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„Mit meinen Freunden zu Hause würde ich jetzt einfach Witze machen“

Lesezeit: 2 Minuten

Diese Kolumne gibt die subjektive Meinung der Autorin wieder

Die Meisten von uns können sich gar nicht vorstellen, wie das ist, wenn man die eigene Heimat verlassen muss, weil sie nicht mehr sicher ist. Und dann wird man plötzlich mit dieser Realität konfrontiert. Miteinander sprechen statt nur übereinander, das ist das Ziel der Mitsprache – Seminare.

Ich bin etwas nervös, als ich den Raum betrete. Dabei ist das ja gar nichts unnormales, Menschen mit Fluchthintergrund kennenzulernen. Aber wenn das Erste, was du von jemandem weißt, die Fluchtgeschichte der Person ist, dann fragst du dich schon, wie du damit umgehen sollst. Zumindest war das bei mir so. Ich habe mich ganz unvorbereitet für ein Blockseminar angemeldet. Mitsprache für Neuzugewanderte, Menschen mit Sprache integrieren und ihnen die eigene Sprache vermitteln – darum ging es. Vormittags haben wir die Theorie besprochen: Wie man Sprachbegleitung gestalten kann, und wie schwierig es eigentlich ist, Asyl zu bekommen. Jeden Nachmittag ist dann eine Gruppe Zugewanderter ins Seminar gekommen, und wir haben uns ausgetauscht – über Gemeinsamkeiten und Unterschiede, unsere Länder und Erfahrungen.

Es gibt keinen falschen Grund für Engagement

Ja, es ist eine Uni-Veranstaltung. Teil davon ist, sich ehrenamtlich zu engagieren. Es gibt dafür Credits, auch wenn die den Meisten von uns egal waren. Macht das die Sache weniger gut? Eine ganz wichtige Lektion habe ich im Seminar gelernt: Es gibt keinen falschen Grund, sich zu engagieren. Selbst, wenn du es für Leistungspunkte tust, für den Lebenslauf, oder für das gute Gewissen, ist das ein super wichtiger Beitrag. Und oft sind diese anderen Gründe ja nur der Anstoß.

„ Flüchtling ist degradierend“

Sprache erzeugt Bilder im Kopf. Das muss man sich bewusst machen. Direkt am ersten Tag haben wir deshalb klargestellt: Ein Mensch ist kein Flüchtling, sondern ein Mensch mit Fluchtgeschichte. Man kann niemanden auf einzelne Merkmale oder einen rechtlichen Status begrenzen, und die sogenannte Flüchtlingswelle hat bei vielen Assoziationen geschaffen. Woran denkst du, wenn du das Wort Flüchtling hörst? Einen abgemagerten Menschen in einem überfüllten Camp? Ein Schlauchboot im Mittelmeer? Und wie gehst du von diesem Punkt ins Gespräch? Mit einer ordentlichen Ladung Mitleid, oder lieber gar nicht? Alles keine guten Ideen. Also wie wird man die alten Bilder los? Am besten geht das im persönlichen Gespräch.

Miteinander, statt übereinander reden

Was ich gelernt habe? Eine Menge, über mich selbst und über die Welt. Wie das syrische Bildungssystem aussieht, zum Beispiel, und wie schwierig es ist, eine neue Sprache mit ganz anderem Schriftsystem zu lernen. Wir merken im Alltag gar nicht, dass Nadel, Nagel und Nabel fast das gleiche Wort sind. Oder wie frustrierend es ist, sich nicht auf dem gewohnten Niveau ausdrücken zu können. „Mit einen Freunden zu Hause würde ich jetzt einfach Witze machen,“ hat mir ein Teilnehmer gesagt. Auf Deutsch ist das noch nicht so einfach. Und sonst? Dass ich verdammt privilegiert bin. Weil ich in ein friedliches Land geboren wurde, und weil ich nicht täglich mit Rassismus konfrontiert werde. Und, dass Fremde gar nicht mehr so fremd sind, wenn man sie erstmal kennenlernt. Wir sind alle nur Menschen mit unterschiedlichen Geschichten. Mache davon beinhalten eben Fluchterfahrung.​Ich suche mir jetzt also Freiwilligenarbeit. Um den Austausch ein bisschen mehr in den Alltag zu holen – mehr miteinander zu reden, und weniger übereinander.

Und vielleicht hast du ja auch Lust darauf. Egal, aus welchem Grund. Unter https://www.asta-bonn.de/Studentische_Gruppen findest du einige Gruppen, die sich für den guten Zweck engagieren.