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Bild: bonnFM

Bitte nicht stören, wir verhandeln gerade eure Zukunft! – Die SB58 Klimakonferenz in Bonn

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„Wir bitten euch nicht mehr, wir fordern Klimagerechtigkeit von euch!“ Diese Anklage megaphonierten Klimaschutzaktivist*innen, die sich am letzten Freitag zwischen World Conference Center und UN-Headquarter in Bonn gruppierten an die Delegierten der dort stattfindenden Klimakonferenz SB58.

Bei der SB 58 (SB steht für Subsidary Bodies) versammelten sich wissenschaftliche, technologische und politische Berater*innen unter dem Dach der Vereinten Nationen nun zum 58. Mal in Bonn, um sich über die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu streiten oder zu einigen. Sie dient jährlich als Zwischenverhandlung, um die vergangene Weltklimakonferenz (auch COP genannt) auszuwerten und die kommende vorzubereiten. Alle Menschen, die an diesem Freitag vor dem World Conference Center anzutreffen sind, haben etwas zum Klimaschutz zu sagen. Aber nicht alle werden gehört. Der Berechtigungsausweis, um innerhalb der Konferenzsäle sprechen zu dürfen, baumelt unschuldig vor der Brust der Delegierten. Sie tragen ihre Ausweise an dezent-blauen Halsbändern, während draußen, die Klimaschutzaktivist*innen auffällig bunte Plakate vor der Brust halten. Dennoch wirkt die gläserne Wand des World Conference Centers für ihre Botschaften undurchdringlich.

Nur gucken, nicht anfassen

Der Präsident der im November stattfindenden COP28 in Dubai, Dr. Sultan Al Jaber, verkündete in einem offiziellen Statement, dass er sich bereits bei dieser vorbereitenden Konferenz in Bonn für Fairness, Integration und Transparenz einsetzen möchte. Um dieses Ziel zu erreichen sei es bedeutsam junge Menschen und die Natur ins Zentrum der Klimafortschritte zu stellen. Aus diesem Grund wurden wohl einige der außenstehenden Aktivist*innen mit hellblauen Zugangsberechtigungskettchen ausgestattet. Das ist es, was man aus der Ferne annehmen kann. Bei genauerem Hinsehen, erkennt man erst den Status, der auf dem Ausweis vermerkt ist: Beobachter*in. Nur gucken, nicht anfassen. Stephen Musarurwa ist einer dieser Beobachter. Er ist im Namen von Fridays for Future der Most Affected People and Areas aus Botswana nach Bonn gereist. Im bonnFM Interview berichtet er „was ich innerhalb des Gebäudes erlebe, ist, an den Rand gedrängt zu werden. Die meisten unserer Aktivist*innen und sogar ich werden als Beobachter*innen kategorisiert. Als Beobachter bin ich limitiert, ich darf keine anderen Konferenzen besuchen, Ich kann nicht aussprechen, was ich sagen möchte … Das ist das größte Problem innerhalb dieser Konferenz, der Jugend ist es nicht erlaubt, Konferenzen zu betreten, die unsere Zukunft betreffen.“ Später fügt er hinzu: „Sie haben Angst vor uns, deswegen geben sie uns nur den Beobachter-Status.“Ähnlich übt auch die Aktivistin Xananine Calvillo Ramirez Kritik. Sie ist Nachkommin der indigenen Community ngiwa aus einer tropischen Wüstenregion in Mexiko. Sie ärgert sich, dass immer die gleichen Menschen Teil der Verhandlung sind und junge oder indigene Menschen nicht bei der Zusammensetzung der Delegationen berücksichtigt würden. „Es ist ein Ort, der für viele Menschen sehr unzugänglich ist und wo viele Dinge, wie unsere Gefühle oder Erfahrungen nicht in die Konferenzräume passen. Das ist wie eine Barriere.“

Die Konferenz der Unerreichbarkeit

Viele der Aktivist*innen, die den Platz der Vereinten Nationen für sich vereinnahmt haben, sind weit für diese Konferenz gereist. Ihre Präsenz ist bedeutsam. Erfahrungen aus Pakistan, Mexiko, der Ukraine, den USA, den Philippinen und Botswana werden vom Redner*innenpult aus geteilt. Doch viele Geschichten und Gesichter fehlen. In seiner Rede adressiert Stephen Musarurwa die Einreise-Ungerechtigkeit mit der viele Aktivist*innen gerade aus dem globalen Süden konfrontiert wurden. Die Reisen wurden lange im Voraus geplant und durch Akkreditierungen der Vereinten Nationen gestützt und doch wären viele Visa-Anträge durch die Botschaften ohne Begründung abgelehnt worden oder diese hätten mit Blick auf die Konferenz keine Termine für Einreiseanträge angeboten. „Ist das gerecht?“ fragt Musarurwa die bedrückte Zuhörerschaft. Im Gespräch macht er dieses Anliegen noch einmal deutlich, der gesamte Kontinent Afrika trägt nur 4% der globalen Emissionen und ist dennoch am stärksten betroffen. „Viele unserer Aktivist*innen scheiterten daran, diese Konferenz zu besuchen. Das sind aber die Menschen, von denen wir erwarten, hier zu sein, dass sie ihre Geschichten teilen und auch gehört werden. Durch die Visa-Ungerechtigkeit, ist es schwer unsere Geschichten zu teilen und das ist das große Problem dieser Konferenz.“

Auch Xananine Calvillo Ramirez prangert an, dass von der Klimakrise stark betroffene Menschen nicht ausreichend bei dieser Konferenz vertreten sind. Ihre indigene Community ist in der Region Puebla in Mexiko verwurzelt, einer Zone, die mit zunehmender Desertifikation konfrontiert ist. Sie selbst konnte aufgrund ihrer Vernetzung mit Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) an dieser Konferenz teilenehmen, doch sie gibt zu verstehen, dass der Rahmen stark technisiert ist und daher für viele Menschen nicht erreichbar ist. „Es gibt viele technische Dinge, von denen viele Communities gar nicht wissen, dass es sie gibt. Für sie ist es also sehr schwer, sich für diese Konferenzen anmelden.“

Willst du mit mir hoffen? Ja, nein, vielleicht

Sowohl die Weltklimakonferenz, sowie alle mit ihr in Zusammenhang stehenden Treffen der Vereinten Nationen, so auch die SB58 stehen, erfahren stets harsche Kritik, ihnen fehle es an Schlagkraft und zufriedenstellenden Lösungsansätzen. Auch Xananine Calvillo Ramirez lamentiert: „die Verhandlungen waren wie immer, sie reden immer über die gleichen Themen, nach dem Motto sie wüssten nicht, was loss and damage ist, dass sie das nicht finanzieren können“. Das ist für sie nicht glaubwürdig und verletzend für viele Menschen der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen, die im Gegensatz zu den Industrienationen am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben. Nichtsdestotrotz geben ihr Netzwerke mit anderen jungen und indigenen Menschen Hoffnung. Diese Konferenzen sollten nicht als die einzige Antwort gelesen werden, stattdessen könne man Zuversicht schöpfen aus den Prozessen, die auf lokaler Ebene bereits vorangetrieben werden. Mit einem ähnlichen Appell schließt auch Stephen Musarurwa: „wenn wir so weiter kämpfen, wenn wir unsere Stimme erheben, dann denke ich, dass es Hoffnung gibt, ja!

Die Interviews mit Stephen Musarurwa und Xananine Calvillo Ramirez wurden auf Englisch geführt und von der Autorin ins Deutsche übersetzt.