch ein Spieß, den man zwei Mal um 180 Grad dreht, schmort eben genau dort weiter, wo er vorher auch schon lag. Mit ihren Aussagen schießen sie nicht nur völlig am Trend vorbei, sie versuchen auch, die Debatte zu verschieben.
Beim eigentlichen Trend geht es um weitaus mehr, als sich über den emotionally unavailable Partner aufzuregen. Es geht nicht darum, sich über Männer lustig zu machen. Höchstens über ihr sexistisches Verhalten. Vielleicht auch zum Selbstschutz, denn mit ein bisschen Humor lassen sich diese, in Wahrheit sehr schlimmen und beängstigenden Erlebnisse, teilweise besser auf- und verarbeiten. Betroffene versuchen schließlich immer wieder einen neuen Weg zu finden, um sich zu wehren – denn darum geht es am Ende bei diesem Trend. Der Unterdrückung und Ungleichbehandlung etwas entgegen zu setzen und darauf aufmerksam zu machen. Dabei lassen sich die Creatorinnen immer wieder etwas neues einfallen und spielen jetzt eben mit stereotypischem Macho-Gehabe, um besagte Männer dort zu kitzeln, wo es weh tut: Bei der internalisierten Misogynie und dem eigenen Ego.
Fazit: Tik-Top oder Tik-Flop?
Wie so oft heißt es wohl am Ende, dass viele in der Bubble bleiben, in der sie sich am wohlsten fühlen. Dass der Trend es überhaupt in andere Bubbles schafft und immerhin ein paar Männer aus der Reserve lockt, ist vielleicht ein kleiner aber immerhin ein Erfolg. Der Trend zeigt aber nun mal leider auch, dass immer noch genug Männer nur dann aktiv werden, wenn sie sich durch eine Frau in ihrer Machtposition bedroht fühlen. Und ihr Handeln dann auch nur in dem Versuch besteht, Frauen etwas wegnehmen oder sie kleinreden zu wollen. Statt den Hintergrund des Trends zu hinterfragen und sein eigenes Verhalten zu reflektieren, missbrauchen sie den Safe Space, den sich Betroffene aufbauen und versuchen ein so wichtiges Thema zu bagatellisieren. Und das alles nur, weil einigen Männern ihr eigenes Spiegelbild nicht gefällt.
Ein Erfolg dürfte wohl aber die Solidarisierung unter den Betroffenen sein. Manchmal bleibt eben nichts anderes übrig, als gemeinsam über ein schlimmes Erlebnis zu lachen. Es zu verarbeiten, darüber zu bonden und im besten Fall vielleicht sogar etwas ändern. Zumindest bei einigen scheint der Trend am Ende dann ja doch etwas ins Rollen gebracht zu haben.
