Wes Anderson ist zurück. Ihr wisst schon, der mit den symmetrischen Bildern und knalligen Farben. Sein neuer Film kommt nach der Weltpremiere in Cannes jetzt nach Deutschland und ich war vorsichtig gespannt: Wird das immergleiche Konzept auf Dauer langweilig oder liefert er hier tatsächlich einen Meisterstreich?
Phöniwas?
Es hat Ewigkeiten gedauert, bis ich mir den Titel des Films merken konnte. So langsam bekomme ich’s hin, aber falls auch euch im Vokabular das Wort phönizisch fehlt, hol’ ich euch mal kurz ab: Phönizien bezeichnet ein Gebiet, das während des Altertums (1. Jahrtausend v. Chr.) am östlichen Ende des Mittelmeers lag. Strukturiert in Stadtstaaten waren die Phönizier – die sich selbst nicht als solche bezeichneten, sondern sich nach den Namen der jeweiligen Stadt benannten – auf Handel und Seefahrt spezialisiert. Dadurch dehnten sie über die Zeit ihr Einflussgebiet teilweise bis Spanien aus und erlangten Reichtum u.a. durch den Verkauf von Holz der Libanonzedern. Überbleibsel der Phönizier findet man heute in der Sprache, denn: Das phönizische Alphabet diente als Grundlage für verschiedene europäische Schriften (z.B. griechisch) sowie der hebräischen und arabischen Schrift.
Bildungsauftrag erfüllt, jetzt aber zum phözinischen Meisterstreich: Worum geht es überhaupt? Nachdem er erneut einen Attentat überlebt, möchte der Unternehmer Zsa-zsa Korda (Benicio del Toro) den Kontakt zu seiner entfremdeten Tochter Liesl (Mia Threapleton) suchen und diese zur Alleinerbin machen. Die ist allerdings gerade im Begriff eine Nonne zu werden, startet jedoch kurz darauf eine wilde Reise durch Phönizien auf der Jagd nach Investoren. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, ich hätte die Story komplett verstanden, aber so oder so ähnlich beginnt der ganze Spaß.
Originalitätsparadoxon
Wes Anderson – der Mann, der für die Entstehung der Symmetrie verantwortlich ist – macht in Der phönizinische Meisterstreich einmal mehr das, was er über die Jahre perfektioniert hat. Absurde Story, noch absurdere Charaktere, symmetrische Bilder, knallige Farben und ein starbesetzter Cast: Alles, was Fans lieben, findet sich auch hier wieder. Das Szenenbild und das Kostümdesign sind wieder absolut einwandfrei und wunderschön. Genauso schön wie Michael Cera, der für mich – neben zwei Szenen, die ich nicht vorwegnehmen möchte (eine involviert Bryan Cranston) – mit Abstand das Highlight in den gut 100 Minuten bietet. Der Film hat seine Momente und kann durchaus gut unterhalten, aber insgesamt war mir die Prämisse doch zu wenig für die Laufzeit; 20 Minuten weniger hätten hier sicher nicht geschadet.
Dem phonetischen Meisterstreich ist nicht von der Hand zu weisen, dass es eine originelle Geschichte ist, die kreative Ideen hat und das weiß ich (in Zeiten von Remakes, Sequels etc. pp.) sehr zu schätzen. Am Ende geht man eben auch ins Kino, um Dinge zu sehen, die man vorher noch nie gesehen hat und das ist auch bei diesem Film wieder der Fall. Und doch ist das wieder ein ganz typischer Anderson-Film nach Schema F, wie etwa zuletzt Asteroid City. Das wirft die spannende Frage auf: Wie originell ist ein Werk noch, wenn der Regisseur dann doch seit Jahren einfach immer das Gleiche macht?
Keine Überraschungen
Wer vorher kein Wes Anderson-Fan war, wird es auch nach diesem Film nicht werden. Anderson setzt hier auf Altbewährtes und verpasst dadurch leider den filmischen Meisterstreich. Und doch ist das hier definitiv kein schlechter Film. Wer also ein Faible für diese Ästhetik hat und gerne originelle und abstruse Geschichten auf der Leinwand sieht, bekommt mit Der phönizische Meisterstreich genau das und kann ohne Sorge zum nächsten Kino rennen. Dort läuft der Film nämlich seit dem 29. Mai.