Am Freitag outeten sich 185 Schauspieler:innen gemeinsam im SZ-Magazin. Sie alle gehören zur LGBTQI*-Community. Warum ein solches Outing auch heute noch so wichtig ist und wie es die Sichtbarkeit der LGBTQI*-Community verändert.
„Ach, Sie lieben Frauen? Dann können Sie die Mutter nicht spielen, sie sind ja keine.“ Mit Aussagen wie dieser wurde die bekannte „Tatort“-Schauspielerin Ulrike Folkerts in ihrer Karriere schon konfrontiert. Folkerts ist lesbisch und spricht in der aktuellen Ausgabe des SZ-Magazins über ihr Coming-Out in der Medienbranche. Für sie ist es unverständlich, dass sie einige Rollen nicht spielen darf, nur weil sie lesbisch ist: „Es ist mein Beruf, alles zu spielen, alles! Ohne es zu sein!“ Im selben Magazin outen sich insgesamt 185 lesbische, schwule, bisexuelle, queere, nicht-binäre und trans*Schauspieler:innen im Rahmen der #actout-Initative. Gemeinsam veröffentlichen sie ein Manifest, wollen die Community sichtbar machen und fordern Veränderungen in ihrer Branche.
„Es ist doch völlig egal, wer wen liebt“
Die Reaktionen auf das Massen-Coming-Out fallen unterschiedlich aus. „Wunderbare Unterstützung der LGBT-Community. Danke!“, schreibt eine Person unter die Veröffentlichung des Magazin-Covers auf Instagram. „Wenn wir wollen, dass alle es ganz normal finden, dann sollten wir keine große Sache draus machen“, schreibt wiederum eine andere Person bei Twitter. Die Frage, ob ein Outing heutzutage wirklich noch notwendig ist, wird in den sozialen Medien stark diskutiert: „Warum muss das so nach außen getragen werden?“, fragt sich eine Person auf Instagram und fügt hinzu: „Es ist doch völlig egal, wer wen liebt“.
Schön zu sehen, dass es für viele der Kommentierenden so „normal“ ist, wenn sich Menschen zur LGBTQI*-Community bekennen, könnte man jetzt sagen. Unsere Gesellschaft ist jedoch noch weit davon entfernt, die Community uneingeschränkt zu akzeptieren. So werden zum Beispiel in Polen und Ungarn Gebiete zu LGBT-freien-Zonen erklärt. Und auch in Deutschland werden laut einer Studie 30% der Homosexuellen und sogar 40% der Trans*Personen am Arbeitsplatz diskriminiert. Mobbing, Ausgrenzung und Verurteilung stehen für viele Menschen aus der LGBTQI*-Community an der Tagesordnung.
Sichtbarkeit und Akzeptanz
Wir leben in einem heteronormativen System. Wir akzeptieren es, wenn sich heterosexuelle Paare in der Öffentlichkeit küssen und wenn sich Männer und Frauen (denn mehr Geschlechter gibt es im heteronormativen System nicht) ihrem sozialen Geschlecht (Gender) entsprechend verhalten. Abweichungen von diesem System müssen ständig kommentiert und ausgegrenzt werden: Das sich küssende homosexuelle Paar erntet verwirrte Blicke. Über den Mann im Kleid macht man sich mit Freunden lustig. So funktioniert das System, in dem wir leben und es gäbe noch zahlreiche weitere Beispiele.
Es ist daher kein Wunder, dass sich viele Personen aus der LGBTQI*-Community verstecken, ihre Geschlechtsidentität oder Sexualität verheimlichen und sich zumindest in der Öffentlichkeit dem System anpassen. Sichtbar ist die Community kaum. Aber das muss sie sein, um akzeptiert zu werden. Je öfter wir etwas sehen, desto alltäglicher wird es für uns, desto mehr wird es akzeptiert. Jedes Outing und jede mutige Person, die sich nicht dem System hingibt, macht die Community ein bisschen sichtbarer. Man kann aber nicht erwarten, dass sich jede Person aus der LGBTQI*-Community outet. Es gibt auch gute Gründe, warum sich manche Menschen nicht oder nur im Privaten outen. Für einen einzelnen Menschen kann der Widerstand einfach zu stark sein. Unsere Gesellschaft ist eben noch nicht soweit jeden Menschen, jedes Geschlecht, jeden Körper und jede Sexualität zu akzeptieren. Es braucht Initiativen wie #actout, um auf diese idealistische Vorstellung hinzuarbeiten. Denn um akzeptiert zu werden, muss man erstmal gesehen werden.
Und in der Zukunft?
Mit dem Coming-Out der Schauspieler:innen sind 185 Menschen aus der LGBTQI*-Community auf einem Schlag sichtbar geworden. Sie stehen nun für Vielseitigkeit und Diversität. Jede:r von ihnen lebt der Gesellschaft einen alternativen Lebens- und Liebensweg vor. Als Gruppe sind sie sich sicher, gegen Widerstand gewappnet zu sein.
Im Manifest rufen die Schauspieler:innen ihre Branche auf, sich zu verändern und vielfältige neue Geschichten zu erzählen. Je mehr dieser Geschichten wir zu sehen bekommen und je häufiger sich die Schauspieler:innen bekennen, desto offener kann unsere Gesellschaft werden. Desto alltäglicher wird die Repräsentation der LGBTQI*-Community. Desto wahrscheinlicher wird die Akzeptanz. Und vielleicht ist es dann auch wirklich irgendwann egal, wer man ist oder wen man liebt. Vielleicht braucht es dann keine Coming-Outs mehr.
Es sind aber nicht nur die Bereiche Film und Fernsehen, die in Zukunft positiv auf die Repräsentation der LGBTQI*-Community einwirken können und müssen. Man stelle sich nur mal vor, es würden sich 185 Sportler:innen oder Politiker:innen outen…