Am Freitagmittag versammelt sich Fridays for Future zusammen mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) auf dem Bonner Münsterplatz. Der globale Klimastreik ist gleichzeitig ein gemeinsamer Verkehrswendeaktionstag. Das unerwartete Duo findet durch eine verbindende Erkenntnis zusammen: Eine Mobilitätswende ist nur mit fairen Löhnen für Beschäftigte möglich. Frauen Leben Freiheit sieht eine Verbindung zwischen Klimakrise und Diktaturen.
„Rote Klimakarte“ für die Regierung
“Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär` nur deine Schuld, wenn sie so bleibt”. Wenn dieser Ärzte-Song an einem Freitagmittag aus den Lautsprechern dröhnt und sich Jung und Alt mit beschriebenen Pappschildern versammeln, dann ist wieder globaler Klimastreik. Die Demonstrierenden zeigen der Regierung mit Plakaten die „Rote Klimakarte“ und fordern keinen weiteren Ausbau von Autobahnen. Das Ziel stattdessen: Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und der Ausbau dessen, was sinkende Emissionen im Verkehrssektor zur Folge hätte. Fridays for Future beruft sich dabei auf das Pariser Klimaabkommen. „Es ist einfach wichtig, dass so viele Menschen wie möglich zu diesen Klimastreiks kommen, weil die Regierung muss merken, wie ernst das Thema ist“, sagt ein junger Demonstrant zu seiner Motivation vor Ort zu sein. Eine andere Demonstrantin gibt zu: „Ehrlich gesagt habe ich extreme Panik um mein zukünftiges Leben.“
Streiken bis zu fairen Löhnen
Die Besonderheit: Diesen Freitag stechen gelbe Warnwesten aus der versammelten Menge heraus. Demonstrierende, die dem Aufruf der ver.di gefolgt sind, am Warnstreik teilzunehmen, um den Druck auf die Arbeitgebenden bei den laufenden Tarifverhandlungen zu erhöhen. Denn das in der zweiten Verhandlungsrunde vorgelegte Angebot bezeichnet die Gewerkschaft in einem Statement als „völlig indiskutabel“ und „ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“.
„Mehr von euch ist besser für uns alle“ – Eine Verkehrswende in klima- und sozialgerecht
Vertretend für die Beschäftigten im ÖPNV tritt Marion auf die Bühne. Seit 34 Jahren ist sie Busfahrerin. Marion sagt selbst, sie habe nie gedacht jemals bei Fridays for Future eine Rede zu halten. So haben die Demonstrationszüge den Arbeitsalltag regelmäßig behindert, was beim sonst schon belasteten Personal zu Überstunden geführt hat. Beliebt waren die Proteste jedenfalls nicht. „Wir können uns eure Ziele einfach nicht mehr leisten“, sagt sie und klärt die Menge über ihren Arbeitsalltag auf. Dazu gehören die fehlende work-life-balance, die psychische Erschöpfung nach stundenlanger Konzentration im Straßenverkehr, Beschimpfungen durch Fahrgäste, Schichtdienst und Stress „und das auch noch für sehr, sehr wenig Geld“. So können sich die meisten Beschäftigten keine Wohnung in Bonn leiten und sind auf das Auto angewiesen. „Wir sind es wert, nur wir werden halt nicht so behandelt”, sagt Marion.
Wegen der Arbeitsbedingungen und unangemessenen Löhne wollen immer weniger Menschen diese Berufe ausüben. So kann die Verkehrswende nicht funktionieren, findet Jolyne, aus der Bonner Ortsgruppe von Fridays for Future: “Die Verkehrswende darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden”. Stattdessen ist die Durchsetzung gemeinsamer Ziele nur in Zusammenarbeit möglich. Das findet auch Marion. Sie dankt Fridays for Future für die Unterstützung: “Ich finde es schön, dass es euch gibt. Lasst es uns einfach zusammen anpacken”.
Auch die Bonner Ortsgruppen verschiedenster Organisationen haben Fridays For Future und ver.di ihre Unterstützung zugesichert. Darunter German Watch, die unter anderem für dem Ausbau erneuerbarer Energien einstehen, Parents For Future, German Zero, Greenpeace, Extinction Rebellion und einige mehr.
Frauen Leben Freiheit ruft zur Unterstützung der iranischen Revolution auf
Aktuell schockieren vor allem Bilder von Giftgasangriffen auf Mädchenschulen in Iran die Menschen im In- und Ausland. Auch die Zwangskleidungsvorschriften und unverhältnismäßige Verbote, wie das Verbot Fahrrad zu fahren, sind ein Weg der systematischen Unterdrückung und Frauen und Mädchen durch die iranische Regierung. Denn “Frauen und Mädchen sind die Motoren der Revolution in Iran”, so Amir, Mitglied von Frauen Leben Freiheit Bonn. Es sei wichtig, sich klarzumachen, dass Iraner:innen die sich gegen das Regime aussprechen sich selbst und ihre Familie gefährden. “Dieses Leuchtwerk an Mut aus Iran können wir uns als Vorbild nehmen”, so Amir – in jeglicher Hinsicht, auch mit Blick auf Klimagerechtigkeit.
Denn die iranische Revolution hat mehr mit der Klimakrise zu tun, als man zunächst vermuten würde. Deutschland gehört zu den größten und einflussreichsten Handelspartnern der Islamischen Republik in der Europäischen Union. Deswegen hat die Organisation klare Forderungen. Die einflussreiche Iranische Revolutionsgarde, welche die freiheitlichen Bestrebungen in Iran als „Krieg gegen Gott“ gewaltsam zu unterbinden versucht, soll auf die EU-Terrorliste gesetzt werden. Dazu soll jegliche Kooperation – ob Handel oder Kommunikation – mit Iran beendet werden. „Mit Terroristen kann man nicht Diplomatie führen”, sagt Amir. “Wir müssen zusehen, dass deren Geldhahn zugedreht wird”. Zur Loslösung von Diktaturen gehöre auch, dass jede:r Einzelne versucht, fossile Brennstoffe einzusparen. Amir ruft dazu auf die Menschen in Iran aus Deutschland heraus zu unterstützen. “Wir brauchen euch, um den Druck auf die Politik zu maximieren”
Trotz der ernsten, schwer verdaulichen Themen scheint diese Demonstration, wo verschiedene Gruppen zusammenkommen, Hoffnung zu machen. Hoffnung auf Zusammenhalt bei der Bewältigung von Krisen. Frederick, Teil von Fridays for Future Bonn, sagt deutlich: „Das was wir zu gewinnen haben ist die ganze Welt.